Neues Leben für alte Sorten in Dortmund: Die Demeter-Tomaten aus Grevel erfreuen sich großer Beliebtheit

In Grevel werden alte Tomatensorten angebaut und verkauft.
Auf dem Werkhof in Grevel werden alte Tomatensorten angebaut und verkauft. Sie sind sehr beliebt.

Von Susanne Schulte

Es gibt ein Gemüse, vor dem Rita Breker-Kremer niederkniet: Tomaten. Jetzt, während der Erntezeit, tut sie das jeden Tag und stets mit Vergnügen. Von Berner Rosen und Wilden Murmeln, von Ochsenherzen und Laternchen, von Schwarzen Zebras und Grünen Würsten kann sie viel erzählen und viele essen. Die Leiterin der Werkhof-Gärtnerei in Grevel ist eine gefragte Fachfrau: „In Demeter-Kreisen, glaube ich schon, bin ich bekannt für die Aufzucht alter Tomaten“, sagt sie.

Die erste Ernte der alten Tomatensorten schmeckte allen in der Gärtnerei

Rita Breker-Kremer ist Leiterin der Werkhof-Gärtnerei in Grevel und ist eine gefragte Fachfrau.
Rita Breker-Kremer ist Leiterin der Werkhof-Gärtnerei in Grevel und ist eine gefragte Fachfrau.

Als Sozialpädagogin kam sie vor 30 Jahren zum Werkhof, einer gemeinnützigen Einrichtung in diesem nordöstlichen Ortsteil von Dortmund. Die Arbeit in der Landwirtschaft kannte und kennt sie aus der Familie. Die hat einen Hof in der Nähe der holländischen Grenze.

Nach vier Jahren im Werkhof-Garten meldete sie sich als Externe für die Prüfung zur Gärtnerin bei der Landwirtschaftskammer Münster an, bestand prompt und leitet nun schon lange den Betrieb am Werzenkamp. Als die Landwirtschaftskammer dann vor zehn Jahren eine Gärtnerei suchte, um die Tomatensamen aus der Saatgutbank in die Erde zu bringen und damit am Leben zu erhalten, wandte diese sich an Breker-Kremer. „Mit zehn Sorten sind wir angefangen, mittlerweile bauen wir fast 100 an.“

Die erste Ernte der alten Tomatensorten schmeckte allen in der Gärtnerei. „Wir haben gemerkt: Die sind ja super, und die Kunden fanden das auch.“ So probierte man den Anbau von weiteren Sorten. Rita Breker-Kremer kennt beim ersten Blick auf die Frucht, wie diese heißt: „Die Namen haben immer mit der Form und der Farbe zu tun.“

Reisetomaten, Ochsenherz, Süße Banane und Schwarze Prinzen

So ist die Black Zebra (schwarzes Zebra) schwarz gestreift, die Grüne Zebra grün. „Die dunklen Sorten kommen meist aus dem russischen Raum“, erzählt sie und zeigt auf Schwarze Prinzen. Das Ochsenherz ist rot und hat die Form eines großen Herzen, die Süße Banane ist gelb und leicht gebogen, die Reisetomaten besteht aus vielen Knubbeln, die man einzeln ´rauslösen kann, ohne das gleich die ganze Tomate angeknabbert aussieht und austrocknet.

Die Tomate ist in der ganzen Welt bekannt. Laut Meyers Lexikon wurde sie in Mexiko und Peru kultiviert, lange bevor Kolumbus dort an Land ging. Im 16. Jahrhundert lernten auch die Europäer sie kennen, und 1557 im Kräuterbuch des flämischen Botanikers Rembert Dodoens abgebildet. Die Tomate hat auch die Namen Liebesapfel und im Österreichischen Paradeiser, die Italiener nennen sie Goldapfel – Pomodoro.

So ist es kein Wunder, dass Rita Breker-Kremer, wo immer sie auch Urlaub macht, mit Sicherheit auf einen Menschen trifft, der ihre Leidenschaft teilt. Von der letzten Reise nach Frankreich hat sie sich ein Buch über Tomaten mitgebracht. „Leider auf Französisch geschrieben.“ Die Ernte des Autors konnte sie selbst nicht mehr probieren. „Einen Tag vor dem Einladungstermin ging unser Urlaub zu Ende.“

Wissen aus historischen Büchern und im Gespräch mit Züchtern und Köchen

Ihr Wissen holt sie sich aus historischen Büchern und im Gespräch mit Züchtern und Köchen. „Mario Kallweit kauft bei uns und einem Koch in Augsburg habe ich jede Woche eine Kiste geschickt. So tauscht man sich aus und kommt wieder an andere Sorten.“

Es gibt Wildtomaten, Stabtomaten und Buschtomaten, die Ananastomaten „die wiegen fast ein Kilo“ und die Flaschentomaten. Letztere sind „sehr markhaltig und eignen sich gut zum Kochen von Suppe und Soßen“. Welche Sorte auch immer: „Die Tomate schmeckt am bestene, wenn man sie reif vom Strauch pflückt. Dann hat sie den richtigen Zuckergehalt.“

So bunt wie die Namen der Tomaten, sind auch die Früchte, die in den Kisten vor dem Hofladen stehen. „Sobald der Tomatentisch hier draußen steht, kommen Leute, die sonst nie kommen“, hat die Gärtnerin beobachtet. „Und wenn wir im Frühjahr die Tomatenpflanzen verkaufen, geht das Geschäft immer besser.“ Ansonsten wird das Gemüse über die Abo-Kiste vermarktet, die mittlerweile 1500 KundInnen hat. Nur die Pflanzen vermarktet die Gärtnerei direkt.

In der giftfreien und samenfesten Tomatenzucht steckt viel Arbeit. So kostet das Kilo knapp unter acht Euro. „Wir haben zum Glück die Gemeinnützigkeit. Würden wir das wirtschaftlich betreiben, würde sich das Geschäft nicht lohnen.“

 Samenfestes Saatgut: Im Werkhof funkt  Kein Labor dazwischen

Vier festangestellte Beschäftigte arbeiten in der Gärtnerin, dazu 23 Frauen und Männer, die über das Programm der sozialen Teilhabe dort einen Job haben wie auch acht SchülerInnen, die Probleme mit dem Leben und dem Lernen haben. Manch einer und eine entdeckt im Werkhof das eigene Talent zum Gärtnern.

Der Werkhof arbeitet nur mit samenfestem Saatgut. Das heißt: Kein Labor funkt dazwischen. „Von jeder Frucht kann ich das Saatgut nehmen und bekomme eine gleichbleibende Qualität.“ Im Unterschied zu Hybridsaatgut: „Die Firme züchten das Saatgut, greifen aber so ein, dass die praktisch Inzuchtgenerationen züchten“, sagt sie. Die erste Ernte falle gut aus, die nächsten könnten aber viel schlechter sein.

Dabei ist einfach, samenfestes Saatgut zu bekommen: „Die Kerne von Tomaten, die ganz reif sind, legt man ins Wasser, damit die Gallertschicht sich auflöst. Dann trocknet man die Kerne und sät sie wieder aus.“ Nach zehn Jahren Erfahrung in der Zucht der alten Tomatensorten kann Rita Breker-Kremer von sich sagen: „Wenn ich eine Tomate sehe, erkenne ich tatsächlich meist, ob es eine Hybride ist oder nicht.“

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