Keinen Bock mehr auf nur Normalo-Unterricht? – Alternativen zuhauf für alle Beteiligten bietet die „Pädagogische Landkarte“

Pädagogischer Markt im Dietrich Keuning Haus: Alles dreht sich um außerschulische Bildung. Fotos: Thomas Engel
Pädagogischer Markt im Dietrich-Keuning-Haus: Alles dreht sich um außerschulische Bildung. Fotos: Thomas Engel

Von Thomas Engel

Markt der außerschulischen Lernorte im Dietrich-Keuning Haus (DKH): Um zahlreiche Stände versammeln sich Lehrkräfte, ErzieherInnen, Eltern usf. – alle, die daran interessiert sind, dem Nachwuchs in diesem Lande jedwede Chance einzuräumen, zu lernen, sich zu bilden. Dazu gehören – neben der nicht immer geschätzten „Penne“ – jene Angebote von staatlichen wie zivilgesellschaftlichen Einrichtungen außerhalb des Schulbetriebes, die in der letzten Woche in der großen Halle des DKH ihre Infotische aufgebaut hatten. Und was die Organisatoren vom Dienstleistungszentrum Bildung der Stadt den BesucherInnen des Bildungsmarktes besonders ans Herz legen wollten: Smarte Zugänge zu einzelnen Bildungsangeboten gibt es über eine interaktive Internetplattform, die „Pädagogische Landkarte“.

Kommunen müssen Defizite des bundesrepublikanischen Bildungssystems auffangen

Nadine Seidel, Vera Schöpfer, Franka Schlupp (alle drei vom UZwei kulturelle Bildung im Dortmunder U), Silke Juhnke (Dienstleistungszentrum Bildung), Holger Nolte (Schulamt für die Stadt Dortmund), Daniela Schneckenburger (Dezernat für Schule, Jugend und Familie), Uwe Ewe, Dr. Ulrike Martin, Sylke Herberholt (alle drei: Kitz.do)
AkteurInnen (v.l.:) Nadine Seidel, Vera Schöpfer, Franka Schlupp (alle: UZwei), Silke Juhnke (DLZ Bildung), Holger Nolte (Schulamt), Daniela Schneckenburger (Dezernentin), Uwe Ewe, Dr. Ulrike Martin, Sylke Herberholt (alle: Kitz.do)

Die Chancengleichheit in einem Land wie der Bundesrepublik zu verbessern, in dem wie kaum anderswo in Europa die Kluft zwischen sozialer Herkunft und Bildungsmöglichkeiten so groß ist und sich durch ein früh selektierendes Schulsystem beständig reproduziert – dies ist sicherlich eine der entscheidenden bildungspolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Insbesondere in Regionen mit einem hohen Anteil benachteiligter Familien wie dem Ruhrgebiet.

Allein, ein mehrheitsfähiger politischer Wille, das hierarchisierende Schulsystem der Bundesrepublik zugunsten von mehr Chancengleichheit für Heranwachsende aus deprivilegierten Verhältnissen zu reformieren, ist nicht im entferntesten zu erkennen.

Das lässt tief blicken, nützt aber nichts vor Ort, in den Kommunen, wo Kinder aus bildungsfernen Familien in der Regel wenig Chancen haben, anders als ihre Eltern Zugänge zu fundierter Bildung zu finden.

Wie hier – im Rahmen der Möglichkeiten des bestehenden Bildungssystems – Abhilfe geschaffen werden könnte, darüber zerbrechen sich kommunale Bildungsträger freilich seit längerem den Kopf, auch in Dortmund.

Eine Idee: außerschulische Lernangebote zu stärken. Eine andere, um dies umzusetzen: die bereits vorhandenen Angebote außerhalb der Schule systematisch zu bündeln und Informationen über sie den potentiellen Zielgruppen medial zugänglich zu machen.

Markt der Lernorte im DKH: Infos über außerschulische Bildungsangebote in Dortmund

Angezeigt auf der Pädagogischen Landkarte: Lernorte außerschulischer Bildungsangebote in Dortmund
Angezeigt auf der Pädagogischen Landkarte: Lernorte außerschulischer Bildungsangebote in Dortmund

An die 85 Lernorte gibt es in Dortmund, die keine Schulen sind; vermutlich sind es noch viel mehr. Der Punkt: gewusst, wo! Und was dort zur Bildung gereicht – und für wen es passt, etwa von der Altersgruppe oder den gestellten Ansprüchen her.

Einen ersten Eindruck vermittelte nun im DKH der Markt voller Infostände zu den einzelnen Angeboten verschiedener Träger. Geladen hatte das Dienstleistungszentrum Bildung der Stadt Dortmund – die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um Bildung im Fachbereich Schule, das die einzelnen Lernorte betreut.

Auf den dringenden Handlungsbedarf: zu fördern, wo es mangelt – soll hier einerseits mit den verschiedensten außerschulischen Lernangeboten findig und pädagogisch durchdacht reagiert werden:

Bestmögliche Bildung für alle sei die Voraussetzung dafür, betont Daniela Schneckenburger in ihrer kurzen Eröffnungsansprache, Kindern in Dortmund auch die bestmöglichen Chancen zu eröffnen; und damit gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass es Gerechtigkeit gäbe, was die künftigen Chancen für das eigene Leben anbelangt.

Daniela Schneckenburger: Bildung ist in einer Zeit schneller Umbrüche unerlässlich

Schuldezernentin Daniela Schneckenburger
Schuldezernentin Daniela Schneckenburger

Aber es geht im Weiteren um mehr, macht die Schuldezernentin klar: Stärker denn je sei man darauf angewiesen, Bildung zu einem entscheidenden Faktor für die Entwicklung der Lebenswege von einzelnen Kindern zu machen.

Denn Bildung sei im Grunde genommen die Ressource, die junge Menschen mitnähmen in ein Leben, bei dem nicht mehr von vorneherein klar sei, „wie ich 30 Jahre lang berufstätig bin“, weil es viele Brüche geben könne.

In einer sich globalisierenden Welt, einer sich schnell wandelnden Wissensgesellschaft gehöre es eben auch dazu, bringt Schneckenburger die weitergehende Motivation kommunaler Anstrengungen in Sachen Bildung auf den Punkt, diesen Rucksack mitzunehmen, sich immer wieder auf Veränderung, auf Veränderung auch im eigenen Berufsbild einstellen zu können.

Die Annahme, einmal in ein Berufsfeld einzumünden und dort 30 Jahre zu arbeiten, sei heutzutage nämlich nicht mehr selbstverständlich. Es gäbe Umbrüche – das würden viele junge BerufsanfängerInnen in ihrer eigenen Lebensbiographie erfahren. Das möge allenfalls bei LehrerInnen oder ErzieherInnen anders sein, da Bildung und daher deren Kompetenzen auch in den kommenden Jahrzehnten gebraucht würden.

Infolgedessen müsse Wert darauf gelegt werden, diesen Rucksack mit Bildung, Kompetenzen, Fähigkeiten möglichst gut zu packen – weswegen neben der schulischen auch die außerschulische Bildung ausgesprochen wichtig sei, so die Bildungspolitikerin von Bündnis90/Die Grünen.

Von Kreativ-Angeboten im Kulturbereich über Geschichte zu den Natur- und Geisteswissenschaften

Solche funktionalen Definitionen von Bildung – als individuelles Kapital auf seine Verwertungsfunktion für einen im unsicherer werdenden Arbeitsmarkt hin – treffen eindeutig den Nerv der Zeit: was zählt, ist vor allem Produktivität.

Ein humanistischer Begriff von Bildung als individuellem Gut, als Bildung von Persönlichkeit und als einem Recht, durch das jedem ermöglicht wird, sie zu erlangen, steht mittlerweile in anheimelnd-romantisierender Ecke: Wer muss in der Schule schon Goethe lesen, wenn er/sie später InformatikerIn werden will? Reine Zeitverschwendung für so manchen.

Umso erfreulicher, wie vielfältig die Lernangebote in Dortmund sind: sie reichen thematisch von der Leseförderung in Schul- und Stadtteilbibliotheken, natur- und umweltpädagogisch konzeptionierten Erkundungen, Museumsbesuchen, Veranstaltungen zur Gleichstellung von Geschlechtern, Ethnien, zur Demokratieförderung, über Einführungen in digitale und moderne Arbeitswelten bis hin zu Tanz- und Bewegungsseminaren.

In Dortmund mit dabei – und mit Marktständen im DKH vertreten – sind unter anderem die Stadt- und Landebibliothek, das Regenbogenhaus und das AGARD-Naturschutzhaus im Westfalenpark; das mondo mio! Kinder- und das Deutsche Fußballmuseum, die Jugendkunstschule balou e.V., die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, die Wasser-Rallye der Neven-Subotic-Stiftung, DASA Arbeitswelt, die Kindertanzoase – und viele andere.

Eine bunte Mischung teilnehmender Bildungseinrichtungen, die ersichtlich einiges in Sachen Bildung zu bieten haben: von illusionistisch-kreativen Angeboten der Kulturbereiche bis hin zu naturwissenschaftlichen, gesellschaftspolitischen oder historischen Fragestellungen, wie Schneckenburger erfreut feststellt.

Kooperation des Dienstleistungszentrums Bildung mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe

Kinder und Jugendliche für Unterrichtsthemen zu motivieren, gar zu begeistern, ist nicht immer leicht. Da kann zuweilen schon ein Ortswechsel helfen.

Aber wo befinden sich jene Orte, deren Angebote zu den geplanten Unterrichtsinhalten passen, oder für Kita-Kinder geeignet sind? Kaum jemand hat den Überblick zu allen pädagogischen Lernorten in der Region.

Eine Idee zur Abhilfe entwickelte vor einiger Zeit der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Mit der dort erstellten Pädagogischen Landkarte steht ein Instrument zur Verfügung, das einen Überblick über die Vielfalt der Angebote verschaffen soll. Daher, erklärt Schneckenburger, kooperiere die Stadt jetzt mit dem LWL über das Dienstleistungszentrum Bildung.

Ziel sei es, macht Schneckenburger deutlich, das pädagogische Angebot sowohl in Kindertageseinrichtungen, also im frühkindlichen Bildungsbereich, wie in Schulen zu erweitern, indem außerschulische Lernorte und Bildungseinrichtungen zugänglicher gemacht werden.

Schulen „durch die Hintertür“ stellen Heranwachsenden neue Erfahrungsräume zur Verfügung

Holger Nolte, Schulrat im Schulverwaltungsamt der Stadt Dortmund
Schulrat Holger Nolte

Holger Nolte, Schulrat im Schulverwaltungsamt der Stadt Dortmund, der ab dem kommenden Schuljahr zuständig für PädagogInnen sein wird, die an die außerschulischen Lernorte abgeordnet werden, um dort zu unterrichten, betont – auch im Auftrag der Bezirksregierung in Arnsberg – wie wichtig die Arbeit der KollegInnen an diesen Einrichtungen sei.

Es würden daher zu diesem Zweck erhebliche LehrerInnenstellenanteile seitens der Bezirksregierung zur Verfügung gestellt.

Nolte und Schneckenburger sind sich einig: Es ginge darum, den Heranwachsenden deutlich zu machen, dass Lernen nicht nur in der Schule stattfinden müsse. Im Gegenteil: In außerschulischen Einrichtungen gäbe es neue, andere, vielfältige Erfahrungs- und Arbeitsbereiche, die in den Schulauftrag hineingeholt werden könnten, ja, müssten.

Außerschulische Lernorte fungieren so quasi als „Schule durch die Hintertür“, weil sie nicht aussehen wie Schule, ihren Zielen nach aber nichts anderes sind, nämlich Instanzen zur Vermittlung von Kompetenzen für das spätere (Berufs-)Leben.

Unterricht wird von der SchülerInnen häufig gar nicht als solcher wahrgenommen

Pädagogische Landkarte: Listenansicht
Pädagogische Landkarte: Listenansicht

Das bestätigt auch Schulrat Nolte, der von einem Besuch des Schulbiologischen Zentrums in Dortmund berichtet.

Dort könnten SchülerInnen außerhalb des Klassenraumes ganz andere Erfahrungen machen, die in der Schule auf diese Weise nicht möglich wären; etwa, wenn es um die Verfolgung des Weges eines Apfels zum Apfelsaft ginge.

Und die gute Nachricht in diesem Zusammenhang laute: Die Lernangebote würden gar nicht als Unterricht wahrgenommen, sondern eher als Ausflug betrachtet, obwohl das Geschehen letztendlich und tatsächlich auf NRW-Lehrplänen beruhe, aber eben einen ganz anderen Anstrich habe. Das sorgte für mehr Motivation, langanhaltende Lernprozesse, so Nolte.

Schließlich, ergänzt Schuldezernentin Schneckenburger, handele es sich nicht nur um ein eigenständiges und wichtiges Angebot an die Dortmunder Bildungslandschaft, sondern auch um eins an die Stadtgesellschaft insgesamt. Denn es seien natürlich auch die Eltern gern gesehen, wenn sie ihren Kindern den Zugang zu außerschulischen Lernorten ermöglichten.

Die Pädagogische Landkarte: ein Online-Portal für Bildungseinrichtungen in ganz NRW

Silke Juhnke ist verantwortliche Redakteurin für das Projekt Pädagogische Landkarte.

Bleibt kurz zu klären, was es genauer mit dem Online-Angebot der Pädagogischen Landkarte auf sich hat. Silke Juhnke, verantwortliche Redakteurin für das Projekt im Dienstleistungszentrum Bildung stellt ihren Aufbau kurz vor.

Mit dem Online-Portal können interessierte PädagogInnen oder ErzieherInnen außerschulische Lernorte in ganz Nordrhein-Westfalen suchen; die meisten davon gibt es übrigens, Stand heute, in Dortmund.

Passende Bildungseinrichtungen können wahlweise über ein interaktive Karte oder eine Listenansicht ermittelt werden. In beiden Fällen besteht die Möglichkeit, die Anzahl der Treffer nach bestimmten Suchkriterien einzuschränken, so dass eine gewünschte Schnittmenge entsteht, die alle relevanten Prädikate erfüllt.

Für die Karte stehen als Filter „Kreise/Städte“, „Fach“, „Rubrik“ und „Klassenstufe“ (von Kita bis Erwachsene) zur Verfügung. In der Listenansicht wird zusätzlich die Klassenstufe des dort aufgeführten Angebotes angezeigt, ebenso wie der Lernort und der Veranstaltungstitel. Zudem sind beim Anklicken genauere Informationen erhältlich. – Einfach mal ausprobieren!

Die Pädagogische Landkarte ist eines von vielen Online-Angeboten des Dienstleistungszentrums Bildung für unterschiedliche Zielgruppen; daneben gibt es beispielsweise auch den Schulatlas oder den Zukunftsfinder.

Weitere Informationen:

  • Pädagogische Landkarte, hier:
  • Pädagogische Landkarte, Listenansicht (unter „Lernort“ klicken), hier:
  • Dienstleistungszentrum Bildung im FB Schule der Stadt Dortmund, hier:
  • Kontakt zur Pädagogischen Landkarte über das Dienstleistungszentrum Bildung, hier:
  • Schulatlas der Stadt Dortmund, hier:
  • Zukunftsfinder in Dortmund, hier:

 

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