Wechsel vom Sozialamt zum Jobcenter bedeutet finanzielle Einbußen

Millionenlücke: Die Kommunen bleiben erneut auf den Kosten für die Geflüchteten sitzen

Flüchtlingsunterkunft Braunschweiger Straße
Die Unterbringung von Geflüchteten ist nur ein kleiner Teil der anfallenden Kosten. Die Kommunen müssen diese schulten.

Macht sich die NRW-Landesregierung (mal wieder) einen „schlanken Fuß“ und lässt die Kommunen mit den Kosten zur Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten allein? Das lässt sich vermuten, wenn man auf die aktuelle Finanzierung blickt. Denn Ende August musste der „Rechtskreiswechsel“ – also der Übergang vom Sozialamt zum Jobcenter – abgeschlossen sein. „Dieser Wechsel klingt nach einer Entlastung für die Kommunen. Aber das Gegenteil ist der Fall“, macht Dortmunds OB Thomas Westphal auf Nachfrage von Nordstadtblogger deutlich.

Kommunen hatten jahrelang um kostendeckende Erstattung gerungen

Sozialdezernentin Birgit Zoerner konkretisiert dies mit Zahlen: 4674 Geflüchtete aus der Ukraine sind bisher in den Rechtskreis des Jobcenters gewechselt, 659 verbleiben beim Sozialamt – das sind überwiegend nicht-erwerbsfähige Menschen. 1549 Geflüchtete wurden mittlerweile ganz abgemeldet, weil sie sich nicht mehr in Dortmund aufhalten.

Solidarität mit Flüchtlingen standen im Mittelpunkt der Refugees Welcome Demo in Dortmund.
Die Solidarität mit Flüchtlingen ist unstrittig, die Finanzierung der Kosten für die Ukrainer:innen schon. Foto: Alexander Vökkel für nordstadtblogger.de

Der Wechsel der Zuständigkeit aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zum Jobcenter hat für die Geflüchteten den Vorteil, dass ihnen etwas mehr Geld zur Verfügung steht.

Bei den Kommunen ist das Gegenteil der Fall. Denn das Land hatte bisher die Verpflichtung, die Städte und Gemeinden finanziell zu entschädigen. Jedes Bundesland verteilte die Bundesmittel jedoch nach eigenen Vorstellungen an die Kommunen. NRW zeigte sich in den früheren Jahren besonders knauserig.

Mit dem Übergang auf das Jobcenter fällt dieser Zuschuss weg. Seit 1. Juni zahlt das Land laut Stadt Dortmund keinen Cent mehr in Sachen Ukraine – die Kommunen gehen leer aus. Denn Jobcenter-Leistungen sind Bundesmittel.

Statt 1235 Euro pro Person und Monat gibt es jetzt 560 Euro weniger

Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner. Foto: Anja Cord
Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner. Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

Zur Erinnerung: In den Jahren 2015 bis 2017 hatten die Kommunen und der Städtetag zäh mit dem Land über die Kostenübernahme für die Geflüchteten gerungen, weil die damalige Erstattung die wirklich anfallenden Kosten nicht annähernd deckte.

Nach jahrelangen Verhandlungen und der Einschaltung von Gutachtern und Sachverständigen wurde eine Vollkostenrechnung aufgemacht, die nicht nur die öffentliche Unterkunft und Betreuung beinhaltet. 

Diese ergab, dass bei kreisfreien Städten wie Dortmund das Land 1235 Euro pro Monat und Flüchtling bezahlt. Die Gutachter ermittelten einen Betrag, der annähernd eine Punktlandung zu den Dortmunder Kalkulationen ergab. Die Dortmunder Stadtverwaltung lag nur zehn Euro höher bei ihrer Berechnung. 

Statt der 866 Euro, die das Land in früheren Jahren pro Kopf und Monat zahlte, konnten sich die Kommunen seit dem 1. Januar 2022 endlich über 1235 Euro freuen. „Erstmals hatten wir annähernd eine Situation, wo wir bei einer echten Kostenerstattung lagen“, macht Birgit Zoerner deutlich. „Wir hätten uns das früher gewünscht – aber sei´s drum.“

Kommunen fordern mehr Geld für Geflüchtete von Land oder Bund

In einem sanierten Post-Gebäude aus den 1920er Jahren an der Schützenstraße ist der neue Jobcenter-Standort.
Seit Juni ist das Jobcenter für die meisten der Ukrainer:innen zuständig, nicht mehr als Sozialamt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Doch die „Freude“ (wenn man das im Zusammenhang mit dem Thema überhaupt so nennen kann) währte nicht lange: Mit dem vom Bund für die Geflüchteten aus der Ukraine verordneten Rechtskreiswechsel ist dieser Zuschuss vom Land hinfällig.

Nun ist der Bund direkt zuständig – doch der kommunale Anteil ist jetzt wesentlich höher.  Die Neuregelung ergibt jetzt eine Differenz von 560 Euro, was der NRW-Städtetag seit  Wochen beim Land anprangert.

Die NRW-Kommunen fordern, dass sie die Mittel, die das Land nun einspart, durchgereicht bekommen. Denn neben den Kosten der Unterbringung und Betreuung fallen beispielsweise immense Kosten für die Schaffung von zusätzlichen Kita- und Schulplätzen an. Allein in Dortmund müssen zeitnah 1100 weitere Schulplätze geschaffen werden. „Es würde uns sehr helfen, wenn wir wieder annähernd auf den früheren Betrag kommen würden“, macht die Stadt klar. 

Doch bisher gibt es weder von Bund noch Land Signale. „Man kann auf den Bund gucken und fordern, auch diese Kosten als flüchtlingsinduziert anzuerkennen, oder aufs Land, das seit dem 1. Juni viel Geld nicht auszugeben hat“, so Zoerner. „Uns ist am Ende des Tages egal, woher das Geld kommt. Aber wir sind weiter der Meinung, dass bei nationalen Kraftanstrengungen die Folgen nicht bei den Kommunen hängen bleiben dürfen“, so die Dortmunder Sozialdezernentin.

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Reaktionen

  1. Land unterstützt Dortmund bei der Unterbringung von Geflüchteten (PM Michael Röls MdL Grüne)

    Dortmund erhält 10,95 Millionen Euro aus dem Unterstützungspaket der Landesregierung für die Versorgung von Geflüchteten. Das Geld dient für die Schaffung, Unterhaltung und Herrichtung von Unterbringungsmöglichkeiten. Insgesamt hilft das Land den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen mit 390 Millionen Euro. Das Kabinett hat die Auszahlung am Dienstag beschlossen.

    „Nordrhein-Westfalen steht zu seiner humanitären Verpflichtung“, sagt der Landtagsabgeordnete Michael Röls (Grüne). „Für Dortmund und andere Kommunen ist die Versorgung von Geflüchteten eine große Herausforderung. Es ist richtig, dass die Landesregierung die Städte und Gemeinden bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützt und konkrete Hilfe leistet. Ich möchte mich auch bei den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen für ihr Engagement und ihre Hilfe für die schutzsuchenden Menschen bedanken.“

    Das Landeskabinett hatte im Februar das zweite Unterstützungspaket zur Bewältigung der Krisensituation in Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf den Weg gebracht. Das Land stellt rund 670 Millionen Euro aus dem Sondervermögen für Maßnahmen zur Krisenhilfe, Krisenresilienz und Krisenvorsorge bereit.

    Ein großer Fokus liegt auf der Unterstützung der Kommunen für die Unterbringung von Geflüchteten. Das Kabinett hat in dieser Woche die Auszahlung dieser Mittel beschlossen. Gleichzeitig treibt die Landesregierung den Ausbau der Kapazitäten in den landeseigenen Einrichtungen weiter voran.

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