Sprach- und Integrationsmittler: Nach Arbeitslosigkeit öffnet Zweisprachigkeit den Weg zum 1. Arbeitsmarkt

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fast 20 Herkunftsländern haben ihre Ausbildung abgeschlossen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fast 20 Herkunftsländern haben ihre Ausbildung abgeschlossen. Foto: Sprint

„Endlich werden unsere Mehrsprachigkeit und die Erfahrung, in zwei Kulturen gelebt zu haben, als besondere Kompetenzen anerkannt“, sagt Veska Petrova-Schneider freudestrahlend, als sie ihr Zertifikat in den Händen hält. 18 Monate harte Arbeit stecken in der Qualifizierung zur Sprach- und Integrationsmittlerin.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 20 Herkunftsländern machen Sprint-Ausbildung

Veska Petrova-Schneider, Detlev Becker, Achim Pohlmann und Heike Spielmann.
Veska Petrova-Schneider, Detlev Becker, Achim Pohlmann und Heike Spielmann. Foto: Völkel

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fast 20 Herkunftsländern haben ihre Ausbildung abgeschlossen und können nun – wenn sie eine Stelle finden – die Arbeit als Sprach- und Integrationsmittler aufnehmen. Möglich macht dies das Projekt Sprint NRW, welches arbeitslosen Menschen mit Migrationsvorgeschichte durch die Qualifizierung eine Perspektive auf den 1. Arbeitsmarkt gibt.

Ihre Perspektive ist gut: Denn die Zahl der Zuwanderer und Flüchtlinge steigt stetig an. Viele Kommunen sind mit dieser Situation überfordert, auch weil ihre Mitarbeiter mit Menschen kommunizieren müssen, die sie nicht verstehen können und die die Bedingungen ihrer neuen Lebensumgebung nur unzureichend begreifen.

Um diese sprachlichen und kulturellen Verständigungsschwierigkeiten zu überwinden, werden Menschen mit eigener Migrationsvorgeschichte als Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler qualifiziert.

Ausgebildet wurde in Dortmund und Hagen. Gefördert wurde die Ausbildung durch das NRW-Arbeits- und Sozialministerium. Die Prüfungsteile werden von drei Hochschulen in Berlin, Hamburg und Mainz abgenommen.

Komplexe Aufgabe: Sprach- und Integrationsmittler im Trialog

Sie sind dabei viel mehr als „nur“ Dolmetscher: Sie sind Sprach- und Integrationsmittler im Trialog zwischen dem Klienten und Einrichtungen. Sie müssen sich im Gesundheits- und Sozialwesen auskennen, aber auch die Behördenwege kennen und komplexe Dolmetschtechniken beherrschen.

„Die Sprachmittler kommen in Kliniken im therapeutischen Setting, in Schule und Bildung, in der Flüchtlingsarbeit, der Erstaufnahme und der Vermittlung zum Einsatz“ verdeutlicht Achim Pohlmann, Projektkoordinatior von Sprint NRW die große Spannbreite des Einsatzfeldes.

Auf die Sprach- und Integrationsmittler kommen vielfältige Einsatzfelder zu. Fotos: Diakonie
Auf die Sprach- und Integrationsmittler kommen vielfältige Einsatzfelder zu. Fotos: Diakonie

„Auch bei komplexen Fragestellungen, wie Eingliederung, Arbeitsvermittlung, Leistungsbezugsfragen kommt ihnen eine große Relevanz zu“, macht Detlef Becker,  Koordinator der Sprint-Qualifizierung in Dortmund, deutlich. Wenn da Missverständnisse entstehen, kann es zu Konflikten kommen, rechtlichen Benachteiligungen und sogar Leistungseinstellung.“

Die Mittler müssten eine vertrauensvolle Basis aufbauen und die Netzwerke, Probleme, die richtigen Wörter und die Arbeitsweise der Behörden kennen. Gerade Regelförderungsinstitutionen wie die Arbeitsagentur und das JobCenter könnten das Personal gut einsetzen.

Prüfung durch drei Hochschulen

„Wir sind in Deutschland in einer Situation, wie wir sie seit 30 Jahren nicht gehabt haben. Wir haben relativ viele Menschen, die bewusst als ausländische Fachkräfte gewollt sind oder als Flüchtlinge oder Armutszuwanderer kommen“, verdeutlicht Becker. Das alles sind Potenziale, die man schnellstmöglich nutzen will.

So wie die neuen „Sprints“, wie die Teilnehmer des gleichnamigen Programms genannt werden. Sie haben in der Regel berufliche Qualifikationen im Herkunftsland erworben, haben Migrationshintergrund und sind in der Regel langzeitarbeitslos. Und das trotz hoher persönlicher und beruflicher Kompetenz.

So wie bei Veska Petrova-Schneider – sie hat in Deutschland im Küchenbereich gearbeitet, trotz einer Hochschulausbildung in der Heimat. Andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus Bulgarien, Rumänien, Indien, der ehemaligen Sowjetunion, Griechenland, Italien und Syrien sowie aus arabischen und afrikanischen Staaten. Sie haben ebenfalls viele negative Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gesammelt.

Neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt – Vorbildfunktion

Nun stehen sie selbst dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung – in einer neuen Rolle und mit neuen Qualifikationen. Veska Petrova-Schneider ist schon länger berufstätig – sie arbeitet bei der Beratungsstelle KOBER in der Nordstadt mit Prostituierten. Bislang auf Teilzeitbasis. Doch durch die neue Ausbildung hofft sie nun auf mehr Stunden – entweder bei Kober oder anderen Beratungsstellen.

Für ihre neue Aufgabe fühlt sie sich gut gerüstet. Erfolge kann sie bei ihren Klientinnen erkennen: „Sie ist hochmotiviert und nimmt mich selbst als Vorbild“, berichtet sie von einer Prostituierten, die nun einen Ausweg aus ihrer bisherigen Lage sucht.

„Sie will eine Ausbildung als Krankenpflegerin machen“, hat Petrova-Schneider erfahren. Vielleicht gelingt ihr ja durch ihre Hilfe der Sprung ins neues und besseres Leben.

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