Verhandlung gegen Klaus Schäfer wegen Holocaust-Leugnung geht in Verlängerung – Grund: Fehlender Facebook-Zugang

Verhandlung vor dem Amtsgericht Dortmund: Dem ehemaligen Feuerwehr-Chef Klaus Schäfer werden Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung vorgeworfen.
Im Amtsgericht Dortmund werden Klaus Schäfer Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung vorgeworfen.

Doch noch kein Urteil im Fall Klaus Schäfer vor dem Amtsgericht in Dortmund: Der frühere Dortmunder Feuerwehrchef ist aktuell wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung angeklagt. Am ersten Verhandlungstag hatte das Gericht die Beweisaufnahme eigentlich geschlossen. Doch statt der angekündigten Plädoyers und des Urteils hatte der Vorsitzende Richter noch diverse Nachfragen vor allem zur Motivation des Angeklagten.

Anonyme Postings auf Neonazi-Seite „Altermedia“ waren bereits vom Tisch

Dem 62-Jährigen wurden ursprünglich elf Taten vorgehalten, die er unter seinem Klarnamen auf Facebook und unter dem Pseudonym „Werwolf“ auf der 2016 von den Strafverfolgungsbehörden geschlossenen Neonazi-Seite „Altermedia“ gepostet haben soll. Im Zuge der bundesweiten Ermittlungen gegen eines der größten rechtsextremen Portale in Deutschland geriet der Dortmunder auch ins Visier des Bundeskriminalamtes. 

Allerdings hatte das Gericht bereits nach dem ersten Verhandlungstag die vorliegenden Indizien für zu dünn erachtet: „Ein paar schwache und manipulierbare Indizien, die aber zu einer Verurteilung nicht ausreichen. Man kann vielleicht tiefer einsteigen, aber das entscheidende Beweismittel ist nicht zu haben“, machte der Richter mit Blick auf die fehlenden IP-Adressen deutlich. Er stellte das Verfahren zu den anonymen „Altermedia“-Postings daher vorläufig ein.

Anders bei den Facebook-Postings von Schäfer: Bei den sechs weiteren Vorwürfen zu Äußerungen in dem sozialen Netzwerk aus den Jahren 2016 und 2017, die Schäfer unter seinem Klarnamen veröffentlicht hatte, geht das Verfahren weiter. Schäfer bestreitet nicht, diese verfasst zu haben, sieht sie aber von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Der Ex-Feuerwehrchef kann sich als Gutachter vor Gericht ins Szene setzen

Verhandlung vor dem Amtsgericht Dortmund: Dem ehemaligen Feuerwehr-Chef Klaus Schäfer wird Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung vorgeworfen.
Der ehemalige Dortmunder Feuerwehr-Chef Klaus Schäfer steht aktuell vor Gericht. Fotos: Alex Völkel

Beim zweiten Verhandlungstag nutzte Schäfer die Gelegenheit, sich als belesener und sachkundiger Bürger zu präsentieren und nahm dabei manche Vorlage des Gerichts auf.

So hatte er sich in einer Veröffentlichung über angebliche Abläufe in den Gaskammern des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz geäußert, die ein Augenzeuge geschildert habe. Dieser hatte in einem Zeitungsbericht von 2.000 Menschen gesprochen, die dort zeitgleich vergast worden sein sollen.

Schäfer rechnete vor, dass die Zahl der Menschen in den Gaskammern so nicht gestimmt haben könne – hier 2.000 Menschen auf 210 Quadratmetern. In Gutachter-Manier hatte Schäfer doziert, dass dies u.a. aus physikalischen Gegebenheiten, aber auch aus gruppendynamischen Umständen so nicht stattgefunden haben könne. „Das liegt weit über der tolerablen Personendichte“, machte Schäfer im Gerichtssaal deutlich. 

Das Gericht wollte allerdings nicht auf die Zahlen, sondern die Motivation Schäfers hinaus. „Warum beschäftigen Sie sich damit? Da ist wohl der Feuerwehrmann in ihnen durchgegangen“, hakte das Gericht nach und öffnete ihm (wohl eher ungewollt) eine Antwortstrategie zur Motivation. 

Denn das Gericht wollte zugleich wissen, ob Schäfer im Sommer beim Loveparade-Prozess in Duisburg als Zeuge bzw. Sachverständiger aussagen werde. Schäfer nutzte dies zu einem süffisanten Exkurs: Während ihm hier diese Analyse des Platzbedarfs in einer Gaskammer als strafbar zur Last gelegt werde, sei seine Meinung bzw. sein Fachwissen zur Gefahrenanalyse und zum Raumbedarf von Menschen mit Blick auf das Loveparade-Unglück von einem anderen Gericht gefragt.

Gericht möchte das öffentliche Facebook-Profil sehen, weiß aber nicht wie

Screenshot zu einem der Postings von Klaus Schäfer zur Causa der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck.

Die Verteidigung ging zudem darauf ein, dass die angeklagten Postings bzw. die betreffenden Zitate von der Staatsanwaltschaft aus dem Zusammenhang gerissen seien. „Da sind nur Zitate herauskopiert, wo die Staatsanwaltschaft glaubt, dass sie das verwenden kann, aber nicht den Kontext davor und danach“, kritisierte André Picker. 

Daher will sich nun das Schöffengericht den öffentlichen Teil des Facebook-Profils von Schäfer anschauen. Da man sich dazu aber technisch nicht in der Lage sah, wurde die Verhandlung vertagt. Dann soll einer der Polizeiermittler „einen Facebook-Zugang zur Verfügung“ stellen, um sich das Profil dann gemeinsam ansehen zu können. 

Anschließend wird es wohl auch die Plädoyers geben, die eigentlich schon am 2. Verhandlungstag gehalten werden sollten. Ob es dann auch zu einem Urteil kommen wird, scheint nach dem heutigen Termin offen.

Schäfer bedient sich Dichterzitate,
die auch Nazigrößen gerne nutzten

Auf die Füße fallen könnte Schäfer vor allem sein Posting zur Verhaftung der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Hier hatte er unter anderem Benjamin Franklin zitiert: „Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht“, soll Franklin, einer der Gründerväter der USA, im 18. Jahrhundert gesagt haben. 

„Was hat das in dem Zusammenhang zu suchen? Was soll hier die Lüge sein?“, hakte der Vorsitzende Richter  nach  für ihn konnte offenbar nur der Holocaust mit der Lüge gemeint sein. Die Erwiderungen Schäfers dazu konnten zumindest die meisten der Zuhörer nicht überzeugen. 

Auch ein Zitat des Dichters, Freiheitskämpfers und später zur patriotischen Identifikationsfigur verklärten Theodor Körner (1791-1813), der in einer Schlacht gegen Napoléon fiel, motivierte das Gericht zu Nachfragen, weil hier explizit das Thema „Freiheit oder Tod“ angesprochen wird.  Eines dieser Motive von Körner, derer sich auch Nazi-Größen im Dritten Reich bedient haben. „Was hatte das für einen Sinn? Wenn man böse denkt, kann man das auch als Aufruf verstehen“, wollte der Richter wissen.

Verteidigung und Angeklagter wollen nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen

Screenshot von Schäfers Facebook-Profil.
Screenshot von Schäfers Facebook-Profil.

„Na, das ist ja mein Vorwurf an die Staatsanwaltschaft, dass sie da etwas reininterpretiert. Meine Beiträge sind teils extrem pointiert und satirisch  Sie [der Richter] sagen, sie sind grenzwertig“, konterte Schäfer.

Er wollte diese Postings als Warnung vor der „Meinungspolizei“ verstanden wissen. Man könne ja schließlich nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen es komme häufig zu Fehlinterpretationen. 

Darüber muss sich nun das Gericht nicht nur sprichwörtlich ein Urteil bilden. Wenn man sich das Facebook-Profil während des dritten Verhandlungstages ansieht, stößt man vielleicht auch auf ein weiteres Körner-Zitat. Der Dichter scheint Schäfer besonders beeindruckt zu haben: „Noch ist nicht aller Tage Abend. Das Volk steht auf der Sturm bricht los“ war zumindest 2016 im Steckbrief auf Schäfers Facebook-Profil zu lesen.  

Das geänderte Motto direkt nach der Verhandlung.
Das geänderte Motto direkt nach der Verhandlung.

Mit diesem Zitat Verteidiger André Picker konnte es wie aus der Pistole geschossen rezitieren hatte auch Joseph Goebbels seine berühmt-berüchtigte Sportpalast-Rede am 18. Februar 1943 gipfeln lassen.

Direkt nach der Verhandlung hat Klaus Schäfer übrigens ein neues Motto bei Facebook gepostet. Er wird wahrscheinlich die Zeit bis zum 20. Juni nutzen, seine bisherigen Postings nochmals auf  Bedenklichkeit durchzugehen.

Die hier angeklagten Veröffentlichungen hatte Schäfer übrigens nach eigener Aussage von Freunden bei Facebook anzeigen lassen. Das soziale Netzwerk habe aber keinen Verstoß gegen die Gemeinschaftsrichtlinien erkennen können – trotz der strengen Regeln, betonte der ehemalige Feuerwehrchef vor Gericht.

Termin: 

  • Die Fortsetzung findet am 20. Juni um 9.30 Uhr – voraussichtlich im Saal 1101 – des Amtsgerichtes in Dortmund statt.

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