Nachdem der OB sich mit dem mutmaßlichen Täter ablichten ließ:

Erneuter Angriff in der Nacht zu Samstag im Bereich der Brückstraße durch bekannte Neonazis

„Brückstraße - hier spielt die Musik“ steht auf dem Banner - neben dem Schild zur Videobeobachtung.
„Brückviertel – hier spielt die Musik“ steht auf dem Banner – neben dem Schild zur Videobeobachtung. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Eine Woche ist es her, dass Rechtsextreme im Bereich der Brückstraße Personen tätlich angriffen, die ihrem völkisch-nationalen Weltbild nicht entsprachen. In der Nacht zu heute (27. Mai 2023) soll es wieder zu einem Übergriff durch Neonazis gekommen sein. Teile der vermeintlichen rechtsextremen Tätergruppe traten bereits vergangene Woche als Täter auf. Der mutmaßliche Haupttäter ließ sich kurz vor dem Angriff noch mit Oberbürgermeister Thomas Westphal ablichten – dieser hatte den mehrfach vorbestraften Neonazi nicht erkannt. Die Polizei ermittelt nun erneut.

Transfeindlicher Neonazi-Angriff: Opfer floh in die links-alternative Szenekneipe „Hirsch Q

Gemeinsam mit zwei Freund:innen wollte das spätere Opfer gegen zwei Uhr nachts auf der Brückstraße noch etwas essen. Beim Kauf einer Pizza soll er dann in dem Geschäft „Baguetterie Mare“ von Neonazis, die mit etwa sieben Personen vor Ort waren, bedrängt worden sein. Dabei sollen die Neonazis den Trans-Mann zunächst transfeindlich beleidigt und geschubst haben, einer der Neonazis soll ihm anschließend unvermittelt einen Faustschlag gegen den Hinterkopf verpasst haben. Die Dortmunder Polizei bestätigte auf Anfrage, dass ihnen eine Strafanzeige zu der Tat vorläge und sofortige Ermittlungen eingeleitet würden.

Die „Hirsch-Q“ wurde in der Vergangenheit mehrfach Ziel rechter Angriffe Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Das Opfer und die zwei Feund:innen flohen daraufhin in die „Hirsch-Q“, die sich nur unweit des Tatorts auf der Brückstraße befindet. Die Rechtsextremen verweilten derzeit weiter in der „Baguetteria Mare“, in der sich der mutmaßliche Haupttäter in der vergangenen Woche bereits mehrfach aufhielt.

Gegen halb drei und halb fünf soll die mutmaßliche Tätergruppe, jedoch ohne den vermeintlichen Haupttäter, die „Hirsch-Q“ passiert haben, wobei sie – ähnlich wie vergangenen Freitag – Gäst:innen angepöbelt und rechte Sticker mit der Aufschrift „Zecken jagen“ verklebt haben sollen.

Die Brückstraße wurde in der vergangene Woche vermehrt zum Schauplatz rechter Übergriffe. Karsten Wickern | Nordstadtblogger

Danach zog die Gruppe Neonazis in die Kneipe „Vater und Sohn“ auf der Schützenstraße in der Nordstadt, wo es bereits zu rechten Vorfällen kam und sich Neonazis in der Vergangenheit öfter aufhielten.

Die „Autonome Antifa 170“ teilte mit, dass es um die rechte Szene zwar insgesamt ruhiger geworden sei, die Ereignisse der letzten Wochen und Monate jedoch keinen Zweifel daran ließen, dass die Gefahr durch Neonazis bei weitem noch nicht vorüber sei. „Auch ohne Demonstrationen kommt es zu rechten Angriffen“, so die linke Gruppierung. Sie befürchten einen Anstieg rechter Übergriffe.

Die Dortmunder Polizei ordnet den Tatverdächtigen der rechtsextremen Szene zu

Steven Feldmann freut sich darüber, dass seine rassistischen Aussagen salonfähig werden. Screenshot: Steven Feldmann auf Instagram

Augenzeug:innen sind sich sicher, als Haupttäter den stadtbekannten rechten Intensivtäter Steven Feldmann identifizieren zu können. Er soll für den Faustschlag verantwortlich sein und transfeindliche Beleidigungen geäußert haben. Die Polizei teilte auf Anfrage nur mit, dass sie den Tatverdächtigen der rechtsextremen Szene zuordne.

Die Dortmunder „Autonome Antifa 170“ sieht in jungen Kaderfiguren wie Steven Feldmann eine andauernde Gefahr: „Gewalttäter wie Feldmann sind eine konkrete Gefahr für alle, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen.“ Zudem beobachteten sie, dass Feldmann in den vergangenen Monaten neue Leute für seine neofaschistische Ideologie begeistern konnte.

„Feldmann wirkt wie ein Vermittler zwischen Gewalt und Ideologie. Junge Menschen werden durch Kampfsport und Männlichkeitsideale angelockt und in ein Abhängigkeitsverhältnis gebracht, das einen Bruch mit der Szene nur noch schwer zulässt“, bewertet die „Autonome Antifa 170“ die Position des Neonazis.

Interessant sei vor allem, dass Feldmann sich jüngst in YouTube-Auftritten mit Influencern als „netten Neonazi von nebenan“ inszeniere. Taten wie der transfeindliche Angriff zeigten jedoch, dass Feldmann keinesfalls so friedfertig sei, wie er sich öffentlich positioniere.

Am vergangenen Wochenende flüchteten die Neonazis nach dem Angriff in Richtung Peek & Cloppenburg. Paulina Bermúdez

Unabhängig voneinander berichteten Augenzeug:innen zudem, dass die Neonazis Lennard K. und Sebastian T. – die am vergangenen Freitag als Täter agierten – auch diesmal der Tätergruppe angehört haben sollen. Sie sollen in szenetypischer „Kampf der Nibelungen“- Bekleidung aufgetreten sein.

Am vergangenen Wochenende griffen sie im Bereich der Brückstraße und des „Platz-von-Leeds“ wohnungslose Personen tätlich an, zeigten den Hitlergruß und skandierten rechte Parolen wie „Heil Hitler!“ und „white power“. Die Polizei gab in Bezug auf die gefährliche Körperverletzung der vergangenen Woche an, zwei Täter, die der rechten Szene zuzuordnen sind, bereits identifiziert zu haben. Bis Redaktionsschluss nahmen Steven Feldmann, Sebastian T. und Lennard K. die Möglichkeit einer Stellungnahme nicht wahr.

Oberbürgermeister Thomas Westphal ließ sich mit dem mutmaßlichen Täter fotografieren

Die Dorstfelder Nazis teilten das Foto in ihrem Telegram-Chat Screenshot Telegram

Neun Stunden vor dem transfeindlichen Angriff veröffentlichte der rechtsextreme Dortmunder Ortsverband der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) „Heimat Dortmund“ ein Foto in ihrem Telegram-Chat, dass den mutmaßlichen Haupttäter Steven Feldmann mit dem Oberbürgermeister Thomas Westphal zeigt.

Die Dortmunder „Mean Streets Antifa“ bewertet das Foto als hochgradig problematisch, denn es sende ein falsches Zeichen an die Zivilgesellschaft. „Das Foto zeigt einmal mehr, dass die Stadt Dortmund sich zwar den Kampf gegen Rechts auf die Fahne schreibt, das Stadtoberhaupt selbst sich jedoch nicht mit den zentralen Akteuren der Szene näher befasst“, so die Antifa-Gruppe.

Die Stadt Dortmund bezog damit konfrontiert Stellung und teilte öffentlich mit, dass der OB viel Wert auf Bürgernähe lege und sich diese auch dann nicht nehmen lassen wolle, wenn Einzelpersonen diese für ihre Zwecke missbrauchten. Auf eine explizite Distanzierung verzichtete er, offenbar um dem Thema keine weitere Bühne zu geben bzw. weil er diese Distanzierung scheinbar für selbstverständlich hält und diese nicht ausgesprochen werden müsse.

„Es braucht nach so einem Fauxpas mehr als deutliche Worte an die Dortmunder Stadtgesellschaft“, findet die „Mean Streets Antifa“. Konkret meint sie damit eine Entschuldigung oder Distanzierung.

Steven Feldmann stand mehrfach vor Gericht und kennt auch Gefängnisse von innen. Archivbild: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Zudem erfordere der „erschreckende Anstieg rechter Übergriffe gegenüber Andersdenkenden“ und die Zunahme rechter Graffiti und Sticker in vielen Stadtteilen eine deutliche Positionierung der Stadt Dortmund.

„Es muss deutlich werden, dass Nazis der Stadt Dortmund nicht einfach auf der Nase herumtanzen können und auch die Stadt selbst etwas gegen die aktuelle, erneute Raumeinnahme durch Rechtsradikale unternimmt“, so die antifaschistische Gruppierung.

Tatort Brückstraße: Die Kameraüberwachung der Dortmunder Polizei als Päventionsmaßnahme

An verschiedenen Standorten ist die Dortmunder Brückstraße in der City durch die Polizei videoüberwacht. Diese soll präventiv wirken und bei der Ermittlung von Täter:innen unterstützen. Die Brückstraße wurde nun innerhalb einer Woche mehrfach zum Schauplatz rechter Angriffe. Jetzt stellt sich die Frage, inwieweit das Konzept der Videoüberwachung wirksam ist.

Insgesamt fünf dreh-, schwenk- und neigefähige Kameras wurden installiert.
Insgesamt fünf dreh-, schwenk- und neigefähige Kameras wurden an der Brückstraße installiert. Archivbild: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Die Polizei teilte in Bezug auf die Übergriffe gegen wohnungslose Personen am vergangenen Wochenende mit, dass der Bereich vor der „Hirsch-Q“, wo Hitlergrüße gezeigt wurden, und der Bereich Brückstraße Ecke Ludwigstraße, wo die Neonazis zuerst eine Person zu Boden brachten, videoüberwacht seien.

Jedoch habe niemand live zugeschaut und daher müsse das Videomaterial noch ausgewertet werden. Der Bereich des Platz von Leeds, wo zwei wohnungslose Frauen angegriffen wurden, sei jedoch aufgrund der Umbauarbeiten nicht mehr videoüberwacht.

Inwiefern die Kameraüberwachung die Ermittlungen zur transfeindlichen Tat unterstützen kann, wird sich bald zeigen. Fest steht jedoch bereits, dass die Kameras als Präventionsmaßnahme im Fall der rechten Übergriffe nicht effektiv gewirkt haben.

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Reaktionen

  1. Polizei sucht Zeugen nach Körperverletzungsdelikt auf der Brückstraße (PM)

    Ein 19-jähriger Dortmunder ist in der Nacht zu Samstag (27. Mai) auf der Brückstraße aus einer Personengruppe heraus zunächst beleidigt und dann geschlagen worden. Die Polizei sucht Zeugen.

    Der Dortmunder hielt sich gegen 2.15 Uhr im Bereich eines Gastronomiebetriebs auf, als er auf die Gruppe traf. Als er die Lokalität verließ, schlug ihm plötzlich eine Person von hinten gegen den Kopf und beleidigte ihn. Dabei wurde der 19-Jährige leicht verletzt.

    Anschließend suchte der 19-Jährige eine nahegelegene Bar auf, wo die Polizei verständigt wurde.

    Als einer der Tatverdächtigen konnte ein 28-jähriger Dortmunder identifiziert werden, der der rechtsextremistischen Szene angehört. Die Polizei sucht nun weitere Zeugen, die die Tat beobachtet und Angaben zu der Personengruppe machen können. Ein Mann soll mit einer roten Sportjacke bekleidet gewesen sein. Zeugenhinweise gehen bitte an den Kriminaldauerdienst unter Tel. 0231/132-7441.

    Der Staatsschutz der Dortmunder Polizei ermittelt.

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