9. Konferenz zum Afrikanischen Einheitstag in Dortmund: „Stärkung der Entwicklung Afrikas – Die UN-Agenda 2063“

Mit am Tisch: Dr. RosaLyn Dressman, Vorsitzende von AfricanTide Union e.V (5. v. l.) und Stadtdirektor Jörg Stüdemann (3. v. l.). Die jährliche Konferenz bietet den Teilnehmerinnen ein hohes Vernetzung- und Austauschpotential.

„Stärkung der Entwicklung Afrikas – Die neue UN-Agenda 2063“ – unter diesem Motto veranstaltete der  Dortmunder Verein AfricanTide Union e.V. zum neunten Mal seine Konferenz zum Afrikanischen Einheitstag im Fußballmuseum. Auch dieses Jahr kamen Ende Mai wieder prominente Gäste und RednerInnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft sowie Kunst und Kultur – vor allem aus der afrikanischen Diaspora-Gemeinschaft aus ganz Europa. Dabei setzten die OrganisatorInnen einen speziellen Fokus auf das Potential von Investitionen der Diaspora für eine widerstandsfähige Wirtschaft in Afrika.

Boomende Volkswirtschaften in nahezu allen afrikanischen Ländern

„Im ersten Jahr haben wir eine große Party zum Afrikanischen Einheitstag veranstaltet“, erinnert sich die aus Nigeria stammende Dr. RosaLyn Dressman, Vorsitzende von AfricanTide Union e.V. Doch schnell wurde ihr klar: „Zusammen essen und trinken kann man zu vielen Anlässen.“ Der Afrikanische Einheitstag sei allerdings besser geeignet, um sich den wirklich wichtigen Fragen zu widmen.

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Zu Beginn der Konferenz gab es die Möglichkeit, sich gegenseitig bei einem „Speed-Dating“ kennenzulernen. Fotos: AfricanTide Union e. V.

Somit war das Konferenzformat mit einem hohen Vernetzungs- und Austauschpotential geboren. Der Diaspora-Gemeinschaft war dabei wohl schon immer klar, was nun auch der europäischen (Entwicklungs-)politik so langsam – auch mit Hinsicht auf die „Bekämpfung von Fluchtursachen“ – aufgeht: Ein hohes kulturelles, persönliches und wirtschaftliches Potential ist in wohl allen afrikanischen Ländern vorhanden.

Was dabei aus den oft klischeebehafteten Afrikabildern in Deutschland nicht sofort ersichtlich wird: Die Volkswirtschaften in nahezu allen afrikanischen Ländern boomen – gerade eine rasante Entwicklung in den Metropolen ist in den letzten Jahren zu verzeichnen. Somit attestiert auch der Dortmunder Stadtdirektor Jörg Stüdemann dem Kontinent ein hohes Zukunftspotential.

Ein Kontinent voller wirtschaftlicher Chancen aber auch mit Hindernissen

Doch es ergeben sich auch Widersprüche, wie Babatunde Ogboru als Mitbegründer des Afro German Academic Network weiß: „Für manche ist Afrika voller wirtschaftlicher Chancen. Für manche ist Afrika voller wirtschaftlicher Hindernisse.“

So engagieren sich auch nur ca. 1000 deutsche Unternehmen zurzeit in Afrika. Und während nicht wenige in der Diaspora lebende – auch gerade junge Menschen – zurück gehen wollen, besteht weiterhin ein „Brain drain“ in vielen afrikanischen  Ländern: Die gut ausgebildete Jugend zieht es zum Studieren und Arbeiten ins Ausland.

Viele der so in der Diaspora lebenden AfrikanerInnen schicken regelmäßig hohe Summen an Geld zurück in ihre Heimatländern – das von den Angehörigen vor Ort für die direkte Daseinsvorsorge genutzt wird.

Nötig ist: ein widerstandsfähiges Wirtschafts- und Bildungssystem

Babatunde Ogboru erklärt die Ziele und Aktivitäten des Afro German Academic Network, das er mitgegründet hat.

Der Allgemeine Konsens bei der Konferenz auch dieses Jahr: Das muss sich ändern! Es müssen Investitionen auf den Kontinent, die zum Aufbau von stabilen  lokalen Wirtschafsystemen, des Bildungssystems und der Infrastruktur beitragen – damit breite Teile der Bevölkerung vom Aufschwung profitieren.

Hierbei geht es auch darum, die Wirtschaft umzustrukturieren. Es müsse eine weiterverarbeitende Industrie aufgebaut werden – sodass Rohstoffe nicht nur exportiert würden und weiterverarbeitete Produkte wieder für höhere Kosten importiert werden, so Prof. Bodomo von der Universität Wien.

Außerdem sei ein Paradigmenwechsel auch in der europäisch-afrikanischen Zusammenarbeit nötig: Weg von einer Hilfeorientierung hin zu einer gleichberechtigten Wirtschaftsbeziehung, so Bodomo. Auch nicht unwichtig in dem Zusammenhang: Den negativ behafteten Afrikabildern in Deutschland etwas entgegen zu setzten, findet der Moderator der Veranstaltung, Abdou-Rahime Diallo.

Ein Fokus der Konferenz: Geschäftsmodelle für junge Menschen der Diaspora

Doch es sollte nicht nur theoretisch werden. Praktische Angebote gab es gerade für die Zielgruppe der jungen Diaspora: Es gab zum Beispiel einen Workshop, bei dem die jungen TeilnehmerInnen neue Geschäftsideen entwickeln konnten und erste Buisness-Pläne erstellten.

Nordstadtblogger sprach mit der 22-jährigen Tari Andrea Weber über ihre persönliche Geschichte und Zukunftspläne. Sie ist die Tochter von Dressman und somit schon seit ihrer Kindheit mit African Tide Union e. V. verbandelt.

Zurzeit studiert sie Kultur- und Literaturwissenschaften an der TU Dortmund und betreut das Online-TV-Projekt MyTide TV des Vereins. Außerdem führte sie zusammen mit Diallo als Moderatorin durch die Konferenz.

Tari Andrea Weber: Von Nigeria nach Deutschland und zurück

Tari Andrea Weber von African Tide Union moderiert die Veranstaltung. Die 22-Jährige ist in Nigeria geboren, in Deutschland aufgewachsen und plant nach Nigeria zurückzukehren.

Weber ist in Nigeria geboren. Ihre Mutter ist Nigerianerin und ihr Vater Deutscher. Mit fünf Jahren ist die Familie endgültig nach Deutschland gezogen. Weber hat hier das Schulsystem durchlaufen und ihr Abitur gemacht. Wie viele Menschen der Diaspora hat auch Weber gelernt, sich in zwei Kulturen zurecht zu finden:

„Ich habe sehr viele interkulturelle Kompetenzen sammeln können. Da ich mit meiner Mutter aufgewachsen bin, hab ich die nigerianische Seite kennengelernt. Und die deutsche Seite ist mir in der Schule beigebracht worden, im ganz normalen alltäglichen, zwischenmenschlichen Zusammenleben und in der Uni.“

Sie habe sich jedoch selbst immer als Nigerianerin identifiziert. Das änderte sich als sie im letzten Jahr für ein Auslandssemester zurück nach Nigeria ging: „Da habe sie realisiert: Ich bin beides [nigerianisch und deutsch] – und das ist auch in Ordnung. Aber damit musste ich auch erst mal lernen, umzugehen.“

Geplante Rückkehr nach Nigeria: „Man kann wirklich etwas reißen.“

Sie erklärt weiter: „In Deutschland hatte ich das Problem, in einigen Kreisen nicht weiß genug zu sein – In einigen Kreisen in Nigeria war ich nicht schwarz genug.“ Doch schlussendlich hat sie ihre Sonderrolle, die ihr in beiden Kontexten zugeschrieben wird, akzeptiert: „Das hat mir auch noch einmal mit meiner eigenen Identitätsfindung geholfen“, erinnert sich Weber.

Schlussendlich sind in ihr die Idee und der Wunsch gereift, komplett zurück zu gehen. Im Moment schmiedet sie fleißig Pläne: „Ich möchte dort etwas im kreativen Bereich machen. Ich bin sehr interessiert an Magazinen und kulturellen Anthropologien – in die Richtung werde ich auch gehen, aber ich will noch nicht ganz so viel verraten, da das Ganze noch in der Entwicklungsphase ist.“

So wie bei ihr, gäbe es bei vielen jungen Menschen der Diaspora den Wunsch, zurückzukehren und die bestehenden Potentiale auszuschöpfen: „Man kann wirklich etwas reißen“, erklärt Weber. Es ginge nicht primär darum etwas Gutes zu tun, aber trotzdem sei für viele ein Anreiz, zur Ankurblung der Wirtschaft beizutragen und „so natürlich auch das Land mitzuentwickeln“, so Weber weiter.

Sie resümiert: „Für mich ist es wichtig, dass die Diaspora nicht hier in Deutschland lebt und Massen und Massen an Geldern zurück nach Hause schickt – sondern, dass sie quasi nach Hause geht und dort etwas aufbaut.“

Wissenstransfer durch die Diaspora – Anpassung von technischen Lösungen auf individuelle Gegebenheiten

Kizito Odhiambo setzt sich mit seinem Agrarunternhemen für bessere Lebensbedigungen der LandwirtInnen in Kenia sowie gegen die Unterernährung im Land ein.

Sie erklärt weiter: „Ich kann nicht erwarten, dass ein Land oder Kontinent sich völlig von selbst entwickelt, wenn die technologischen Voraussetzung nicht gegeben sind. Ich denke, dass wir als Diaspora sehr viele Mittel und Möglichkeiten hier vor Ort in Europa haben – gerade auch in den Bildungseinrichtungen – und sehr viel Know-how sammeln und das eben dort hin transferieren können“

Wichtig dabei sei,  eben genau beide Seiten zu kennen, um zu verstehen: „Was ist wirklich notwendig und wie ist es notwendig? Wie kann ich es ermöglichen? Was brauchen die Leute überhaupt nicht. Und wie kann ich einen Dialog herstellen?“

Es gehe somit darum, nicht etwas „von oben herab aufzudrücken“ und die Lösungen und Methoden der Industrieländern als universell anzunehmen. Vielmehr müssten diese auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort angepasst werde, „sodass es auch dort funktioniert. Und das kann Diaspora ganz gut, glaub ich – zusammen mit den Leuten vor Ort“, fasst Weber zusammen.

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