Neun Jahre nach dem NWDO-Verbot Demo vom Westentor nach Dorstfeld

Rund 400 Teilnehmende bei der Antifa-Demo gegen rechtsextreme Strukturen in Dortmund

Die Demonstration zog durch Dorstfeld, doch in die Emscherstraße durfte sie nicht. Foto: Alix von Schirp

Die rechte Szene in Dortmund ist durch Wegzüge und Inhaftierung geschwächt. Für Antifa-Gruppen ist das aber kein Grund nachzulassen: Etwa 400 Demonstrant*innen zogen am Sonntag (22. August 2021) mit einer Demonstration unter dem Motto „Bringin‘ it down – beständig und konsequent gegen rechte Strukturen“ nach Dorstfeld. Auf dem Weg griffen Rechtsextremisten die Antifa-Demonstration an.

Der „Nationale Widerstand Dortmund“ wurde vor neun Jahren verboten

Die Demonstrant*innen wollten in der Thusneldastraße eine Zwischenkundgebung abhalten – das wurde juristisch untersagt. Foto: Karsten Wickern

Anlass dafür war der Jahrestag des Verbot des „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO) am Montag – die Neonazis werden ihn am heutigen Montag mit einer Mahnwache in der City begehen. ___STEADY_PAYWALL___

Seit neun Jahren ist der NWDO verboten. Am 23. August 2012 verbot der damalige Innenminister Ralf Jäger die Vereinigung der Dortmunder Neonazis. Weiter ging es für viele Rechtsextremist*innen aber in der kurz zuvor noch alle leere Hülle gegründeten Partei „Die Rechte“. Doch auch die ist inzwischen geschwächt. Wegzüge und Inhaftierung von Parteigrößen belasten die Partei.

Die Demonstrant*innen feierten das am Sonntag als den Erfolg jahrelanger antifaschistischer Arbeit. Die dürfe jetzt jedoch nicht nachlassen. Weiterhin gehe eine Gefahr von den in Dorstfeld wohnenden Neonazis aus. Das Dorstfeld ein „Nazi-Kiez“ wäre, sei jedoch ein Mythos, der zerstört gehöre.

„Kraftvolle Demo“ in Dorstfeld gegen den Mythos „Nazi-Kiez“

Die Polizisten stürmten den Angreifern nach und konnten drei festsetzen. Foto: Karsten Wickern

Tobias Schmidt, Pressesprecher der Organisator*innen zeigte sich im Anschluss an die Demonstration zufrieden. Es sei eine „kraftvolle Demo“ gewesen. Unzufrieden sei man allerdings mit dem Verhalten der Polizei an der Thusneldastraße.

Dort war laut Auflagenbescheid eine Zwischenkundgebung geplant, doch die Polizei ließ die Demonstration nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Polizei und dort lebenden Neonazis nicht in die Straße.

Brenzlig wurde es zuvor auf dem Weg zum dorthin. Auf der Rheinischen Straße griffen Neonazis die bis dato störungsfreie verlaufende Demonstration in Höhe der Tankstelle an. Von dem ehemaligen HSP-Gelände warfen sie Böller und Steine in Richtung der Demo.

Polizist*innen stürmten auf das Gelände und fanden im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen drei Personen, deren Tatbeteiligung derzeit geprüft werde. Eine Strafanzeige wurde gefertigt – die Soko-Rechts hat die Ermittlungen aufgenommen. Es sei bezeichnend, „dass die Polizei erst vollmundig ein Sicherheitskonzept ankündigt, aber dann nicht verhindert, dass Nazis auf der Rheinischen Straße Steine werfen“, kritisiert Schmidt.

Kritik an der Polizei: Daten der Anmelderin gelangten in die Hände der Nazis

„HTLR“-Grüße. Foto: Karsten Wickern

Für Aufregung sorgte am vergangenen Freitag die Klage von zwei Rechtsextremisten gegen die Route der Demonstration. Die sollte eigentlich direkt vor der Parteizentrale von „Die Rechte“ verlaufen. Das konnten die Kläger mit ihrer Klage verhindern. Bei den Organisator*innen warf die Klage die Frage auf, wie die Kläger überhaupt von dem Verlauf der Route erfuhren.

Die dort wohnenden Rechtsextremisten seien zuvor nicht über die in der Straße geplanten Maßnahmen informiert worden, sie könnten aber die Ortsbegehung beobachtet haben, gab Polizeipressesprecher Gunnar Wortmann auf Anfrage an. Ob die Route jetzt durch Kommunikation oder durch das Verhalten der Polizei bekannt geworden ist, ändere nichts, meint Schmidt.  „Hätte man verhindern können, hat man nicht.“

Durch die Klage gegen die Route war den Nazis offenbar auch der Name und die Privatadresse der Anmelderin bekannt geworden, welche sie zum Teil im Netz veröffentlichten. Die Polizei verweist hier auf das Verwaltungsgericht.

„Die Daten über die Anmelderin hat das Verwaltungsgericht mit seinem Beschluss an den rechtsextremistischen Antragsteller des Eilverfahrens übermittelt. Sie sind nicht von der Polizei übermittelt worden“, teilte die Polizei auf Twitter mit. Für Schmidt ist die Polizei hiermit aber noch nicht aus der Verantwortung: „Auch die Polizei kann Daten von gefährdeten Personen anonymisieren“, kritisiert er.

Der frisch aus der Haft entlassene Matthias D. bekam Besuch von der Polizei

Wegen der Fotoaufnahmen betraten Polizist*innen die Wohnung und führten eine Gefährderansprache durch. Foto: Karsten Wickern
Wegen der Aufnahmen betraten Polizist*innen die Wohnung  von Nazi-Kader Matthias D.. Foto: Karsten Wickern

So oder so sind die Daten aber nun im Umlauf, was die Frage aufwirft, welche Folgen das hat. Auf Anfrage gibt Wortmann an, dass der Staatsschutz eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt habe und keine erhöhte Gefährdung vorliege.

Für Antifa-Sprecher Schmidt ist das eine „steile These in einer Stadt, wo fünf Menschen von Nazis ermordet wurden“. Der frisch aus dem Gefängnis kommende Matthias D. bekam während der Demonstration Besuch von der Polizei. Er hatte die Demonstrant*innen aus dem Fenster mit einem Zoom-Objektiv fotografiert. Polizist*innen betraten die Wohnung und führten eine Gefährderansprache durch.

An einigen Häusern in der Emscherstraße / Thusneldastraße stellte die Polizei Reichsflaggen fest. Hierzu leiteten die Beamt*innen ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Ein Banner an der Parteizentrale wurde von der Polizei nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft als strafrechtlich nicht relevant bewertet.

 

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Reaktionen

  1. Versammlungslage am 22.08.2021 in Dortmund – Polizei geht aufgrund missverständlicher Berichterstattung in den Faktencheck (PM PP DO)

    Versammlungslage am 22.08.2021 in Dortmund – Polizei geht aufgrund missverständlicher Berichterstattung in den Faktencheck

    Am 22.08.2021 (Sonntag) fand in Dortmund eine Versammlung unter dem Titel „Bringin` it down – beständig und konsequent gegen rechte Strukturen“ mit rund 350 Teilnehmern statt.

    Durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aus dem Bereich der Versammlung des linken politischen Spektrums soll in der Öffentlichkeit der belegbar falsche Eindruck entstehen, die Polizei Dortmund habe eine Demonstration durch eine von Rechtsextremisten bewohnte Straße in Dortmund-Dorstfeld verhindert. Im Gegenteil belegen die Fakten, dass alle Handlungen der Dortmunder Polizei darauf gerichtet waren, die angemeldete Versammlung zu ermöglichen und vor allen Dingen auch zu schützen. Aus diesem Grund hatte das PP Dortmund die Versammlung auch mit Auflagen bestätigt.

    Die Polizei Dortmund sieht sich daher in der Pflicht, die folgenden unrichtigen Darstellungen mit Fakten richtig zu stellen:

    1. Der Dortmunder Polizei wird aus der Versammlung heraus vorgeworfen, sie habe Teile der Demonstrationsroute an Rechtsextremisten übermittelt.

    Die Dortmunder Polizei hat in den Tagen vor der Versammlungslage zahlreiche auch für Rechtsextremisten erkennbare Maßnahmen ergriffen, die dem Einsatzkonzept zum Schutz der Versammlung dienten. Die Wegstrecke, insbesondere in der Emscher- und Thusneldastraße, bezeichnete einen einsatzkritischen Bereich (Enge der Straße, Wohnhäuser von Rechtsextremisten mit der Möglichkeit von Übergriffen etc.), für den die Dortmunder Polizei wirksame Schutzmaßnahmen zum Schutz der linken Versammlung konzipierte. Ein Teil dieses Konzepts waren sehr klare und restriktive Gefährderansprachen mit den dort wohnhaften Rechtsextremisten. Es liegt in der Natur der Sache und bedarf normalerweise keinerlei Erklärung, dass derlei Gefährderansprachen mit den dort wohnenden Rechtsextremisten und auch die Einsatzvorbereitungen in diesen engen Straßen zum Bekanntwerden von Teilen der Versammlungsstrecke führen müssen. Die Dortmunder Polizei betont an dieser Stelle, dass diese Maßnahmen unabdingbar zum Schutz der Versammlungsteilnehmer zwingend erforderlich waren.

    Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Organisatoren der Versammlung bereits seit Anfang August Werbung mit Plakaten, Spuckis, etc. in der Öffentlichkeit für den engeren Versammlungsort Emscher- und Thusneldastraße betrieben haben. Unter anderem mit der „Abrissbirne“ wolle man dem Bereich Emscher- und Thusneldastraße zuleibe rücken, so die Diktion in Veröffentlichungen in den sozialen Medien.

    2. Der Dortmunder Polizei wird aus der Versammlung heraus vorgeworfen, sie habe die Adresse der Versammlungsanmelderin an den rechtsextremistischen Kläger weitergeleitet.

    Diese Behauptung ist ebenfalls falsch. Eine Weitergabe der Personalien der Versammlungsanmelderin durch die Polizei erfolgte nicht. Tatsächlich war die Adresse der Anmelderin Bestandteil des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, welcher an alle Prozessbeteiligten, auch an den rechtsextremistischen Kläger, übersandt worden sind.

    3. Der Dortmunder Polizei wird eine Verzögerungstaktik bei der Begleitung des verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsprozesses vorgeworfen.

    Auch diese Darstellung entbehrt jeglicher Grundlage und wird zurückgewiesen. Richtig ist vielmehr: Die Polizei Dortmund erhielt am Vormittag des 20.08.2021 über das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Kenntnis von den Klagen zweier Rechtsextremisten gegen die angemeldete Wegstrecke. Um 12.36 Uhr bat die Dortmunder Polizei aus Gründen der Aktentransparenz das Verwaltungsgericht, die gegenüber der Anmelderin erlassene Versammlungsbestätigung samt Auflagenbescheid schriftlich anzufordern. Es wurde darauf hingewiesen, dass die angeforderten Unterlagen persönliche Daten enthalten, die im laufenden Verfahren zu schützen sind.

    Gleichzeitig übermittelte die Polizei noch vor 13.00 Uhr dezidiert begründete Antragserwiderungsschriftsätze an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Im gesamten Schriftverkehr der Dortmunder Polizei mit dem Verwaltungsgericht erfolgte keine Übermittlung einer Adresse der Anmelderin an das zuständige Gericht durch die Polizei. Das Gericht hat die Dortmunder Polizei auch nicht um die Herausgabe der Adresse ersucht, sondern in einem Telefonat zu erkennen gegeben, dass die Anmelderin dem Gericht bekannt sei.

    Es gehört zwar nicht zur Aufgabe der Polizei, in einem gerichtlichen Verfahren die Informationen gegenüber den Prozessbeteiligten sicherzustellen. Diese Verfahrenshoheit liegt allein beim Gericht. Trotzdem wurde die Anmelderin der Versammlung gegen 15.30 Uhr durch die Polizei über das laufende Verfahren informiert.

    Eine Verzögerung hat es seitens der Polizei nicht gegeben.

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