Der „Friedensforscher“ wird oft als Verschwörungstheoretiker kritisiert

Westfalenhallen kündigen nach viel Druck den Vertrag: Der Ganser-Auftritt ist abgesagt

Dr. Daniele Ganser auf einem Vortrag über den Krieg in der Ukraine.
Dr. Daniele Ganser auf einem Vortrag über den Krieg in der Ukraine – der Auftritt in Dortmund ist vorerst abgesagt. Foto: Screenshot

Die Stimmung in der Kommunalpolitik war  – mit Ausnahme der AfD – sehr eindeutig: Die Veranstaltung Dr. Daniele Ganser muss abgesagt werden. Auch der Oberbürgermeister machte keinen Hehl daraus, dass dies eher heute als morgen passieren solle. Jetzt hat die Westfalenhalle-GmbH bestätigt, dass sie den Vertrag kündigen wird.

Westfalenhallen kündigen den Vertrag mit NEMA Entertainment GmbH

Es waren zähe und lange Diskussionen hinter den Kulissen vorausgegangen. Westfalenhalle-Chefin Sabine Loos musste sich offenbar viel Kritik anhören, zumal sie zuletzt sogar auf einer Durchführung bestehen wollte – sie sah in dem Auftritt zunächst kein Problem, zumal Ganser bereits früher einmal in den Westfalenhallen zu Gast gewesen war. Nun also die Kehrtwende. ___STEADY_PAYWALL___

Die Veranstaltung ist von der Homepage verschwunden - über die Absage wird nicht informiert.
Die Veranstaltung ist von der Homepage verschwunden – über die Absage wird nicht informiert. Foto: Screenshot

„In den vergangenen Wochen hat es intensive Diskussionen in der Dortmunder Öffentlichkeit um die geplante Veranstaltung des Dr. Daniele Ganser am 27. März gegeben. Diese nimmt die Westfalenhalle Dortmund sehr ernst“, teilt Unternehmenssprecher Robin Uhlenbruch auf Nachfrage von Nordstadtblogger mit. 

„Nach verschiedenen Gesprächen, auch mit unserer Gesellschafterin, der Stadt Dortmund, haben wir beschlossen, den Vertrag mit der NEMA Entertainment GmbH zu kündigen“, so Uhlenbruch weiter.

Mehr ins Detail geht man nicht – offenbar auch, um der Agentur möglichst wenig Futter für mögliche Regressforderungen zu liefern. Von der Westfalenhalle-Homepage ist die Veranstaltung ohne Hinweis auf die Absage verschwunden – es finden sich nur die alten Veranstaltungshinweise.

„Dieser Herr sollte keine Räume  bekommen – das ist der Demokratie nicht zuträglich“

Allerdings war in Sachen Regress wahrscheinlich die erste Stellungnahme der Hallen eher kontraproduktiv, weil man vor zwei Wochen noch keine Probleme und keinen Grund für eine Absage sah.

Werbung für die Veranstaltung auf Westfalenhallen.de
Werbung für die Veranstaltung auf Westfalenhallen.de – bevor die Absage kam. Foto: Screenshot

„Die Westfalenhalle GmbH, die mit ihren Räumlichkeiten als Veranstaltungsort fungiert, hat die Terminanfrage der üblichen gründlichen Überprüfung unterzogen. (…) Dennoch werden wir die Veranstaltung intensiv beobachten wie auch zuletzt vor zwei Jahren. Sollten hierbei Auffälligkeiten registriert werden, behält sich die Westfalenhalle GmbH vor, künftig entsprechend darauf zu reagieren“, bekam Nordstadtblogger noch im Januar als Antwort.

Nun die Kehrtwende, die von den meisten Fraktionen im Dortmunder Stadtrat begrüßt wird. OB Thomas Westphal hatte bereits vor einer Woche deutlich gemacht, dass er die Veranstaltung eher früher als später abgesagt sehen möchte: „Wenn die Geschäftsführung diese Veranstaltung nicht durchführt, kann ich das gut verstehen und würde dem zustimmen“, sagte er auf Nachfrage von mehreren Medienschaffenden.

Er machte auch deutlich, dass die Sensibilisierung für solche Themen und Veranstaltungen früher anfangen müsse: „Dieser Herr sollte keine Räume  bekommen – das ist der Demokratie nicht zuträglich“, sagte Westphal. Negative wirtschaftliche Folgen für das künftige Vermietungsgeschäft erwartet der OB nicht: „Es könnte auch ein Vorteil sein, weil andere Formate dann erst recht hingehen. Auch der Markt ist nicht klein.“

Westphal: „Man kann Business nicht von Politik abtrennen“

Das sagte er offenbar auch mit Blick auf mögliche Veranstaltungen, die auf Themen wie Fair Trade, Ethik, Umweltschutz und Nachhaltigkeit setzen und vielleicht mit Auftritten von Verschwörungserzählern und der Werbung für Großwildjagden (wie jüngst bei der ebenso umstrittenen wie erfolgreichen Messe „Jagd und Hund“) ein Problem haben könnten.

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) hatte das geflügelte Nashorn zur Haushaltsrede mitgebracht.
OB Thomas Westphal (SPD) forderte die Absage der Veranstaltung in der städtischen Westfalenhalle. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Bewertung von Veranstaltungsthemen „gehört mittlerweile zum Business. Man kann Business nicht von Politik abtrennen. Das ist nicht mehr zeitgemäß“, gab er die künftige Marschrichtung für die Westfalenhallen vor – die Stadt ist alleinige Gesellschafterin der Westfalenhallen GmbH. 

Dabei setzt der OB auch auf die Einrichtung einer Ethikkommission, die zu allen übergreifenden Fragen Stellung nehmen soll.

Die brisanten Vermietungen haben ein Nachspiel im Rat

Beleuchten wird diese und andere Vermietungen schließlich auch der Rat: Der Ganser-Auftritt steht auf Vorschlag der AfD („Meinungsfreiheit statt Meinungstotalitarismus“) auf der Tagesordnung für die Sitzung am 9. Februar. Nach der Absage wird die Diskussion noch an Fahrt gewinnen – schließlich wollte die AfD nach eigenem Bekunden in Fraktionsstärke daran teilnehmen.

Nur einen TOP später wird eine andere problematische Vermietung thematisiert. Dann geht es um die Veranstaltung der „Grauen Wölfe“, bzw. der „Furkan Gemeinschaft“ in den privaten Fredenbaumhallen kurz nach Weihnachten. Dies hat die CDU auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Überschrift hier: „Extremistischen Kräften keinen Raum geben!“

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Reaktionen

  1. Veranstaltungen in den Westfalenhallen und dem Messe- und Kongresszentrum Dortmund (PM)

    Zur inzwischen abgesagten Veranstaltung von Dr. Daniele Ganser in den Westfalenhallen gibt es für die Ratssitzung einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen von B90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, Linke+ und Die Partei. Der Antrag steht in der morgigen Sitzung des Rates zur Abstimmung.

    Veranstaltungen in den Westfalenhallen und dem Messe- und Kongresszentrum Dortmund

    Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

    eine beabsichtigte Veranstaltung von Dr. Daniele Ganser in den Dortmunder Westfalen- hallen hat zu einer intensiven öffentlichen Diskussion und zur Forderung der Absage der Veranstaltung durch die Westfalenhallen Unternehmensgruppe GmbH bzw. durch deren Gesellschafterin Stadt Dortmund geführt.

    Der Rat der Stadt Dortmund hat in seiner Sitzung am 15.11.2018 in einer Resolution fest- gehalten, dass „in Dortmund kein Platz für menschenverachtendes Gedankengut und Fremdenfeindlichkeit und damit auch nicht für Antisemitismus ist.“

    Darüber hinaus hat sich der Rat der Stadt Dortmund am 21.2.2019 der Grundsatzerklä- rung des Netzwerkes zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund angeschlossen. Darin heißt es unter anderem :

    „ …dass Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren….keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden. Dement- sprechend ist die Zusammenarbeit mit Gruppen oder Einzelpersonen, die den oben ge- nannten Definitionskriterien widersprechen, abzulehnen.“

    Dr. Ganser gilt unter dem Deckmantel eines sogenannten „Friedensforschers“ seit Jahren als Verschwörungsideologe/Verschwörungstheoretiker. Unter anderem vergleicht Ganser in dem Film „ Pandamned“ aus dem Jahr 2022 die von ihm wahrgenommene Trennung von „geimpften“ und „ungeimpften“ Personen mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus.

    „Derartige Aussagen sind eindeutig als antisemitisch und geschichtsrevisionistisch einzu- stufen, da sie die Shoah relativieren und den mörderischen Antisemitismus des National- sozialismus als eine vermeintliche „Spaltung“ in der Bevölkerung verharmlosen“ bewertet das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund diese Vorgänge. Ebenso führte Dr. Ganser unter Moderation von Jürgen Elsässer, Herausgeber der Zeitschrift „Compact“, die der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, ein Gespräch mit dem Neonazi Karl- Heinz Hoffmann, dem Anführer der ehemaligen rechtsterroristischen „Wehr- sportgruppe Hoffmann“, die in den 1980er Jahren verboten wurde.

    „Dr. Ganser unterstützt und verbreitet unter anderem Theorien, die eine Nähe zu antisemi- tischen Verschwörungserzählungen aufweisen und bei Personen, die hier für empfänglich sind, auf fruchtbaren Boden fallen“, so das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund weiter.

    Vor diesem Hintergrund bitten die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, LINKE+ und DIE PARTEI um Beratung und Abstimmung des folgenden Antrags:

    1. Der Rat der Stadt begrüßt die inzwischen ergangene Absage der Veranstaltung durch die Westfalenhallen Unternehmensgruppe ausdrücklich.

    2. Der Rat der Stadt bittet die Verwaltung, sowohl die eigenen MitarbeiterInnen als auch die der städtischen Tochterunternehmen stärker für die Anwendung und Um- setzung der oben erwähnten Beschlüsse des Rates zur Bekämpfung von Antisemi- tismus in Dortmund zu sensibilisieren und zu schulen. Hierzu sind ggf. in Zusam- menarbeit mit dem Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund und der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie z.B. Workshops zur Bildung vertiefender Kenntnisse für Beschäftigte in der Verwaltung und den städti- schen Tochterunternehmen durchzuführen.

    3. Der Rat fordert die Verwaltung auf, sicherzustellen, dass in Zweifelsfällen vor der Vermietung von städtischen Räumlichkeiten oder von Räumen/Flächen städtischer Tochterunternehmen an ggf. extremistische MieterInnen die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie um eine Einschätzung gebeten wird.

    4. Im Rahmen der vom Rat der Stadt beschlossenen Fortschreibung des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus wird die von der Koordinierungsstel- le erarbeitete Broschüre für VermieterInnen in Dortmund auch auf die Anwendung bei städtischen Räumlichkeiten und Räumen städtischer Tochterunternehmen in- haltlich ausgeweitet und überarbeitet. Neben Hinweisen für das Erkennen extremis- tischer MieterInnen sollen auch die Bereiche Antisemitismus/AntisemitInnen und Verschwörungstheorien/ VerschwörungstheoretikerInnen aufgenommen werden.

    5. Der Rat bittet die in Gründung befindliche Ethikkommission der Stadt Dortmund, sich zeitnah nach ihrer Gründung mit der Frage von Meinungs- und Kunstfreiheit einerseits und den dem gegenüberstehenden Ansprüchen an die Vermietung von Räumlichkeiten/Flächen der Stadt Dortmund und ihrer Tochterunternehmen zu be- schäftigen und dem Rat entsprechende Handlungsempfehlungen zur Verhinderung von Vermietungen an ExtremistInnen und VerschwörungstheoretikerInnen vorzu- schlagen.

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