Anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes zu Extremismus gab auch die Dortmunder Polizei die lokalen Zahlen bekannt. Deutlich wurde trotz rückläufiger rechtsmotivierter Straftaten, dass die Dortmunder Polizei weiterhin wachsam sein möchte. Daher bleibt auch die „Soko Rechts“ auf unbestimmte Zeit bestehen. Für den 1. Mai 2023 kündigten die Dortmunder Neonazis eine Ruhrgebietstour an. Auch dieses Jahr wird die Zahl der Teilnehmenden voraussichtlich nochmals deutlich abnehmen – die Mobilisierungsschwäche der Neonazis wird immer deutlicher.
Polizei will wachsam bleiben, trotz konstantem Rückgang rechter Straftaten
Die Zeit, in der Dortmund den Status „Nazi-Kiez“ mit einer „Erlebniskulisse neonazistischer Großdemonstrationen“ innehatte, sei längst vorbei, berichtete Polizeipräsident Gregor Lange am vergangenen Dienstag im Zuge einer Pressekonferenz zum Thema Rechtsextremismus in Dortmund.
Dazu geführt hätten die intensiven Bestrebungen der Dortmunder Polizei und der eigens eingerichteten „Soko-Rechts“. Die Strategie dahinter laute: Hohe Präsenz, hoher Strafverfolgungsdruck und ein Intensivtäter:innenkonzept.
Insgesamt zählte die Dortmunder Polizei im vergangenen Jahr 148 Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund, davon vier Gewaltdelikte. Den Großteil der Straftaten machten Propaganda-Delikte und mit deutlichem Abstand der Tatbestand der Volksverhetzung aus. Im Jahr 2021 hingegen waren es noch 183 Straftaten, davon sieben Gewaltstraftaten.
Trotzdem betonte Polizeipräsident Gregor Lange, dass Wachsamkeit weiterhin das oberste Gebot sei. Die „Soko Rechts“ solle daher auf unbefristete Zeit bestehen bleiben, damit die Polizei umgehend handlungsbereit sei, sobald neue Gefahren auftauchten.
Potentielle Agressionen der rechten Szene durch wachsende Perspektivlosigkeit
„Die Szene gerät derzeit in eine Sackgasse“, stellte Polizeipräsident Lange fest. In den vergangenen Jahren zog es Dortmunder Führungskader immer wieder nach Ostdeutschland und mit ihnen sank auch die Zahl der Bewohner:innen des „berüchtigten Nazikiezes“ in Dortmund Dorstfeld enorm.
Diese Perspektivlosigkeit stelle grundsätzlich eine potentielle Gefahr dar: Einzelne Täter:innen könnten Frust in Aggressionen umwandeln, um weiterhin Aufmerksamkeit zu erregen, so Lange.
Zwar habe die rechte Szene in den vergangenen Jahren enorm an Mobilisierungs- und Organisationskraft verloren, die Tatsache, dass trotzdem jährlich am Tag des Verbots der rechtsextremen Dortmunder Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ aus dem Jahr 2012 demonstriert würde, zeige aber, „was sich hier für eine Szene aufgebaut hat“, so Lange.
Haftantritt eines rechten Gewalttäters könnte zu Kurzschlusshandlungen führen
Die Dortmunder Polizei erwartet zudem in Kürze den Haftantritt eines rechten Gewalttäters. Dieser war zu 2,5 Jahren Haft verurteilt worden und musste erst kürzlich vorläufig aus der Untersuchungshaft entlassen werden.
Auf die Frage, ob die Dortmunder Polizei durch den Haftantritt des Gewalttäters eine Veränderung in der Gruppendynamik der Dortmunder Neonazis erwartete, entgegnete sie: „Wir machen uns keine Illusionen.“
Die latente Perspektivlosigkeit und das Wegfallen eines relevanten Akteurs könnte eventuell zu Kurzschlusshandlungen führen. Dies beobachte die Polizei jedoch akribisch und fokussiere sich auf die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.
Bilanz zu 2022: Linksextremismus, Reichsbürger:innen, Querdenker-Szene und Antisemitismus
Die Zahl der „links-motivierten“ Straftaten sei im Jahr 2022 leicht gestiegen – von 42 Straftaten im Jahr 2021 auf 51 Straftaten im vergangenen Jahr. Dabei sei die Zahl der Gewaltdelikte jedoch um ein Drittel auf sechs gesunken. Größtenteils machten die Strafaten Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und Sachbeschädigungen aus. Polizeipräsident Gregor Lange betonte: „Die größte Gefahr geht nach wie vor vom Rechtsextremismus aus.“
Im Jahr 2022 zählte die Dortmunder Polizei 52 „erkannte Reichsbürger:innen“, von denen durchaus eine Gefahr ausgehe. Derzeit prüfe die Polizei Waffenbesitz und starte dann die entsprechenden Entziehungsverfahren. „Reichsbürger und Selbstverwalter sind so gefährlich, dass wir da polizeiliche Maßnahmen unter einem erhöhten Maß an Eigensicherung durchführen“, teilte die Polizei mit.
In Bezug auf die Dortmunder Querdenken-Szene stellte die Polizei fest, dass die Dortmunder Neonazis dort trotz intensiver Versuche keinen Anschluss gefunden hätten. Die Zahl der antisemitischen Straftaten im Jahr 2022 belaufe sich zudem auf zehn, antisemitisch motivierte Gewalttaten habe es keine gegeben.
Die Polizei bittet inständig um das Erstatten von Anzeigen
In den vergangenen Monaten berichteten wir von einer Allianz rechtsextremer und migrantischer Gewalttäter. Unserer Redaktion liegt diesbezüglich umfangreiches Material vor: Von Gewaltandrohungen gegen Antifa-Gruppierungen und Einzelpersonen, Sachbeschädigungen mit eindeutigen Bezügen zum organisierten Rechtsextremismus, bis hin zu konkreten Gewaltdelikten.
Dabei handelt es sich um Taten im öffentlichen Raum, eine Vielzahl der Drohungen und das Posten von Videos einzelner Straftaten fand jedoch immer wieder in Sozialen Netzwerken wie Twitter oder Instagram statt.
Die Dortmunder Polizei ist über diese Taten fast ausschließlich aufgrund von Medienberichten informiert. Sie behalte diese „vielen diffusen Szenen, die sich im Moment aufstellen“ ganz genau im Blick. Immer wieder wird jedoch betont: „Wir benötigen Zeugen und Strafanzeigen um Ermittlungen einleiten zu können.“ Daher bittet die Dortmunder Polizei weiterhin inständig um das Erstatten von Strafanzeigen.
Alternativ verweist die Polizei an Opferberatungstellen rechter Gewalt – beispielsweise BackUp. Dort erhalten die Opfer und Zeug:innen von rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Gewalt eine umfassende Hilfe: Sie vermitteln nach einem Angriff, nach Bedrohung oder Einschüchterung Ärzt:innen, Anwält:innen, Psycholog:innen oder auch Dolmetscher:innen unabhängig von Strafanzeigen und der Arbeit der Polizei.
Rechte Ruhrgebietstour: Ein Zeichen der stetig schwindenden Mobilisierungskraft?
Der erst kürzlich gegründete Ortsverband „Heimat Dortmund“ der Partei „NPD“ (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) kündigte bereits vor Wochen eine „Kundgebungstour durch’s Ruhrgebiet“ an. Nähere Informationen wollten sie jedoch erst kurzfristig veröffentlichen, womöglich aus Angst vor Gegenprotest.
Doch nun stehen die Standorte der „Kundgebungstour“ der Neonazis fest: Laut Angaben der Partei „Heimat Dortmund“, die im eigenen Telegram Chat veröffentlicht wurden, soll es drei Kundgebungen geben: Angemeldet haben sie in Recklinghausen (12.15 bis 13.30 Uhr), in Lünen (14.30 bis 15.30 Uhr an der Persiluhr) sowie in Dortmund-Dorstfeld (16.30 bis 17.30 Uhr).
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Polizeipräsident Lange zu Rechtsextremismus: „Wachsamkeit bleibt weiterhin das oberste Gebot“
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Polizeipräsident Gregor Lange: „Die Soko Rechts ist und bleibt weiterhin ein starkes Instrument der Polizei bei der Bekämpfung rechtsextremistisch motivierter Straftaten in Dortmund“ (PM)
Seit die Soko Rechts von Polizeipräsident Gregor Lange im Jahr 2015 ins Leben gerufen wurde, zeigt sie mit ihrer umfangreichen Arbeit jedes Jahr aufs Neue, wie wehrhaft der demokratische Rechtsstaat bei der Extremismus-Bekämpfung ist. Seither gingen in Dortmund die in diesem politisch motivierten Kriminalitätsbereich begangenen Straftaten um 65 Prozent zurück. „Diese Tendenz ist stabil, so dass wir diesen Trend auch im Jahr 2023 fortsetzen und die Szene wiederholt schwächen konnten“, so der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange.
Erfahrungen zeigen, dass Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund großen negativen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl der Menschen haben. Wie im Vorjahr liegen hier die angezeigten Taten im niedrigen einstelligen Bereich, jedoch konnte die Aufklärungsquote von 75 Prozent auf 100 Prozent gesteigert werden. Unter anderem konnte im Mai 2023 dank der schnellen Reaktion der Einsatzkräfte zusammen mit guten Zeugenhinweisen ein 19-jähriger Tatverdächtiger aus Niedersachsen nach einer gefährlichen Körperverletzung in Dortmund unmittelbar nach der Tat gestellt werden. https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/5513942
Die meisten Straftaten im Stadtgebiet Dortmund und Lünen waren Verstöße gegen die §§ 86 und 86a StGB sowie Volksverhetzungen. Beispielhaft sei hier die Sicherstellung eines antisemitischen Transparentes in Dortmund-Dorstfeld genannt. Am Abend des 10.10.2023 befestigten Rechtsextremisten ein Banner mit einer Aussage, die der nationalsozialistischen Propaganda entnommen ist an einem Wohnhaus in der Thusneldastraße. In enger Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt und der Feuerwehr wurde das Transparent beseitigt und ein Strafverfahren eingeleitet. Zur Situation in Dorstfeld sagte der Polizeipräsident: „Dorstfeld steht für Vielfalt, Respekt, Toleranz, Demokratie und die Achtung der Menschenwürde. Das verzweifelte Aufbäumen von einzelnen Personen gegen den Zerfall der rechtsextremistischen Szene wird von der Polizei nicht toleriert.“ https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/5623617
Insgesamt sind die antisemitischen Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Dortmunder Polizei im vergangenen Jahr angestiegen. Einen nicht unerheblichen Anteil stellten dabei antisemitisch motivierte Taten im Zusammenhang mit dem Konflikt in Israel dar, welche nicht der bekannten rechten Szene aus Dortmund zuzuordnen sind.
Kurz nach dem brutalen Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel hat die Polizei Dortmund eine gesonderte Ermittlungskommission (EK) eingerichtet. Die EK „Nahost“ beschäftigt sich mit antisemitischen Straftaten im Zusammenhang mit dem Konflikt. Seit dem 7. Oktober haben die Ermittlerinnen und Ermittler in Dortmund 99 solcher Straftaten gezählt, in Lünen 4.
„Antisemitismus – egal aus welcher Richtung er kommt – ist gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte in Deutschland eine Schande. Alle sind aufgefordert, einer solchen unerträglichen Entwicklung entgegenzutreten“, betont der Dortmunder Polizeipräsident.
Die Soko Rechts bleibt weiterhin wachsam und beobachtet aktuelle Entwicklungen ganz genau. Insbesondere die politischen Aktivitäten bekannter Rechtsextremisten im Zusammenhang mit der Fusion zweier rechtsextremer Parteien zur „Heimat Dortmund“ stehen im Fokus der Beamten. „Wir schöpfen daher unseren rechtlichen Handlungsspielraum voll aus, um bei der Sammlung von Informationen dieser Vereinigung, maximale Ergebnisse zu erzielen. Informationen auf denen wir die erforderlichen polizeilichen und strafprozessualen Maßnahmen aufbauen.“, sagte Polizeipräsident Gregor Lange zu dieser Form des politischen Aktivismus.
Zu diesen Maßnahmen gehört unter anderem das Intensivtäterkonzept Rechts. Bei der Polizei in NRW wurde 2018 dieses Intensivtäterkonzept zur standardisierten Bearbeitung von Mehrfach- bzw. Intensivtätern im Themenfeld „Politisch motivierte Kriminalität“ eingeführt. Das Intensivtäterkonzept findet bei allen Phänomenbereichen der politisch motivierten Kriminalität Anwendung und dient vornehmlich der Senkung der Fallzahlen und der Erhöhung der Aufklärungsquote. Im Zuständigkeitsbereich des Staatsschutzes Dortmund werden aktuell eine niedrige zweistellige Anzahl von Personen als Intensivtäter Rechts geführt.
Polizeipräsident Gregor Lange: „Dass unsere Maßnahmen gegen die Neonaziszene Früchte tragen, zeigen die Verurteilungen und Inhaftierungen aus dem vergangenen Jahr. Gegen fünf bekannte Rechtsextremisten aus Dortmund wurden Urteile gesprochen, in drei Verfahren gab es Geldstrafen und zweimal Freiheitsstrafen. Hinzukommen noch zwei weitere Intensivtäter, die sich aktuell in Haft befinden, unabhängig von den zuvor genannten Verurteilungen. Wir machen es der Dortmunder Neonazi-Szene seit nunmehr neun Jahren so unbequem wie möglich. Diese Szene kann als im Wesentlichen zerschlagen bezeichnet werden. Führende Köpfe haben die Stadt aufgrund einer so selbst formulierten Perspektivlosigkeit verlassen und sind aus Dortmund weggezogen. Die Versammlungstätigkeit der Dortmunder Szene ist quasi bei Null angekommen.“
Dennoch warnt der Polizeipräsident davor sich auf den erzielten Erfolgen auszuruhen und macht klar, dass die Polizei die Entwicklung in Dortmund und auch deutschlandweit weiterhin fest im Blick hat: „Eine große Gefahr droht derzeit aus dem rechtspopulistischen Raum. Bundesweit und auch in Dortmund gehen von einer gefährlichen Mischung aus der Neuen Rechten, der Identitären Bewegung und einer von zu vielen Wählern getragenen rechtspopulistischen oder sogar schon rechtsextremistischen Partei die größten Gefahren für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat aus. Hier sind alle Teile der Gesellschaft gefordert, dieser Entwicklung entschieden entgegenzutreten.“