Teil 1 der neuen Serie aus dem Deutschen Kochbuchmuseum

„Kulinarischer Advent“: Der Christstollen

Corinna Schirmer arbeitet im Deutschen Kochbuchmuseum.
Corinna Schirmer vom Deutschen Kochbuchmuseum geht kulturgeschichtlichen und kulinarischen Aspekten der Weihnachtszeit auf den Grund. Foto: Anja Kador für die Dortmund-Agentur

Am Sonntag beginnt der Advent – und damit auch kulinarisch eine Zeit der Bräuche und Traditionen. In einer vierteiligen Serie geht Corinna Schirmer vom Deutschen Kochbuchmuseum kulturgeschichtlichen und kulinarischen Aspekten der Weihnachtszeit auf den Grund. In der ersten Folge geht es um den Christstollen.

Frage: Seit September gibt es in den Supermärkten wieder Lebkuchen, Zimtsterne, Spekulatius – und auch den Christstollen. Was wissen wir über die Geschichte dieses Gebäcks?

Corinna Schirmer: Den Stollen gibt es mindestens seit sieben Jahrhundert: Im Jahr 1329 erteilte Bischof Heinrich I. von Grünberg den Bäckern in Naumburg das Privileg, Stollen zu backen. Das ist der erste Nachweis. Damals war es kein Hefestollen, denn die natürliche Hefe, die lange Zeit auch zum Backen verwendet wurde, war nicht immer vorhanden. Die industriell produzierte Backhefe gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Ein Stollen, wie wir ihn heute backen, besteht ja aus einem Hefeteig aus Butter, Mehl, Milch und Ei sowie Gewürzen, darunter Kardamom und Zimt, sowie Trockenfrüchten, vor allem Sultaninen. Obendrauf gehört natürlich Puderzucker, manchmal auch Zuckerguss.

Der Stollen muss also weiß sein – hat das eine besondere Bedeutung?

Ja, tatsächlich! Der Stollen steht – so lautet zumindest die Zuschreibung – symbolisch für das gewickelte Christkind, also für Jesus als tragende Figur des Christentums. Das passt zur Wortbedeutung: „Stollen“ kommt wahrscheinlich vom althochdeutschen „Stollo“ für „Pfosten“ oder „Stütze“.

Foto: Anja Kador für die Dortmund-Agentur

Wieso gibt es den Stollen nur zur Weihnachtszeit?

Heute kennen wir den Stollen als fettiges Festgebäck. Tatsächlich war der Stollen zunächst ein Fastenbrot. Nach einer heute kaum mehr praktizierten Tradition gibt es vor Weihnachten eine Fastenzeit von 40 Tagen, in der keine tierischen Produkte gegessen werden dürfen. Dazu wurde der Stollen als Fastenmahlzeit gebacken – aus Mehl, Wasser und Rapsöl. Aus der Fastentradition stammt übrigens auch die Plätzchenbäckerei: Man wollte vor der Fastenzeit Reste z.B. an Butter und Eiern aufbrauchen und haltbar machen. Das gelingt mit Plätzchen natürlich gut.

Und wie wurde der Stollen vom Fasten- zum Festgebäck?

Dafür ist der Adel verantwortlich. Am Hof im sächsischen Torgau wollte der Hofbäcker im Jahr 1429 für den Fürsten ein ganz besonderes Fastengebäck kreieren, mit damals exklusiven Zutaten wie Zucker und Gewürzen aus dem Orient – eben dem Kardamom, und des Geschmacks wegen auch mit Butter, obwohl diese in der Fastenzeit ja tabu war. Also wurde der Papst angefragt, das Gebäck trotzdem zu genehmigen, mit dem Argument, dass der Stollen aufgrund des Zuckers eigentlich als Arznei zu sehen sei. Dies wurde zunächst abgelehnt – doch der Geschmack des Stollens überzeugte wohl bis Rom: Jahrzehnte später, 1491, gab es den so genannten Butterbrief von Papst Innozenz VIII., in dem er die Zugabe von Butter erlaubt. Alles, was im Adel en vogue ist, gelangt irgendwann auch in andere Bevölkerungsschichten – so auch der Stollen. Er wurde von den Bäckern mehr und mehr übernommen, und Dresden wurde zur sogar zur „Stollenstadt“. Das Gros der Bevölkerung musste dennoch häufig noch an den teils teuren Zutaten sparen. So wurde zum Beispiel statt Butter auch Gänseschmalz verwendet.

Werden Sie in der Adventszeit selbst einen Christstollen backen?

Nein. Ich mag keine Rosinen und habe daher noch nie einen gebacken. Es gibt aber mittlerweile ja auch Varianten mit Nüssen, die esse ich ganz gerne.

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