Talentscouts möchten mehr Kindern aus Nichtakademiker-Familien, Uni oder Fachhochschule schmackhaft machen

„TalentScouting“: Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Die Talentscouts in der ersten Etage des Dortmunder U.
„TalentScouting“ – ein Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit.

Von Joachim vom Brocke

Talentscouts von tu (Technischer Universität) und FH (Fachhochschule) sind künftig an den Schulen unterwegs und möchten vor Ort talentierte Schülerinnen und Schüler entdecken, die kein Studium planen. Acht vornehmlich weibliche Scouts werden sich auf Talentsuche begeben.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen Talentscouts und Lehrern und Eltern ist geplant

„TalentScouting“: Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. V. l.: Dr. Helmut Hachul, Dr. Thomas Wilk, OB Ullrich Sierau und Prof. Dr. Barbara Welzel
V. l.: Dr. Thomas Wilk,Prof. Dr. Helmut Hachul, OB Ullrich Sierau und Prof. Dr. Barbara Welzel.

Nicht nur in Dortmund, auch im Kreis Unna und in Waltrop. Das Talentscouting soll, so Prof. Dr. Barbara Welzel, Prorektorin Diversitätsmanagement der tu, „zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit führen“.

Mit zunächst 16 Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs in Dortmund, dem Kreis Unna und der Stadt Waltrop werden die fünf Talentscouts der tu Dortmund eine Zusammenarbeit vereinbaren.

Die drei Talentscouts der FH wollen mit 14 Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs zusammen die Aufgaben angehen. Talente finden, fördern und begleiten ist Ausrichtung des Talentscoutings.

Dabei begleiten die engagierten Mitarbeiterinnen die infrage kommenden Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum von ihrem Weg von der Schule in die Hochschule.

Die Talentscouts bieten in den Schulen feste Sprechstunden an, arbeiten eng mit den Lehrkräften zusammen und natürlich mit den Eltern, zum Beispiel bei Fragen der Studienfinanzierung oder zum Studium allgemein.

Umkomplizierte, direkte, individuelle Auskünfte sollen ermöglicht werden

Besonders wenn Eltern nicht studiert haben, kann eine Unterstützung durch Talentscouts hilfreich sein. Für Prof. Welzel werde „vor Ort eine Vertrauensbasis für Bildungsberatung geschaffen“ und gemeinsam mit Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Bildungspartnern für die Talente den Weg an die Hochschule geebnet.

„Wir möchten Informationskanäle anbieten, die sich an den kommunikativen Gewohnheiten der Schülerinnen und Schüler orientieren und eine unkomplizierte, direkte und individuelle Auskunft ermöglichen“, sagte Prof. Dr. Helmut Hachul, Prorektor für Studium, Lehre und Internationales der FH Dortmund.

Über Facebook und weitere Kanäle sollen potenzielle Studierende angesprochen, betreut und informiert werden. Zu den Inhalten gehören Berichte über die Arbeit der Talentscouts an den Schulen, Infos zur richtigen Bewerbung bei Hochschulen und Ausbildungsstellen oder Porträts von Jugendlichen, die vom Talentscouting profitiert haben.

Knapp 50 % der Dortmunder Schüler die das Abitur machen, studieren auch in der Stadt

„TalentScouting“: Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Prof. Dr. Barbara Welzel
Prof. Dr. Barbara Welzel. Fotos: Klaus Hartmann

Für Barbara Welzel ist der Studienstandort Dortmund eine Besonderheit: Knapp 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die in Dortmund ihr Abitur machen, studieren im Anschluss auch in Dortmund.

Im Kreis Unna, so die Professorin, liege der Anteil bei rund 40Prozent. Viele dieser Studierenden seien Heimschläfer, sparen damit die Kosten einer eigenen „Studentenbude“.

Diese Nähe von Wohnort zu Hochschule könne auch ein Studium für viele attraktiv machen, „die aus finanziell weniger privilegierten Verhältnissen stammen“.

OB Ullrich Sierau kündigte an, das Talentscouting aktiv zu unterstützen. Für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung habe Dortmund besonders die Talentförderung im Blick.

Das Engagement beider Hochschulen ermögliche eine zielgruppenspezifische Ansprache und Förderung der leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler. Dr. Thomas Wilk, Kreisdirektor des Kreises Unna, begrüßte die Initiative von tu und FH.

Mehr Informationen:

  • Während 77 % aller Akademikerkinder studieren, beträgt dieser Anteil bei Kindern aus Nichtakademiker-Familien nur 23 %. (Ermittelt von der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes).
  • Entwickelt wurde das Projekt von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen und gefördert vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW.
  • Sechs Hochschulen wurden neben Gelsenkirchen für das Projekt ausgewählt, darunter die Technische Universität und die Fachhochschule Dortmund.
  • Für den Ausbau des Talentscoutings stellt das Land jährlich bis zu 6,4 Millionen Euro zur Verfügung.
  • Vorgesehene Dauer: zunächst fünf Jahre
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Reaktionen

  1. FH Dortmund

    TalentScouting der FH Dortmund fördert Talente am Leibniz-Gymnasium

    Bildungserfolg hängt in Deutschland noch immer sehr stark vom sozialen Status ab: So nutzen junge Erwachsene aus Nicht-Akademiker-Familien viel zu selten alle Bildungschancen, zu denen ihr Schulabschluss sie berechtigt. Mit dem TalentScouting leistet die Fachhochschule Dortmund ihren Beitrag dazu, das zu ändern – gemeinsam mit dem Leibniz-Gymnasium Dortmund International School. Am 20. November 2017 unterzeichneten Reinhard Schwebke, stellvertretender Schulleiter des Leibniz-Gymnasiums, und FH-Prorektor für Hochschulmarketing und regionale Einbindung Gerd Erdmann-Wittmaack, die Kooperationsvereinbarung, mit der sich beide Partner dem gemeinsamen Motto „Talente finden, fördern und begleiten“ verschreiben.

    Viele Talente wurden bereits entdeckt in den vergangenen Monaten – zum Beispiel Hayrunnisa Cabuk. Die 18-Jährige hat 2017 ihr Abitur am Leibniz-Gymnasium gemacht, mittlerweile studiert sie Jura in Heidelberg. Diese Entscheidung entwickelte sich nicht auf Anhieb: „Mein TalentScout hat mir den Anstoß gegeben, meine Zukunftspläne zu hinterfragen, denn ich war kurz davor, eine Ausbildung im Gesundheitswesen anzutreten. aber jetzt weiß ich, dass meine Bestimmung schon immer die einer Juristin war!“

    Das Beispiel zeigt, dass das TalentScouting auch am Leibniz-Gymnasium sehr gut aufgehoben ist. FH-TalentScout Serah Dubidad erzählt: „In der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern hier an dieser Schule begeistert mich immer wieder das Engagement für andere, und die Motivation, mit der sie ihre individuellen Lebenswege planen – trotz vielleicht widriger Umstände. Dabei ist ihnen manchmal gar nicht klar, dass es gerade diese Eigenschaften sind, die sie zu einem Talent machen.“

    Seit dem Frühjahr 2017 begleitet sie talentierte Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg von der Schule in die Hochschule oder in eine Berufsausbildung. Neben individuellen Förderangeboten spielen regelmäßige, ergebnisoffene Coaching-Gespräche dabei eine zentrale Rolle. „Die Begleitung der Schülerinnen und Schüler in diesem Prozess ist sehr wichtig, denn eine fundierte Entscheidung ist die Grundlage für einen erfolgreichen weiterführenden Bildungsweg“, erläutert FH-Prorektor für Hochschulmarketing und regionale Einbindung Gerd Erdmann-Wittmaack. „Unsere Talente fühlen sich sehr unterstützt, die Schülerinnen und Schüler wissen diese Begleitung sehr zu schätzen.“, ergänzt der stellvertretende Schulleiter Reinhard Schwebke. „Und dass es gleichberechtigt neben dem Thema Studium auch um Ausbildung gehen kann, ist dabei besonders wichtig, weil es den Entscheidungsprozess offen hält.“ Und Katrin Erdmann, Studien- und Berufswahl-
    Koordinatorin am Leibniz-Gymnasium, fügt hinzu: „Ich stelle fest, dass bei den Kolleginnen und Kollegen der Talentbegriff tatsächlich aufgebrochen wird und wir dabei dennoch auch besondere Zielgruppen im Blick behalten.“ Denn wer beispielsweise in weniger privilegierten Verhältnissen aufwächst, glaubt oft trotz guter Noten nicht an die eigenen Aufstiegschancen. „Mit dem TalentScouting unterstützen wir die Jugendlichen darin, ihre Stärken und Interessen besser einzuschätzen und finden einen geeigneten, gangbaren Weg, um diese Potenziale bestmöglich auszuschöpfen“, beschreibt FH-TalentScouting-Koordinatorin Cornelia von Soosten.

    Zum Projekt TalentScouting:

    In Deutschland entscheiden oftmals nicht die Fähigkeiten über den Bildungsweg, sondern die familiären Hintergründe: Während 77 Prozent aller Akademikerkinder studieren, beträgt dieser Anteil bei Kindern aus Nichtakademiker-Familien nur 23 Prozent. Wer in weniger privilegierten Verhältnissen aufwächst, vertraut seltener auf die eigenen Stärken und lässt trotz guter Noten vorhandene Aufstiegschancen ungenutzt.
    An dieser Stelle setzt das Projekt TalentScouting an, das ursprünglich von der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen entwickelt wurde und vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung in NRW auf mittlerweile 17 Hochschulen ausgeweitet wurde.

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