Zeitenwende: Die Nordstadt bekommt eine junge und grüne Bezirksbürgermeisterin – SPD und Linke ziehen mit

Die Grüne Hannah Rosenbaum (Mi.) soll neue Bezirksbürgermeisterin der Nordstadt werden, Thomas Oppermann (SPD) wird. 1. Stellvertreter, Cornelia Wimmer (Linke) die 2. Stellvertreterin. Fotos: Alex Völkel
Die Grüne Hannah Rosenbaum (Mi.) soll neue Bezirksbürgermeisterin der Nordstadt werden, Thomas Oppermann (SPD) wird 1. Stellvertreter, Cornelia Wimmer (Linke) die 2. Stellvertreterin. Fotos: Alex Völkel

Die Nordstadt soll eine grüne Bezirksbürgermeisterin bekommen: Die 32-jährige Hannah Rosenbaum (Grüne) wird die Aufgabe künftig übernehmen und damit dem 74 Jahre alten Dr. Ludwig Jörder (SPD) nachfolgen. Ihr zur Seite stehen werden Thomas Oppermann (SPD) als 1. Stellvertreter und Cornelia Wimmer (Linke) als 2. Stellvertreterin. Die drei großen Fraktionen haben sich nicht nur auf personelle Fragen, sondern vor allem auch auf inhaltliche Leitlinien verständigt. Es gibt keine formale Koalitionsvereinbarung, sondern gemeinsame Leitlinien. Denn bei den drei Fraktionen gibt es viele Schnittmengen.

Die nun doppelt so starken Grünen stellen erstmals die Bezirksbürgermeisterin

Es ist eine Zeitenwende in der Nordstadt-BV: Erstmals haben die Grünen dort die Nase vorn. Sie konnten überraschend die Zahl ihrer Mandate von drei auf sechs verdoppeln, die SPD verlor zwei  Sitze und kommt nur noch auf fünf. Die Linke konnte ihre drei Mandate verteidigen und bildet eine gemeinsame Fraktion mit der Partei „Die Partei“, die erstmalig in der BV vertreten ist. 

Hannah Rosenbaum (Grüne)
Hannah Rosenbaum (Grüne)

„Die Partei“ hat quasi das Mandat der Piratenpartei übernommen, die zuvor eine Fraktion mit der Linken gebildet hatte. Die CDU kommt in der neuen BV nur noch auf zwei Mandate – eins weniger als bisher. Als Einzelvertreter*innen sind zudem die AfD und die neu gegründete BVT dabei. Die Neonazis sind dort nicht mehr vertreten.

Das neue Führungstrio ist aus verschiedenen Gründen ungewöhnlich. Denn sowohl Rosenbaum als auch Oppermann sind berufstätig und neu in dem Gremium. Rosenbaum ist zudem neu in der Kommunalpolitik. „Ich war aber vorher schon in der studentischen und akademischen Selbstverwaltung aktiv, unter anderem als AStA-Sprecherin und Stellv. Verwaltungsratsvorsitzende des Dortmunder Studierendenwerks. Darüber hinaus war ich in dem Bereich auch schon auf Landes- und Bundesebene aktiv“, berichtet die 32-jährige Chemikerin, die seit sieben Jahren in der Nordstadt wohnt.

Ihr zur Seite steht Thomas Oppermann. Der Vorsitzende der Nordstadt-SPD ist im Hauptberuf Geschäftsführer des Humanistischen Landesverbandes. Dritte im Bunde ist Cornelia Wimmer. Die pensionierte Lehrerin engagiert sich seit Jahren in der Bezirksvertretung und war dort bisher auch Fraktionsvorsitzende von Linken und Piraten.

Das Parteien-Trio will einen zentralen Bildungs- und Lernort für Kinder und Jugendliche

Thomas Oppermann (SPD)
Thomas Oppermann (SPD)

Im Vorfeld der konstituierenden BV-Sitzung am kommenden Mittwoch (11. November 2020) haben umfassende Gespräche stattgefunden. Gemeinsamer Schwerpunkt der kommenden Legislatur wird vorrangig der Ausbau von Schulen und Kindergärten sein. Bildung bleibt ein zentrales Thema der Arbeit in der BV, dazu gehört auch die Idee, ein „Haus der Bildung“ in der Nordstadt zu schaffen. 

„Ein zentraler Bildungs- und Lernort für Kinder und Jugendliche ist ein sehr wichtiges Anliegen für uns. Bildung ist der Schlüssel, um ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind unabhängig von seinen Startvoraussetzungen bestmöglich gefördert wird und seine Potenziale entfalten kann. Ein Bildungs- und Lernort in der Nordstadt ist ein Schritt in Richtung Chancengerechtigkeit“, so die zukünftige Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum.

Ebenso gehören nachhaltige Mobilität und Lebensqualität in der Nordstadt zusammen. Auch in diesen Bereichen wird es Initiativen geben. „Wir waren uns nicht in allen Punkten einig“, so Thomas Oppermann, Stadtbezirksvorsitzender der SPD, „aber die großen Linien stimmen. Menschen beteiligen und mitnehmen, die besonderen Anforderungen an Bildung in Schulen und Kindergärten in der Nordstadt berücksichtigen und die Lebensqualität weiter verbessern. Das ist eine gute Basis für eine Kooperation.“ 

Fraktionen wollen die Menschen besser beteiligen – aktiv gegen geringe Wahlbeteiligung

Cornelia Wimmer (Linke)
Cornelia Wimmer (Linke)

„Wir freuen uns sehr darauf, uns in den kommenden Jahren gemeinschaftlich für eine Stärkung der Dortmunder Nordstadt einzusetzen“, ergänzt Hannah Rosenbaum. Sosehr das Wahlergebnis zumindest mit Blick auf das schlechte Ergebnis der Rechten alle drei Fraktionen positiv stimmt, so bleibt als große Herausforderung die geringe Wahlbeteiligung in der Nordstadt bestehen. 

Hier sehen alle drei Fraktionen ein großes Aufgabenfeld – für Politik, Mitbestimmung und Mitgestaltung offensiv zu werben und möglichst alle Menschen einzubinden. Die Wahlbeteiligung lag in der Nordstadt bei der Kommunalwahl im September nur noch bei 24,52 Prozent. „Es kommt darauf an, die Nordstadt als einen integrierten, nordstädtisch geprägten urbanen Stadtteil zu fördern“, betont Cornelia Wimmer (Linke). 

Dazu bedürfe es einer Stadtplanung für die hier lebenden Menschen. „Vernachlässigte Zonen müssen aufgewertet werden: Die Münsterstraße wartet schon seit Jahrzehnten auf ein neues Gesicht. Vor allem sollte es gelingen, mehr Menschen für demokratische Prozesse zu gewinnen“, so Wimmer. „Die niedrige Wahlbeteiligung muss anspornen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich derzeit offenbar nicht repräsentiert sehen.“

Die Forderung nach kleineren Klassen wird erneuert: Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Brigitte Jülich
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Brigitte Jülich

In den kommenden Jahren stehen viele Veränderungen in der Nordstadt an. Mit der Speicherstraße, dem Quartier auf dem Gelände der ehemaligen Westfalenhütte, perspektivisch dem Umbau des Hauptbahnhofs, dem Ausbau der Bildungsinfrastruktur in Schulen und Kindergärten, der Umgestaltung der Verkehrsinfrastruktur und die Anpassung an den Klimawandel sind Kernpunkte benannt. „Wir haben eine lange Liste, die viel Raum lässt, sich einzubringen, sich zu beteiligen und mitzumachen. Dafür wollen wir gemeinsam werben“, so Wimmer. 

„Das erste gemeinsame Projekt ist ein Haus der Bildung – einen Bildungs- und Lernort für Kinder und Jugendliche, wo der Raum zur Verfügung steht, der zu Hause nicht gegeben ist“, so Rosenbaum. Dabei rennt sie bei der SPD-Fraktionsvorsitzenden Brigitte Jülich offene Türen ein: „In Bezug auf Bildung sind wir nicht unterschiedlicher Meinung. Da sind wir seit Jahren dran, Kindern die gleichen Chancen zu bieten und der Stadtgesellschaft begreiflich zu machen, dass unsere Klassen wesentlich zu groß sind.“ 

Sie erneuerte die Kritik daran und die Forderung nach kleineren Klassen. In der städtischen Planung ist dies nicht abzulesen: „Die Aufstockung der Schulen setzt planerisch den alten Stand voraus. Das kann es nicht sein. So werden wir nicht mal mit den anderen Stadtteilen gleich ziehen, geschweige denn bessere Chancen für die Kinder und Jugendlichen schaffen.“ Daher müsse umgesteuert werden und Ungleiches auch ungleich behandelt werden – notfalls auch zulasten anderer Stadtbezirke“, so Jülich. Schließlich erfülle die Nordstadt gesamtstädtische Aufgaben – und dafür brauche sie Unterstützung.

Verkehrswende: Bessere und sichere Mobilität – Fahrradstraßen sind ein Thema

Bezirksvertreter Max Kumpfer (Grüne)
Bezirksvertreter Max Kumpfer (Grüne)

Natürlich soll auch das Thema Verkehrswende angeschoben werden: „Wir müssen eine Mobilität schaffen, die für Kinder und Schüler*innen zu nutzen ist – der Status quo ist unbefriedigend“, betont der grüne Bezirksvertreter Max Kumpfer. Auch das Parkraumproblem – nicht fehlende Parkplätze, sondern zugeparkte Gehwege – möchte die deutlich fahrradfreundlichere neue BV angehen. 

Dazu gehört natürlich auch, zukünftig Fahrradstraßen schaffen. „Sie müssen so gestaltet werden, dass sie auch sicher von Kindern genutzt werden können. Nur ein Schild aufzustellen, wird nicht reichen. Da müssen wir auch baulich ran“, macht Max Kumpfer deutlich. Alle drei Fraktionen sind sich sehr wohl bewusst, dass beispielsweise die Hauptverkehrsstraßen nicht in der Zuständigkeit der Bezirksvertretung liegen. 

Doch man wolle den Finger in die Wunde legen: Warum wurde beispielsweise der Ratsbeschluss – ein mindestens zwei Meter breiter Radweg – noch nicht umgesetzt? Vor allem die Heiligegartenstraße hat Kupfer dabei im Blick. Auch in den Anliegerstraßen wollen die BV-Mitglieder eine Gestaltung entsprechend den Richtlinien einfordern. 

Alte Beschlüsse sollen auf den Prüfstand: Sind die Planungen noch zeitgemäß?

Apropos nicht umgesetzte Beschlüsse: Dieses massive Problem in allen Bezirksvertretungen könnte auch eine Chance darstellen. Nämlich dann, wenn man teils vor zehn und mehr Jahren gefasste Beschlüsse einfach noch mal auf den Prüfstand stellt und auslotet, ob diese noch zeitgemäß sind.

„Es gibt viele Beschlüsse, wo seit sieben oder acht Jahren nichts passiert ist. Hier wurde – wenn überhaupt – bisher nur geplant. Es spricht nichts dagegen, dass man sich derer noch mal annimmt“, betont Wimmer. „Viele beschlossene Kreuzungs-Ausbauten sind heute nicht mehr aktuell. Da stellt sich die Frage: Müssen wir sie noch umsetzen, nur weil schon Geld in die Planung geflossen ist, auch wenn wir es heute anders haben? Wir müssen sehen, was das kleinere Übel ist“, ergänzt Brigitte Jülich.

Allerdings – und das ist die zentrale Botschaft – müsse sich die Stadtverwaltung noch weiter bewegen. „Alle Bezirksvertretungen haben Beschlüsse offen. Das ist ein Problem, an dem die Stadt zu arbeiten hat“, macht Thomas Oppermann klar. Denn eine zeitnahe Umsetzung sei wichtig, um den Bürger*innen zu zeigen, dass hier Politik agiert und auf Herausforderungen reagiert.

„Man muss Ergebnisse auch sehen können. Das ist ein wichtiger Faktor für die Rückgewinnung von Bürger*innenvertrauen. Beschlüsse müssen in angemessener Zeit umgesetzt werden“, fordert Wimmer.

Gewählte Mitglieder der BV-Nord
Partei Kandidat
SPD Oppermann, Thomas
SPD Jülich, Brigitte
SPD Kuska, Gertrud
SPD Ferdinand, Ansgar
SPD Lichtenberg, Thomas
GRÜNE Rosenbaum, Hannah
GRÜNE Unterauer, Marko
GRÜNE Glade, Nadine
GRÜNE Dr. Kloth, Andreas
GRÜNE Hoppe, Jutta
GRÜNE Kumpfer, Max
DIE LINKE Wimmer, Cornelia
DIE LINKE Gründel, Michael
DIE LINKE Lemke, Sonja Janet
CDU Vornweg, Dorian Marius
CDU Schlüter, Frank
AfD Hempfling, Bernd
BVT Sahin, Fatime
Die PARTEI Rüding, Julia

 

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