„Erst Tee, dann Krieg“ – Bürgerwehr (Neighbourhood Watch) oder über Gefahren beim Streben nach absoluter Sicherheit

Bürgerwehr Sir Alan Ayckborn
„Bürgerwehr“ von Sir Alan Ayckborn hat Premiere im Theater36 im Wichernhaus in der Nordstadt. (Plakatfoto)

Von Gerd Wüsthoff (Text) und Carmen Körner (Fotos)

„Erst Tee, dann Krieg“. Dieses Mal hat sich das Theater36 eine bitterböse, schwarze Komödie von Sir Alan Ayckbourn (*1939 in London) ausgesucht. Der englische Autor legt in seiner „Bürgerwehr“ meisterlich den Finger in die Wunde einer nach absoluter Sicherheit strebenden Mittelschicht. Sir Alan, ursprünglich Schauspieler, wurde zu „Großbritanniens populärstem Gegenwartsdramatiker“ (The Economist). Die deutsche Übersetzung über das seelische Innenleben der Mittelschicht stammt von Inge Greiffenhagen. Die neue Produktion wird am Freitag, den 2. März, um 19.30 Uhr auf der Bühne im Theater36, Stollenstr. 36, im Wichernhaus seine Premiere haben.

Gut gemeint in Bluebell Hill ist noch lange nicht gut gemacht!

„Erst Tee, dann Krieg“ – Bürgerwehr (Neighbourhood Watch)

Manchmal ist die Lösung schlimmer als das Problem – eine Einsicht, welche die Geschwister Hilda und Martin, beide um die 50, und ihre Mitstreiter schmerzhaft am eigenen Leib ereilt. Kaum sind sie in das gediegene Mittelschicht-Wohngebiet Bluebell Hill gezogen, werden Hilda und Martin von „wohlmeinenden“ Nachbarn auf die vermeintlichen „Gefahren“ aus der in der Nähe liegenden Sozialsiedlung aufmerksam gemacht.

Aufgehetzt trifft Martin unversehens auf einen Eindringling – ein Jugendlicher aus der nahe gelegenen Sozialsiedlung, die schon Hilda und Martin bei ihrem Einzug ins Auge fiel, und von den gut situierten Nachbarn schon länger misstrauisch und anschuldigend beäugt wird.

Martin greift den Jugendlichen an, der nicht nach Mittelschicht-Normen gekleidet ist. Nach dem Rechtsempfinden von Martin beging er eindeutig Hausfriedensbruch mit dem Betreten seines geheiligten „Englischen Rasen“. Zudem entreißt er dem Jugendlichen vermeintliches Diebesgut.

Fatale Eigendynamiken aus einer Zwingburg-Mentalität heraus

„Erst Tee, dann Krieg“ – Bürgerwehr (Neighbourhood Watch)

Hildas und Martins christlich-liberale Überzeugungen wanken, wodurch sie bigott wirken. Mit leisem Widerwillen, befeuert von den „Guten Nachbarn“, mit ihren verborgenen, dunklen eigenen Geheimnissen, errichten sie, wie alle anderen, um ihren schönen Garten doch einen hohen Zaun. Und mit dem Zaun verschwinden die liberalen, demokratischen Werte.

Und als es zu einem zweiten Zwischenfall kommt, bei dem Martins Gartenzwerg „Monty / Montgomery“ zu Bruch geht, hört der Spaß endgültig auf. Martin gründet eine Bürgerwehr, die „Recht und Ordnung“ schaffen soll und dabei zu immer drastischeren Maßnahmen greift.

Dass Martin eine Gated Community ins Leben gerufen hat, die zunächst schleichend, dann zunehmend einem brutalen Überwachungsstaat gleicht, bemerkt Martin leider etwas spät …

Schwarzer Humor, zynisch, entlarvend und der Sache nach auf jede Gesellschaft anwendbar

„Erst Tee, dann Krieg“ – Bürgerwehr (Neighbourhood Watch)

„Bürgerwehr“ ist das scharfsichtige und bitterbös-witzige Porträt einer paranoid gewordenen Mittelschicht. Was zunächst als typisch Britisch daher kommt, ist ohne Übersetzungsschwierigkeiten auf jede Gesellschaft zu übertragen.

Bürgerwehr ist gleichzeitig umwerfend komisch und zutiefst moralisch. Das Böse existiert – nicht außerhalb unserer Gesellschaft, sondern in ihrer Mitte. „Bürgerwehr“ ist eine der schwärzesten Ayckbourn-Komödien überhaupt.

Unter der Regie von Bettina Stöbe und Christiane Wilke spielen im Theater36, im Kultur- und Tagungszentrum in der Stollenstrasse 36, Susanne Bruns, Thomas Gramen, Michael Guddeit, Michaela Menzel, Thomas Müller, Magdalena Tinkloh, Gabriele Voß und Michael Werner.

Das Bühnenstück ist ein sehenswerter Blick in das Schwarze unserer Seele.

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