Regionale Mobilitätsexpert:innen diskutierten in den Räumen der IHK

Diskussion mit Minister Krischer: „ÖPNV – Rückgrat oder Bandscheibenvorfall für Westfalen?“

Autos und Lkw müssen durch die Autobahnsperrung in Lüdenscheid massive Umwege und Staus in Kauf nehmen.
Autos und Lkw müssen durch die Autobahnsperrung in Lüdenscheid massive Umwege und Staus in Kauf nehmen. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Unter dem Titel „ÖPNV – Rückgrat oder Bandscheibenvorfall für Westfalen!?“ haben der Verkehrsverband Westfalen e.V. und der Westfalen e.V. mit dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer und 150 Gästen im Hause der IHK Dortmund diskutiert. Die Veranstaltung knüpft an die „baugleiche“ Veranstaltung vor fast einem Jahr an, wo es noch allgemein um das „PLUS für mehr Mobilität in Westfalen“ ging. „Bereits im letzten Jahr habe ich den ÖPNV als das Rückgrat der Verkehrswende bezeichnet und es war für uns schnell klar, dies auch zum Thema der Folgeveranstaltung zu machen“, beschreibt Manfred Müller, Vorsitzender des Westfalen e.V. die Beweggründe der beiden Veranstalter.

Vernetzung als wesentlicher Schlüssel zum Erfolg für die regionale Erreichbarkeit

Minister Oliver Krischer unterstützte die zentrale Rolle des ÖPNV: „Für mich hat der Ausbau der Infrastruktur beim Radverkehr und beim öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) Vorrang“, sagte der Umwelt- und Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Er beschrieb, wie das Land NRW seine Verantwortung auf den verschiedenen Ebenen wahrnehme.  Für den überregionalen Verkehr stehe das Schienennetz im Mittelpunkt „wobei der Ausbau der S-Bahn Münsterland eine zentrale Maßnahme sei“.

Minister Oliver Krischer
Der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer. Foto: Verkehrsverband Westfalen/Oliver Schaper

Für die regionale Erreichbarkeit liege in der Vernetzung ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg: Die digitale Vernetzung mit den Nutzerinnen und Nutzer, die tarifliche Integration verschiedener Mobilitätsangebote sowie das räumliche Bündeln von Mobilitätsangeboten. Kommunen und Kreise sind dabei mit ihrer lokalen Expertise von großer Bedeutung.

Nicht zuletzt warb Minister Krischer für eine Vernetzung der Verkehrsarten: „Um Gewerbegebiete besser zu erreichen, können Pkw und Bus auch Partner bei der Mobilität für die Pendlerinnen und Pendler werden. Mit dem Wettbewerb Ways2Work biete ich aktuell allen Kommunen und Unternehmen die Gelegenheit, gute Ideen für eine intelligente Mobilität zur Arbeit durch mein Ministerium fördern zu lassen.“

„Der Wunsch nach einem besseren ÖPNV lässt sich nicht allein mit dem Scheckbuch lösen“

„Für mich wurde in der Veranstaltung deutlich, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Deshalb darf das Ziel eines besseren ÖPNV-Angebotes nicht aus den Augen geraten. Für Westfalen wünsche ich mir von unserem Verkehrsminister, dass der westfälische Bedarf sich nicht hintenanstellen muss, wenn innerhalb des Landes die notwendigen Prioritäten gesetzt werden“, formuliert Müller sein Fazit.

(v.l.): Marc Simon (Vorsitzender des Verkehrsverbandes Westfalen), Minister Oliver Krischer, Manfred Müller (Vorsitzender des Westfalen e.V.)
(v.l.): Marc Simon (Vorsitzender des Verkehrsverbandes Westfalen), Minister Oliver Krischer, Manfred Müller (Vorsitzender des Westfalen e.V.) Foto: Verkehrsverband Westfalen/Oliver Schaper

Der Vorsitzende des Verkehrsverbandes Westfalen, Marc Simon dabei rückt die Infrastruktur in Westfalen in den Vordergrund. Der aktuelle Leitfaden seines Verbandes für die Integration urbaner Seilbahnen in den ÖPNV sollte ein Impuls sein, über den Tellerrand hinauszuschauen. „Der Wunsch nach einem besseren ÖPNV lässt sich nicht allein mit dem Scheckbuch lösen. Die Verkehrsinfrastruktur schafft langfristig die notwendigen Voraussetzungen für mehr Mobilität“, bringt Marc Simon sein Fazit auf den Punkt.

Der Verkehrsverband Westfalen e.V. hat einen Schaden von mindestens 1,8 Milliarden Euro durch die Sperrung der A 45 in Lüdenscheid ermittelt. „Das zeigt, wie dramatisch sich fehlende Erreichbarkeit für die Wirtschaft und die Bevölkerung auswirkt. Gleichzeitig sieht man daran aber auch das Potenzial, wenn Gewerbegebiete bessere Anbindungen erhalten“, so Simon weiter.

Bedarf für Westfalen-Lippe: 200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich nötig

Der Projektleiter Zielnetzplanung SPNV für NRW aus dem internationalen Beratungsunternehmen SMA & Partner, Florian Zumklei ordnete die anstehenden Veränderungen im Schienennetz für die Erreichbarkeit in Westfalen ein. Er kam zu dem Ergebnis, dass der sogenannte Deutschlandtakt eine spürbare Verbesserung auch für den SPNV bedeute.

In weiten Teilen nicht vorhandene mittel- bis langfristige Finanzierungsperspektive gefährden den Regionalverkehr. Foto: Jörg Schimmel / DSW21

Konkrete Verbesserungen ließen sich an Projekten wie dem sog. Sauerlandnetz 3.0, dem Knotenausbau Hamm- Dortmund oder S-Bahnnetz Münsterland festmachen. Die Planungen zeigten aber auch die Hausaufgaben im Schienennetz auf.

In der Diskussion zeigte sich nicht überraschend die Finanzierung des ÖPNV als Schwerpunktthema. Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL, konnte berichten, dass der ÖPNV aufpassen müsse, entgegen allen politischen Beteuerungen zum Klimaschutz und eigener Pläne zur Verkehrswende aktuell nicht eher den Rückwärtsgang einlegen zu müssen.

Vor allem die zurzeit in weiten Teilen nicht vorhandene mittel- bis langfristige Finanzierungsperspektive sei eine Bedrohung für die Weiterentwicklung und sogar für den Erhalt des heutigen Systems.

In Zeiten der Einführung eines Deutschlandtickets wäre dies den Menschen kaum vermittelbar. Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags NRW, nannte als Untergrenze des Finanzbedarfs für Westfalen-Lippe einen jährlichen Zusatzbetrag von 200 bis 300 Millionen Euro, um ein Mindestmaß an Angebotsausweitungen realisieren zu können. (Dies gelte über die politisch vereinbarte Steigerung der Regionalisierungsmittel hinaus).

 Der ÖPNV leidet unter einer Bürokratielast auf allen Ebenen

Anja Fischer, Vizepräsidentin der IHK zu Dortmund und Busunternehmerin, erweiterte die Diskussion. Zum einen leide der ÖPNV unter einer Bürokratielast auf allen Ebenen und warb für mutige Schritte. Beispielsweise würde der Verzicht auf die Bargeldannahme in Bussen Kosten und Zeit sparen, stehe aber aufgrund des Widerstandes von Fahrgästen überhaupt nicht zur Diskussion.

(v.l): Stefan Peltzer (Geschäftsführer Verkehrsverband Westfalen e.V.), Anja Fischer (Vizepräsidentin der IHK zu Dortmund und Busunternehmerin), Dr. Martin Klein (Hauptgeschäftsführer des Landkreistags NRW) , Joachim Künzel (Geschäftsführer des NWL)
(v.l): Stefan Peltzer (Geschäftsführer Verkehrsverband Westfalen e.V.), Anja Fischer (Vizepräsidentin der IHK zu Dortmund und Busunternehmerin), Dr. Martin Klein (Hauptgeschäftsführer des Landkreistags NRW), Joachim Künzel (Geschäftsführer des NWL) Foto: Verkehrsverband Westfalen/Oliver Schaper

Zum anderen stellte sie die Frage, ob die verschiedenen politischen Ziele sich nicht gegenseitig behindern würden. In Dortmund plane das Umweltamt bereits Tempo 10 zum besseren Lärmschutz. Das bremse auch Busse und Stadtbahnen und senke die Attraktivität des ÖPNV. Die Verfügbarkeit und die Praxiserfahrungen von und mit von E- oder H2-Bussen bremse einen schnellen und verlässlichen ÖPNV-Ausbau.

Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen, Dr. Georg Lunemann betonte zum einen die Verantwortung der öffentlichen Hand als Arbeitgeber. Für die Vorbildfunktion sei es unverzichtbar, in die stärkere Nutzung des ÖPNV bei den eigenen Belegschaften zu investieren. Zum anderen erlebe der LWL bei seinen vielfältigen Einrichtungen von den Kliniken, den Jugendhilfe-, aber auch den Kultureinrichtungen die hohe Bedeutung einer ÖPNV-Anbindung für die gesamtgesellschaftliche Teilhabe.

Moderator Stefan Peltzer resümierte, dass eine bessere Mobilität eine kontinuierliche Gemeinschaftsaufgabe sei. So habe der Verkehrsverband Westfalen im Oktober mit Unterstützung des Westfalen e.V. einen Wasserstoffatlas für Westfalen vorgestellt. Der Westfalen e.V. greift die Ergebnisse auf und lädt am 7. Februar um 18:00 Uhr zur Veranstaltung Wasserstoffregion Westfalen nach Hamm ein. Informationen und Anmeldungen unter westfalen-ev.de/…/unternehmerinnen-in-westfalen/

Eine Aufzeichnung des Livestreams steht unter ihk.de/…/oepnvwestfalen zur Verfügung.

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Reaktionen

  1. Umweltfreundlich zum Hafen gelangen: Dortmunds Konzept überzeugt das Land – NRW-Ministerium hat Dortmund für Fördermittel ausgewählt (PM)

    Beschäftigte im Hafen können ihren Arbeitsort in Zukunft umweltfreundlich erreichen: Das NRW-Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr hat die Stadt Dortmund im Wettbewerb „ways2work“ für ein Modellvorhaben zur Mobilität ausgewählt.

    Mit dem Wettbewerb möchte das Ministerium die Anfahrt zur Arbeit mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln erleichtern. Das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt hatte sich beim Land erfolgreich mit der Idee beworben, die zeitgemäße Mobilität im und zum Dortmunder Hafen zu verbessern. Nun kann die Umsetzung beginnen.

    Der Landeswettbewerb „ways2work“ ist mehrstufig: Zunächst förderte das Land ein Grobkonzept, danach die Ausarbeitung eines Feinkonzepts. Dieses hatte sie mit Hilfe zweier externer Büros und in Zusammenarbeit mit der IHK zu Dortmund sowie der Dortmunder Hafen AG entwickelt. Um das Mobilitätsverhalten und die Mobilitätsbedürfnisse der Beschäftigten abzufragen, steuerte das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) eine Befragung der Beschäftigten im Hafen bei. Die Ergebnisse flossen in das Feinkonzept ein, das jetzt vom Land ausgewählt worden ist.

    Aus dem Hafen haben sich neun Unternehmen an dem Projekt „ways2work“ beteiligt. Sie brachten sich in Workshops ein und nahmen an der Befragung teil. Darüber hinaus entsteht zurzeit ein Netzwerk der Hafenbetriebe, aus dem Kooperationen entstehen sollen. Synergien erhofft man sich auch mit den weiteren Projekten im Hafen – mit dem Konsultationskreis Energieeffizienz und Klimaschutz und dem Projekt „Nachhaltiges Gewerbegebiet“ des Umweltamtes.

    Wesentliche Maßnahmen aus dem Konzept für den Hafen:

    ab 2027: neue Buslinie 413 im Bereich Speicherstraße als Vorlaufbetrieb für die geplante H-Bahn
    Fahrradachse vom Hauptbahnhof zum Hafen (Speicherstraße) über Uhlandstraße – Haydnstraße – Erwinstraße – Bülowstraße als Fahrradstraße
    Ausweitung des Fahrradverleihsystems im Hafen
    Fahrradboxen an den Stadtbahnhaltestellen Fredenbaum und Hafen
    Bewohnerparkzone Hafen/Speicherstraße
    Schulung von Mitarbeiter*innen in mindestens sechs Unternehmen zum „Betrieblichen Mobilitätsmanager IHK“
    Einrichtung einer befristeten Stelle „Betriebliche/r Mobilitätsmanager*in Hafen“ in der Mobilitätsplanung des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes zur verstärkten Vernetzung der Unternehmen im Hafen sowie zur Kommunikation
    Wie geht es weiter?

    Für die Realisierung der Maßnahmen müssen bis Ende März die ersten Förderanträge beim Land eingereicht werden. Wesentlich ist dabei die Förderung der Personalstelle, die die kooperativen Ansätze des Projekts stärken und die Umsetzung begleiten soll.

    Die für die Umsetzung nötigen politischen Beschlüsse wird die Verwaltung gesondert einholen. Mit der Umsetzung ist 2025 bis 2027 zu rechnen.

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