Hohe Stickstoffdioxid-Belastungen in Dortmund: Grenzwerte regelmäßig überschritten – Dieselfahrzeuge Hauptursache

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rathaus fordern am Borsigplatz die Verkehrswende. Die Messwerte an der Brackeler Straße liegen seit Jahren über den zulässigen Grenzwerten
Die Messwerte an der Brackeler Straße (Foto) und der B1 liegen seit Jahren über den zulässigen Grenzwerten.

Während die Feinstaubbelastungen in Dortmund deutlich zurückgegangen sind, sind die Stickstoffdioxid-Belastungen (NO2) weiterhin zu hoch. Dies machten Susanne Wollgast und Heinrich Bornkessel vom Umweltamt in der Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord deutlich. Dortmund steht damit nicht allein: Elf Städte in NRW, 29 in Deutschland sind betroffen. Daher hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

NO2-Grenzwerte werden in Dortmund regelmäßig überschritten

„Beim Jahresmittelwert fällt auf, dass der Feinstaubwert seit 2012 in Dortmund nicht mehr überschritten wird – in ganz NRW seit 2014 nicht mehr“, überbrachte Wollgast zumindest eine gute Nachricht. Die schlechte: Bei Stickstoffdioxid sieht das anders aus. Zusammen mit flüchtigen Kohlenwasserstoffen sind sie für die sommerliche Ozonbildung verantwortlich und vor allem für Asthmatiker ein Gesundheitsproblem.

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rathaus fordern am Borsigplatz die Verkehrswende. Die Messwerte an der Brackeler Straße liegen seit Jahren über den zulässigen Grenzwerten
Fünf Messstellen des LANUV gibt es in Dortmund. Die Stadt unterhält 21 eigene Stationen.

„An der Brackeler Straße, am Rheinland- und Westfalendamm werden seit Jahren regelmäßig überschritten. An der Steinstraße werden die Werte nur knapp eingehalten. Nur in Eving gibt es keine Überschreitung“, wusste Wollgast von den fünf Dortmunder Messstellen  des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) zu berichten.

Zusätzlich unterhält die Stadt noch ein eigenes Messnetz mit 21 Messstellen. „An vier bis fünf weiteren Punkten gibt es Überschreitungen. Allerdings liegen nicht alle Messpunkte an stark befahrenen Straßen. „Würden wir das Messnetz ausweiten, würden wir mehr Grenzwertüberschreitungen messen. Aber das würde ein Heidengeld kosten“, machte die Umweltamtsmitarbeiterin deutlich.

Dennoch gibt es auch eine etwas beruhigendere Information: Zwar liegt beispielsweise am Westfalendamm die NO2-Belastung bei 44 statt 40  Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) und damit vier Mikrogramm über dem Grenzwert. Aber bei 150 Metern Abstand liegt der Wert „nur noch“ bei 24. Die Belastungen sind räumlich sehr begrenzt – an stark befahrenen Straßen.

Verkehr ist die Hauptursache – vor allem Dieselfahrzeuge

Die Ursache daher ist den Expertenklar: Autos und Lkw – vor allem Dieselfahrzeuge. „Die Emissionen gerade bei den Dieseln sind viel zu hoch: Die Regelungen werden nicht eingehalten und die Hoffnung auf Euro 5 und 6-Norm haben sich nicht erfüllt“, macht Wollgast deutlich.

Vor allem sehe die Realität anders aus als auf Messständen – nicht nur bei VW, die mit dem Abgasskandal für Schlagzeilen sorgten. Das Problem: Bei den Neuzulassungen sind 47 Prozent Dieselfahrzeuge. Daher sei lokal fast nichts mehr zu machen, um die Werte zu senken.

So fand das von der Verwaltung als dringend angeratene Lkw-Durchfahrtsverbot auf der B1 bei Tag keine Mehrheit im Rat, erinnerte Heinrich Bornkessel. „Und selbst diese Maßnahme hätte eine Reduzierung der Belastung um 1 bis 1,5 Mikrogramm bedeutet“, macht der Vertreter des Umweltamtes deutlich.

„Es gibt nicht die eine Maßnahme, die das Problem löst. Es braucht ein Maßnahmenbündel“, so Bornkessel. „Aber ohne endlich saubere Autos haben wir keine Chancen, das hinzukriegen.“

Bundesregierung muss handeln – sonst gibt es keine Problemlösung

Noch drastischer formulierte es Susanne Wollgast; „So langsam sind wir als Stadt mit den Massnahmen am Ende.  Wir müssen an die Quelle ran. Im Grunde müssten die Automobilhersteller die Pistole auf die Brust bekommen.“

Die Einfahrt in die Umweltzone ist nur noch mit der grünen Plakette erlaubt. Foto: Alex Völkel
Durch Umweltzonen sind Feinstaubbelastungen gesunken, nicht aber die durch NO2.

Es gebe schon jetzt technische Möglichkeiten, den NO2-Ausstoß um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Allerdings sind diese relativ teuer. Die Bundesregierung hat allerdings bisher nichts unternommen, um diese durchzusetzen oder zumindest die Dieselförderung zurückzufahren.

Bund und Länder arbeiten derzeit an einem NO2-Minderungspaket. Ein vom Bundesumweltministerium beauftragtes Gutachten soll klären, welche Maßnahmen greifen. Neben der Förderung von alternativen Antriebssystemen könnten Citymaut, Dieselabgabe oder Zufahrtsbeschränkungen für Diesel könnten Maßnahmen sein.

Selbst Vorschläge, dass an bestimmten Tagen nur Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden Zahlen auf den Kennzeichen in die belasteten Gebiete fahren dürfen – dies würde zur Halbierung des Verkehrsaufkommens führen – seien nicht mehr ausgeschlossen. „Wohin die Reise geht, ist noch völlig offen“, zieht Wollgast ein vorläufiges Fazit.

Viele interessante Informationen. Aber was bringt das einem Lokalpolitiker? „Ich kam mir etwas vor wie im Umweltausschuss des Landes oder des Bundes. Aber sind in der BV Nord und werden keinen Autohersteller zwingen können, die Diesel aus dem Programm zu nehmen“, sagte Marius Dorian Vornweg (CDU) deutlich.

Sind Fahrverbote kurzfristig die einzige wirksame Option gegen Grenzwertüberschreitungen? 

Die Verkehrsbelastung - vor allem mit Schwerlastverkehr - ist eines der Hauptprobleme in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel
Die Verkehrsbelastung ist eines der Hauptprobleme in der Nordstadt.

Rico Koske (Grüne) warf daher die Frage nach der Verkehrsführung und Durchfahrtsverboten auf. „Wir brauchen einfach weniger Autos. „Wir sollen das Busnetz und die Radwege ausbauen. Das würde wirklich mal was bringen und nicht nur Symptome bekämpfen.“

Auch Brigitte Jülich (SPD) sieht kurzfristig nur Fahrverbote für Lkw und auch für Pkw als Option, wenn es keine Lösungen auf der gesetzgeberischen Ebene zum Fahrzeugbau gebe. „Das wird Geld kosten, aber das ist mir meine Gesundheit wert.“

Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder (SPD) macht sich allerdings wenig Hoffnung, dass Durchfahrtsbeschränkungen etwas brächten: „Niemand kontrolliert das. Die Stadt ist nicht zuständig und Polizei macht es nicht.“

Ohne Nordspange und Vollanschluss der Westfaliastraße keine Entlastung für die Nordstadt

Auch Heinrich Bornkessel ist wenig optimistisch: „Wir haben viele Maßnahmen umgesetzt und unser Aktionskoffer ist ziemlich leer.“ Aber ohne die Nordspange oder den Vollanschluss der Westfaliastraße an die OWIIIa werde es kaum eine Entlastung für die Nordstadt geben.

Allerdings sind das sehr langfristige Maßnahmen. „Ich will nicht sagen, dass wir nichts mehr machen können. Aber so richtig fällt uns nicht mehr ein. Dafür bräuchte es eine gesetzliche Grundlage, zum Beispiel für Diesel-Durchfahrverbote.“

Mehr Informationen zum Thema gibt es hier:

http://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/stickstoffoxide

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