Neonazis veranstalten am 1. Mai eine „Tour“ durchs Ruhrgebiet

Polizeipräsident Lange zu Rechtsextremismus: „Wachsamkeit bleibt weiterhin das oberste Gebot“

Auch zum „Nationalen Tag der Arbeit“ gehören die Reichsflaggen für die Neonazis dazu.
Auch zum „Nationalen Tag der Arbeit“ gehören die Reichsflaggen für die Neonazis dazu. Sie wollen drei Kundgebungen machen. Archivfoto: Alex Völkel für nordstadtblogger.de

Anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes zu Extremismus gab auch die Dortmunder Polizei die lokalen Zahlen bekannt. Deutlich wurde trotz rückläufiger rechtsmotivierter Straftaten, dass die Dortmunder Polizei weiterhin wachsam sein möchte. Daher bleibt auch die „Soko Rechts“ auf unbestimmte Zeit bestehen. Für den 1. Mai 2023 kündigten die Dortmunder Neonazis eine Ruhrgebietstour an. Auch dieses Jahr wird die Zahl der Teilnehmenden voraussichtlich nochmals deutlich abnehmen – die Mobilisierungsschwäche der Neonazis wird immer deutlicher.

Polizei will wachsam bleiben, trotz konstantem Rückgang rechter Straftaten

Die Zeit, in der Dortmund den Status „Nazi-Kiez“ mit einer „Erlebniskulisse neonazistischer Großdemonstrationen“ innehatte, sei längst vorbei, berichtete Polizeipräsident Gregor Lange am vergangenen Dienstag im Zuge einer Pressekonferenz zum Thema Rechtsextremismus in Dortmund.

Die Grafik zeigt den Rückgang der rechten Straftaten in den vergangenen Jahren in Dortmund.
Die Grafik zeigt den Rückgang der rechten Straftaten in den vergangenen Jahren in Dortmund. Grafik: Polizei Dortmund

Dazu geführt hätten die intensiven Bestrebungen der Dortmunder Polizei und der eigens eingerichteten „Soko-Rechts“. Die Strategie dahinter laute: Hohe Präsenz, hoher Strafverfolgungsdruck und ein Intensivtäter:innenkonzept.

Insgesamt zählte die Dortmunder Polizei im vergangenen Jahr 148 Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund, davon vier Gewaltdelikte. Den Großteil der Straftaten machten Propaganda-Delikte und mit deutlichem Abstand der Tatbestand der Volksverhetzung aus. Im Jahr 2021 hingegen waren es noch 183 Straftaten, davon sieben Gewaltstraftaten.

Trotzdem betonte Polizeipräsident Gregor Lange, dass Wachsamkeit weiterhin das oberste Gebot sei. Die „Soko Rechts“ solle daher auf unbefristete Zeit bestehen bleiben, damit die Polizei umgehend handlungsbereit sei, sobald neue Gefahren auftauchten.

Potentielle Agressionen der rechten Szene durch wachsende Perspektivlosigkeit

Auch im vergangenen Jahr versammelten sich Neonazis um gegen das „NWDO“-Verbot von 2012 zu demonstrieren. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Die Szene gerät derzeit in eine Sackgasse“, stellte Polizeipräsident Lange fest. In den vergangenen Jahren zog es Dortmunder Führungskader immer wieder nach Ostdeutschland und mit ihnen sank auch die Zahl der Bewohner:innen des „berüchtigten Nazikiezes“ in Dortmund Dorstfeld enorm.

Diese Perspektivlosigkeit stelle grundsätzlich eine potentielle Gefahr dar: Einzelne Täter:innen könnten Frust in Aggressionen umwandeln, um weiterhin Aufmerksamkeit zu erregen, so Lange.

Zwar habe die rechte Szene in den vergangenen Jahren enorm an Mobilisierungs- und Organisationskraft verloren, die Tatsache, dass trotzdem jährlich am Tag des Verbots der rechtsextremen Dortmunder Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ aus dem Jahr 2012 demonstriert würde, zeige aber, „was sich hier für eine Szene aufgebaut hat“, so Lange.

Haftantritt eines rechten Gewalttäters könnte zu Kurzschlusshandlungen führen

Die Dortmunder Polizei erwartet zudem in Kürze den Haftantritt eines rechten Gewalttäters. Dieser war zu 2,5 Jahren Haft verurteilt worden und musste erst kürzlich vorläufig aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Auf die Frage, ob die Dortmunder Polizei durch den Haftantritt des Gewalttäters eine Veränderung in der Gruppendynamik der Dortmunder Neonazis erwartete, entgegnete sie: „Wir machen uns keine Illusionen.“

Die latente Perspektivlosigkeit und das Wegfallen eines relevanten Akteurs könnte eventuell zu Kurzschlusshandlungen führen. Dies beobachte die Polizei jedoch akribisch und fokussiere sich auf die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

Bilanz zu 2022: Linksextremismus, Reichsbürger:innen, Querdenker-Szene und Antisemitismus

Polizeipräsident Lange: „Die größte Gefahr geht nach wie vor vom Rechtsextremismus aus.“ Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Die Zahl der „links-motivierten“ Straftaten sei im Jahr 2022 leicht gestiegen – von 42 Straftaten im Jahr 2021 auf 51 Straftaten im vergangenen Jahr. Dabei sei die Zahl der Gewaltdelikte jedoch um ein Drittel auf sechs gesunken. Größtenteils machten die Strafaten Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und Sachbeschädigungen aus. Polizeipräsident Gregor Lange betonte: „Die größte Gefahr geht nach wie vor vom Rechtsextremismus aus.“

Im Jahr 2022 zählte die Dortmunder Polizei 52 „erkannte Reichsbürger:innen“, von denen durchaus eine Gefahr ausgehe. Derzeit prüfe die Polizei Waffenbesitz und starte dann die entsprechenden Entziehungsverfahren. „Reichsbürger und Selbstverwalter sind so gefährlich, dass wir da polizeiliche Maßnahmen unter einem erhöhten Maß an Eigensicherung durchführen“, teilte die Polizei mit.

In Bezug auf die Dortmunder Querdenken-Szene stellte die Polizei fest, dass die Dortmunder Neonazis dort trotz intensiver Versuche keinen Anschluss gefunden hätten. Die Zahl der antisemitischen Straftaten im Jahr 2022 belaufe sich zudem auf zehn, antisemitisch motivierte Gewalttaten habe es keine gegeben.

Die Polizei bittet inständig um das Erstatten von Anzeigen

In den vergangenen Monaten berichteten wir von einer Allianz rechtsextremer und migrantischer Gewalttäter. Unserer Redaktion liegt diesbezüglich umfangreiches Material vor: Von Gewaltandrohungen gegen Antifa-Gruppierungen und Einzelpersonen, Sachbeschädigungen mit eindeutigen Bezügen zum organisierten Rechtsextremismus, bis hin zu konkreten Gewaltdelikten.

An der Möllerbrücke finden sich rechte Graffitis, die den Mord an Thomas Schulz glorifizieren. Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Dabei handelt es sich um Taten im öffentlichen Raum, eine Vielzahl der Drohungen und das Posten von Videos einzelner Straftaten fand jedoch immer wieder in Sozialen Netzwerken wie Twitter oder Instagram statt.

Die Dortmunder Polizei ist über diese Taten fast ausschließlich aufgrund von Medienberichten informiert. Sie behalte diese „vielen diffusen Szenen, die sich im Moment aufstellen“ ganz genau im Blick. Immer wieder wird jedoch betont: „Wir benötigen Zeugen und Strafanzeigen um Ermittlungen einleiten zu können.“ Daher bittet die Dortmunder Polizei weiterhin inständig um das Erstatten von Strafanzeigen.

Alternativ verweist die Polizei an Opferberatungstellen rechter Gewalt – beispielsweise BackUp. Dort erhalten die Opfer und Zeug:innen von rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt eine umfassende Hilfe: Sie vermitteln nach einem Angriff, nach Bedrohung oder Einschüchterung Ärzt:innen, Anwält:innen, Psycholog:innen oder auch Dolmetscher:innen unabhängig von Strafanzeigen und der Arbeit der Polizei.

Rechte Ruhrgebietstour: Ein Zeichen der stetig schwindenden Mobilisierungskraft?

Der erst kürzlich gegründete Ortsverband „Heimat Dortmund“ der Partei „NPD“ (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) kündigte bereits vor Wochen eine „Kundgebungstour durch’s Ruhrgebiet“ an. Nähere Informationen wollten sie jedoch erst kurzfristig veröffentlichen, womöglich aus Angst vor Gegenprotest.

Die Teilnahme an rechtsextremen Veranstaltungen nimmt stetig ab. Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Doch nun stehen die Standorte der „Kundgebungstour“ der Neonazis fest: Laut Angaben der Partei „Heimat Dortmund“, die im eigenen Telegram Chat veröffentlicht wurden, soll es drei Kundgebungen geben: Angemeldet haben sie in Recklinghausen (12.15 bis 13.30 Uhr), in Lünen (14.30 bis 15.30 Uhr an der Persiluhr) sowie in Dortmund-Dorstfeld (16.30 bis 17.30 Uhr).

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