Welttag für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz am 28. April

Gewerkschaften fordern mehr politisches Engagement in Sachen Arbeitsschutzkontrollen

Am Donnerstag sollen Beschäftigte um 12 Uhr eine Gedenkminute für die Menschen einlegen, die im Job ums Leben gekommen sind. Dazu ruft die IG BAU in Dortmund anlässlich des „Workers‘ Memorial Day“ 2022 auf. Sascha Fijneman | Nordstadtblogger

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ruft Beschäftigte in Dortmund an diesem Donnerstag, 28. April 2022, anlässlich des Welttages für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, auch „Workers’ Memorial Day“ genannt, dazu auf, der Menschen zu gedenken, die bei der Arbeit ums Leben gekommen oder schwer erkrankt sind. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisiert in diesem Zusammenhang zu wenige Kontrollen zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften und fordert zu diesem Zweck mehr Personal von der Politik.

IG BAU ruft in Dortmund zur Gedenkminute für verunglückte Beschäftigte auf

Auf Baustellen sind die Arbeiter:innen vielen Risiken und möglichen Gefahrenquellen ausgesetzt. Archivfoto: IG BAU

„Ob im Betrieb, auf der Baustelle oder auch im Homeoffice – am internationalen „Workers’ Memorial Day“, dem 28. April, sollten die Beschäftigten um 12 Uhr eine Gedenkminute einlegen“, sagt Gabriele Henter, Bezirksvorsitzende der IG BAU Bochum-Dortmund.

Bauarbeiter, Forstleute, Gebäude- und Fensterreiniger, aber auch Beschäftigte in der Landwirtschaft arbeiteten in der Region oft besonders gefährlich. „Zu den Gesundheitsrisiken für sie zählen nicht nur Stürze vom Gerüst oder Unfälle mit Maschinen, sondern auch Stress und eine hohe Arbeitsbelastung“, so Henter.

In Zeiten des Bau-Booms und wachsender Klimaschäden in den Wäldern arbeite ein Großteil der Beschäftigten am Limit – und leider auch darüber hinaus. Vor allem auch nach mehr als zwei Jahren Pandemie fühlten sich viele erschöpft und ausgelaugt. Im Fokus des diesjährigen „Workers’ Memorial Day“ steht deshalb das Thema psychische Belastungen.

Gabriele Henter: „Schnelligkeit darf nicht vor Sicherheit gehen.“

Gabriele Henter ist die Bezirksvorsitzende der IG BAU Bochum-Dortmund.
Gabriele Henter ist die Bezirksvorsitzende der IG BAU Bochum-Dortmund. Foto: IG BAU Bochum-Dortmund

„Klar ist: Die Arbeitgeber sind in der Pflicht, für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten zu sorgen. Schnelligkeit darf nicht vor Sicherheit gehen“, betont Henter. Wer Missstände am Arbeitsplatz beobachte, solle sich an den Betriebsrat oder die Gewerkschaft wenden.

Bundesweit gedenkt die IG BAU der Opfer von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten mit einem ökumenischen Gedenkgottesdienst mit muslimischer und jüdischer Beteiligung in der Berliner Gedächtnis-Kirche sowie mit einer Trauerfeier im Fußballstadion „AufSchalke“ in Gelsenkirchen.

Zentrale Botschaften zum diesjährigen „Workers’ Memorial Day“ hat die IG BAU im Video-Format zusammengefasst (siehe Ende des Artikels).

Rein rechnerisch ist in NRW eine Kontrollkraft für über 1.200 Betriebe zuständig

Zu wenige Kontrollen beim Arbeitsschutz: Von der richtigen Schutzkleidung in der Lebensmittelherstellung bis hin zur Arbeitszeiterfassung in der Gastronomie – die Aufsichtsbehörden sollen Unternehmen in Dortmund häufiger daraufhin prüfen, ob Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. Das fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zum Welttag für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund.
Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund. Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

Allerdings fehle es den Ämtern häufig an Personal. Nach einem aktuellen Bericht der Bundesregierung waren in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2020 insgesamt lediglich 344 Aufsichtsbeamtinnen und -beamte für Arbeitsschutz-Prüfungen zuständig.

„Damit muss sich rein rechnerisch ein Kontrolleur landesweit um 1.263 Betriebe kümmern. Mit dieser Quote ist effektiver Arbeitsschutz kaum möglich“, kritisiert Torsten Gebehart, Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund.

Der kritische Kontrollblick auf die Gefahren am Arbeitsplatz dürfe nicht länger eine „Rarität der Arbeitswelt“ bleiben. Nach Angaben der Arbeitsagentur gibt es allein in Dortmund aktuell 12.770 Betriebe (mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten).

Die Gesundheit der Beschäftigten steht auf dem Spiel

Viele Betriebe lassen Beschäftigte länger arbeiten, als es das Gesetz erlaubt. Doch die zuständigen Aufsichtsbehörden kontrollieren zu selten, ob die Vorschriften eingehalten werden. Foto: Alireza Khalili für die NGG

Der Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies vor knapp zwei Jahren habe gezeigt, wie wichtig der Gesundheitsschutz der Beschäftigten sei. Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) habe zwar damit begonnen, das Personal in den Kontrollbehörden der Bezirksregierungen aufzustocken.

Das Defizit sei aber weiterhin enorm, so Gewerkschafter Gebehart. „Die Ämter waren lange vor der Pandemie massiv unterbesetzt. Das rächt sich jetzt. Ob es um Verstöße gegen Corona-Maßnahmen oder um fehlenden Unfallschutz geht – am Ende steht die Gesundheit der Beschäftigten auf dem Spiel.“

Nach Angaben des DGB NRW haben bislang landesweit weniger als zwei Prozent der Betriebe pro Jahr mit einer Visite der Arbeitsschützer:innen zu rechnen. „Dabei können die Berufsgenossenschaften, die ebenfalls den Arbeitsschutz kontrollieren, die staatlichen Missstände nicht wettmachen. Die Politik muss jetzt rasch dafür sorgen, Fachleute für die Behörden zu gewinnen“, betont Gebehart. Dies gelinge aber nur, wenn der öffentliche Dienst eine attraktive Bezahlung biete.

Betriebsrat als wichtiges Instrument für mehr Mitbestimmung am Arbeitsplatz

12.100 Beschäftigte im Lebensmittel- und Gastgewerbe sind zu Betriebsratswahlen aufgerufen.

Eine wichtige Stellschraube für einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz sei zugleich die Mitbestimmung.

„Betriebsräte kümmern sich täglich darum, das Risiko für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu minimieren. Mit Konzepten gegen Corona, die zum Unternehmen passen, leisten sie zugleich einen großen Beitrag gegen Infektionen am Arbeitsplatz“, sagt Gebehart.

Ob in der Ernährungsindustrie, im Bäckerhandwerk oder im Gastgewerbe – bei den laufenden Betriebsratswahlen mitzumachen, sei auch mit Blick auf die eigene Gesundheit ratsam, so die NGG.

Zentrale Botschaften der IG BAU zum diesjährigen „Workers’ Memorial Day“

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