Teil 3 der Serie aus dem Deutschen Kochbuchmuseum

Kulinarischer Advent: Der Adventstisch

Corinna Schirmer vom Deutschen Kochbuchmuseum beleuchtet kulturgeschichtliche und kulinarische Aspekte der Weihnachtszeit.
Corinna Schirmer vom Deutschen Kochbuchmuseum beleuchtet kulturgeschichtliche und kulinarische Aspekte der Weihnachtszeit. Foto: Katharina Kavermann für die Dortmund-Agentur

Der Advent ist auch kulinarisch eine Zeit der Bräuche und Traditionen. In einer vierteiligen Serie geht Corinna Schirmer vom Deutschen Kochbuchmuseum kulturgeschichtlichen und kulinarischen Aspekten der Weihnachtszeit auf den Grund. Zum dritten Advent geht es um den Adventstisch.

Was genau ist überhaupt ein Adventstisch?

Heute ist uns der Adventstisch kein Begriff mehr – dabei war er im 19. Jahrhundert ein „Must have“ in bürgerlichen Haushalten. In Henriette Davidis‘ „Praktischem Kochbuch“, das ja neben Rezepten auch Anleitungen und Verhaltenstipps für Hausfrauen enthielt, taucht der Adventstisch im Kapitel „Tische und Tafeln für besondere Gelegenheiten“ auf. Es gibt mehrere Varianten, z.B. den weihnachtlich dekorierten Tisch mit repräsentativem Charakter, den man wirklich nur anschauen konnte, oder die weihnachtliche Mittagstafel.

Und was gehörte auf diesen bürgerlichen Weihnachtstisch?

Darauf gehören erst einmal ein weißes Tischtuch, darauf meist kleine rote Kerzen sowie Tannenzweige oder anderes weihnachtliches Grün, z.B. Mistelzweige. Noch festlicher wurde der Tisch mit Gold- oder Silberfäden quasi als Vorläufer des Lamettas – meist eine Anschaffung eigens für diesen Zweck und damit ein Stück Luxus. Üppig und liebevoll dekoriert wurde der Tisch dann mit Naschzeug: Äpfel, Nüsse, Gebäck und Weihnachtskuchen, z.B. Christstollen. Im Prinzip war der ganze Tisch eine Art „bunter Teller“, der sich vielleicht aus dieser Tradition heraus entwickelte.

Was ist mit dem Adventskranz – gehörte der nicht auch dazu?

Abbildung eines Adventstischs aus Henriette Davidis‘ Praktischem Kochbuch.
Abbildung eines Adventstischs aus Henriette Davidis‘ Praktischem Kochbuch. Foto: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund

Der Adventskranz wurde 1839 erfunden, er gehört auch dazu – allerdings stand er oft nicht auf dem Tisch, sondern hing darüber, und er sah zunächst auch ein wenig anders aus als heute. Erfinder war der berühmte Hamburger Theologe Johann Hinrich Wichern, der Vater der modernen Diakonie.

Sein Adventskranz war ein hölzernes Wagenrad mit vier großen weißen und vielen kleineren roten Kerzen – erst insgesamt 24, quasi der Vorläufer unseres heutigen Adventskalenders.

Später dann durchaus auch so viele, wie es Tage vom ersten Advent bis zum Heiligen Abend waren. Wicherns Ziel war es, Kindern die Zeit bis Weihnachten zu veranschaulichen und verkürzen – mittlerweile wird diese Wartezeit ja noch zusätzlich durch Schokolade oder materielle Adventskalender versüßt.

Der „Wichernkranz“, wie er auch hieß, setzte sich nach und nach durch und entwickelte sich weiter, er wurde mit Tannengrün geschmückt und später auch in katholischen Gebieten übernommen. Noch lange Zeit, bis ins 20. Jahrhundert hinein, hielt sich die Tradition, dass zu den vier großen Kerzen, die an den Adventssonntagen angezündet werden, noch kleinere dazugestellt wurden.

Gibt es eine tiefere Bedeutung oder Symbolik hinter diesen Bräuchen?

Prinzipiell sind Bräuche und Rituale identitätsstiftend. Sie konstituieren Gemeinschaft und bieten Halt in einer immer komplexer werdenden Welt. Hinzu kommen natürlich bestimmte Symboliken: Die Kerzen können für das Licht stehen – mit jedem Adventssonntag wird es ein wenig heller, bis Jesus als „Licht der Welt“ geboren wird. Manche Forscher*innen halten die Kreisform des Adventskranzes für ein Symbol des ewigen Lebens, und die ewiggrüne Tanne trägt die Farbe der Hoffnung.

Und dibt es die Tradition des Adventstischs heute noch?

Heute wird eher die ganze Wohnung weihnachtlich dekoriert, und auf dem Tisch steht nur mehr der Adventskranz – so halte ich persönlich es auch. Die Tradition des Adventstischs stammt ja aus einer Zeit, in der es die „gute Stube“ gab, bzw. in bürgerlichen Haushalten einen für besondere Anlässe vorgehaltenen RaumMeist war es das Wohnzimmer, das z.B. nur für Gäste geöffnet oder eben am Heiligen Abend betreten oder genutzt wurde. Diesem Raum war der Schmuck vorbehalten, während sich das Leben in der Küche oder dem Esszimmer abspielte.

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