Neue „Heimat Dortmund“ zum Ersten Weltkrieg: Vom patriotischen Massentaumel zum millionenfachen Sterben

Verdun - Sinnbild für das sinnlose Gemetzel im Ersten Weltkrieg. Foto: Alex Völkel
Die Gräber von Verdun – Sinnbild für das sinnlose Gemetzel im Ersten Weltkrieg. Foto: Alex Völkel

„Die Kämpfe im Ersten Weltkrieg haben weit weg von Dortmund stattgefunden, doch die Stadtgesellschaft war von den Auswirkungen indirekt betroffen“, sagt Dr. Stefan Mühlhofer vom Stadtarchiv.

Gemeinsam mit Adolf Miksch, dem Vorsitzenden des Historischen Vereins für Dortmund und die Grafschaft Mark, wurde im Stadtarchiv die neue Ausgabe der Reihe „Heimat Dortmund“ vorgestellt. Thema ist diesmal der Erste Weltkrieg, dessen Beginn sich 2014 zum 100. Male jährt.

64 bebilderte Seiten zum Thema Erster Weltkrieg und Dortmund

Stefan Mühlhofer und Adolf Miksch stellen die neue Ausgabe von Heimat Dortmund vor
Stefan Mühlhofer und Adolf Miksch stellen die neue Ausgabe von Heimat Dortmund vor. Foto: Klaus Hartmann

Auf 64 reich bebilderten Seiten haben sich die Autoren mit den Auswirkungen beschäftigt. Der Mangelversorgung (Stichwort: Steckrübenwinter) etwa oder dem makabren Schau-Schützengraben am Westfalendamm. Hier sollte den Dortmundern damals der Eindruck vermittelt werden, wie es auf den Kriegsschauplätzen aussieht. Adolf Miksch dankte den Autoren und Vereinsmitgliedern, die die Beiträge für das Heft ohne Honorar geschrieben und auch die Gestaltung übernommen haben.

Der Erste Weltkrieg begann im patriotischen Massentaumel und endete mit dem Tod von Millionen auf den Schlachtfeldern. Die militärischen Auseinandersetzungen betrafen die gesamte deutsche Bevölkerung. In Dortmund wurde – wie im Ruhrgebiet überhaupt – die Rüstungsindustrie ausgebaut. Die Autoren des Heftes stellen in ihren Beiträgen ein breites Themenspektrum vor, das neben bereits Bekanntem auch neueste Forschungsergebnisse umfasst.

Dortmund war kriegsbegeistert – Kriegsbeuteausstellung im Fredenbaum

Hannes Tutschko beleuchtet im ersten Artikel die Stimmungslage von 1916 bis 1918. In dieser Zeit erstellte der Dortmunder Magistrat sogenannte Stimmungsberichte, die dem Regierungspräsidenten in Arnsberg übermittelt wurden. Sie spiegeln nicht nur die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung wieder, sondern vermitteln auch den Stand der Lebensmittelversorgung in der Stadt.

Klaus Winter schreibt über die Kriegsausstellung von 1917 im Fredenbaum. Das Rote Kreuz organisierte im Verlauf des Krieges in ausgewählten Städten groß angelegte Kriegsbeute-Wanderausstellungen. Ziel war es, der weit vom Frontgeschehen entfernt lebenden Bevölkerung den Kampfeinsatz ihrer Verwandten und Freunde plastisch vor Augen zu führen.

Im zweiten Aufsatz berichtet Hannes Tutschko vom Luftangriff auf Dortmund im Oktober 1917 und vom Schaden, den eine der neun Bomben im Dachstuhl des Haues Rheinische Straße 128a anrichtete.

Spendenaktionen für Frontsoldaten und „Kriegsliebesdienst“

Aktuelle Ausgabe von Heimat Dortmund: Dortmund im ersten Weltkrieg
Aktuelle Ausgabe von Heimat Dortmund: Dortmund im ersten Weltkrieg

Felix Bergmann informiert über verschiedene Spendenaktionen, deren Erlöse für kleine Geschenke für die Frontsoldaten verwendet wurden. Wie in anderen Städten wurde in Dortmund ein hölzernes Kriegswahrzeichen aufgestellt, das zugunsten des „Kriegsliebesdienstes“ öffentlichkeitswirksam genagelt wurde. Das bekannteste Beispiel in Dortmund ist der Eiserne Reinoldus, der im Stadthaus ausgestellt ist.

Auch die Erlöse des „Schützengrabens am Westfalendamm“ flossen dem städtischen „Kriegsliebesdienst“ zu. Am Dreieck von Märkischer Straße, Westfalendamm und Rheinischer Eisenbahn wurde im August 1915 ein Schau-Schützengraben eingerichtet. Davon berichtet Klaus Winter in seinem zweiten Artikel.

Hoesch-Manager war politischer Spitzenfunktionär

Einen der wichtigsten Dortmunder Manager und politischen Spitzenfunktionär jener Zeit, Friedrich Springorum porträtiert Karl-Peter Ellerbrock. Die Entwicklung von Hoesch vor und während des Ersten Weltkrieges ist mit dem Wirken dieses Mannes untrennbar verbunden.

Karl Lausche stellt eine Dortmunder Unternehmerpersönlichkeit, Karl Brandi, Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks-AG, näher vor. Aus dem, was Ernst Brandi in seinen Briefen und Aufzeichnungen während des Ersten Weltkrieges festhielt, spricht ein Vertreter des deutschen Bürgertums, der die überkommenen gesellschaftlichen Strukturen anprangerte und hoffte, sie durch den Krieg überwinden zu können.

Auch im Ersten Weltkrieg gab es Zwangsarbeiter – Einsatz in Dortmund

Das vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg bekannte Phänomen der Zwangsarbeiter gab es – wenn auch in viel geringerem Masse – bereits im ersten Weltkrieg. Stefan Mühlhofer zeigt an ausgewählten Beispielen den Einsatz von Zwangsarbeitern in der Dortmunder Stadtverwaltung und im Bergbau.

Rüdiger Wulf wirft einen Blick in die Schulbücher des Ersten Weltkrieges und zeigt deren Propaganda an Hand der Behandlung des deutschen Einmarsches in Belgien. Susanne Bauer konnte bisher noch nicht publizierte Feldpostbriefe von Carl Behn an seine Verlobte Luise Wohlfahrt auswerten. Sie zeigt ein exemplarisches Schicksal, das beide mit Millionen anderer Paare im Ersten Weltkrieg teilen.

Einblick in die Kriegstagebücher Erich Grisars

Hanneliese Palm vermittelt einen Einblick in die Kriegstagebücher Erich Grisars, der nach dem Ersten Weltkrieg ein bekannter Dortmunder Autor und Fotograf werden sollte. Zum Schluss zeigt Markus Günneweg die steinernen Erben des Erstes Weltkrieges und erzählt vom Umgang mit diesen  Kriegsdenkmälern.

Mehr Informationen:
  • – Das Heft „Heimat Dortmund – Dortmund im Ersten Weltkrieg“ kostet 5 Euro und ist im Stadtarchiv sowie in den Buchhandlungen zu haben.
  • – Am Mittwoch, 30. April, präsentieren um 19 Uhr die Autoren gemeinsam ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit. Der Abend findet im Stadtarchiv, Märkische Straße 14, statt. Der Eintritt ist frei.
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Reaktionen

  1. Höhenrausch: Harald Jähner spricht über „Das kurze Leben zwischen den Kriegen“ im Stadtarchiv (PM)

    Um die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts geht es in einem Vortrag am Mittwoch, 26. April, 19 Uhr im Stadtarchiv (Märkische Straße 14). Der Journalist Harald Jähner stellt sein Buch „Höhenrausch. Das kurze Leben zwischen den Kriegen“ vor. Der Eintritt ist frei.

    Zum Buch: Deutschland 1918: Ende des Ersten Weltkriegs, Revolution, Sieg der Demokratie. Zugleich beginnt ein Siegeszug befreiter Lebensweisen. Die Inflation bringt die überlieferten Werte ins Wanken. Als es Mitte der Zwanziger auch wirtschaftlich aufwärts geht, wird Deutschland ein anderes Land. Frauen erobern die Rennpisten und Tennisplätze, gehen alleine aus, schneiden sich die Haare kurz und denken nicht ans Heiraten. Unisex kommt in Mode.

    Jähner erzählt von der Erfindung der Freizeit, von Boxhallen und Tanzpalästen, vom Büro und Großstadtverkehr, vom Warenhaus als Glücksversprechen oder der Straße als Ort erbitterter Kämpfe. So vieles wirkt heute verblüffend modern: Die Vorliebe für Ironie, das Gradlinige und Direkte. Aber auch die Angst vor der „Entwertung aller Werte“, der Herrschaft des Billigen. Ein großer Teil der Deutschen fand sich im Aufbruch nicht wieder. Als das Geld knapper wurde und die Zukunft düsterer, offenbarte sich die tiefe Spaltung der Gesellschaft und die Unfähigkeit, sie auszuhalten.

    Harald Jähner liefert eine Gesamtschau dieser so pulsierenden, reichen Zeit und zeichnet das Bild eines zerrissenen Landes voll gewaltiger und erschreckender Energien.

    Harald Jähner (Jahrgang 1953) war bis 2015 Feuilletonchef der „Berliner Zeitung“, zugleich Honorarprofessor für Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. 2019 erschien sein Bestseller „Wolfszeit. Deutschland und die Deutschen 1945 – 1955“, das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde.

    Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V.

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