Erfolgreiche Klage vor dem OVG: Das Versammlungsverbot an Silvester und Neujahr ist rechtswidrig und unverhältnismäßig

. „Gegen die Coronschutzverordnung habe ich nichts, dafür aber gegen das Aushebeln von Grundrechten“, betont Iris Bernert-Leushacke. Foto: David Peters
„Gegen die Coronschutzverordnung habe ich nichts, dafür aber gegen das Aushebeln von Grundrechten“, betont die Dortmunder Klägerin  Iris Bernert-Leushacke. Foto: David Peters

Von David Peters

Eigentlich untersagt die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalens Versammlungen an Silvester. Die Dortmunderin Iris Bernert-Leushacke wollte diese Grundrechtseinschränkung aber nicht so einfach hinnehmen und klagte vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Das Gericht entschied, dass ein pauschales Versammlungsverbot „rechtswidrig“ und „unverhältnismäßig“ sei. 

OVG sieht ein pauschales Versammlungsverbot nicht als Mittel zur Pandemie-Eindämmung

„Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass auch unter Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Corona-Virus-Krankheit-2019 ohne ein pauschales Versammlungsverbot an Silvester erheblich gefährdet wäre“, heißt es in der Begründung des Gerichts.

Das Land NRW hatte als Gründe für das Verbot aufgeführt, dass Versammlungen zur Umgehung des Feierverbots genutzt werden können. Dem Gericht zufolge verfügen die Behörden allerdings über ausreichende Möglichkeiten Ansammlungen aufzulösen, ohne dass in die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes einzugreifen.

Symbolische Mini-Kundgebung in Dortmund zur Wahrung der Grundrechte

Bernert-Leushacke habe sich nach eigener Aussage gut überlegt, ob sie gegen das Versammlungsverbot klagen wollte. „Gegen die Coronschutzverordnung habe ich nichts, dafür aber gegen das Aushebeln von Grundrechten“, sagt sie. Sie hatte eine symbolische Versammlung vor der Reinoldikirche in der Innenstadt angemeldet, zu der sechs Personen kamen – alle mit Abstand und Masken.

Nach einer Viertelstunde war die Kundgebung auch wieder beendet. „Die Versammlung war symbolisch, um zu zeigen, dass wir unter den geltenden Coronoschutzbedingungen eine Versammlung durchführen können. Mir ging es nur um das Grundgesetz“, erklärt Bernert-Leushacke, die auch immer wieder Demonstrationen und Kundgebungen gegen Rechts anmeldet.

Auch ihr Rechtsanwalt Jasper Prigge betonte auf Twitter, dass man übrigens für strenge Maßnahmen zum Schutz vor Corona sein und zugleich für die Versammlungsfreiheit eintreten könne. „In den letzten Monaten gab es zahlreiche Versammlungen, bei denen solidarisch aufeinander geachtet und Abstände selbstverständlich eingehalten wurden“, so der Düsseldorfer Anwalt. Für ihn sei entscheidend, Grundrechtseinschränkungen verhältnismäßig seien.

Ministerium verweist auf Rechtsweg – OVG kippt Versammlungsverbot

In diesem Jahr habe Bernet-Leushacke mit Ausnahme der Demonstration an Silvester keine Probleme bei Versammlungsanmeldungen gehabt. Da gab es aber auch noch kein Versammlungsverbot. Als sie die Silvester-Kundgebung angemeldet habe, wandte sich Bernert-Leushacke an das zuständige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Dort sah man sich allerdings als nicht zuständig an. Als die Dortmunderin sich dann an das Innenministerium wandte, erklärte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales daraufhin, dass die Versammlung nicht möglich wäre und Bernert-Leushacke einen Normenkontrollantrag stellen müsse. 

Für das OVG folgte der Argumentation der Klägerin und ihres Rechtsanwalt Jasper Prigge. Das Versammlungsverbot stelle einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, „der nach Ablauf des 31. Dezember nicht mehr rückgängig gemacht werden kann“, so das Gericht.

Zudem sei das Versammlungsverbot nicht als „ein zur Eindämmung der Pandemie, dringend erforderliches Instrument“ anzusehen. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist nicht anfechtbar. Zudem betonte das Gericht, dass der Beschluss nicht nur zugunsten der Antragstellerin, sondern allgemeinverbindlich sei.

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Christine knoppik

    Ich kann es nicht fassen. Vernünftige Menschen befürworten das Versammlungsverbot auch wenn es Rechte der Bevölkerung für kurze Zeit etwas einschränkt. Aber nun wird es ausgehebelt und wird sich wohl leider als Freibrief für Ignoranten und Querdenker erweisen. Es wäre besser gewesen , wenn die Urteilsfindung auf einer Covid Intensivstation stattgefunden hätte.

  2. Mirco Stöpke

    Unfassbar, es geht darum, die Verbreitung eines tödlichen Virus einzudämmen, wozu diese Dame als mitte 50 jährige selber altersbedingt zu Risikogruppe gehört und ausgerechnet sie klagt gegen Auflagen, die eigentlich auch Leute wie sie schützen sollten …

    Man muss schon unfassbar dumm sein …

  3. Oczko, anneliese

    Es ist nicht zu fassen. Täglich sterben z. Zt. 1000 unserer Mitmenschen und das Gericht kippt ruck zuck die politischen Anweisungen. Da kann man nur hoffen, dass die entsorechenden Richter auch die Intensivstation kennen lernen.

  4. Nogain

    Wann immer jemand daherkommt und sagt“Ich kann dich retten“, ist der zweite Satz immer und ausnahmslos: „Gib mir nur das und das und das und das und das und das…“
    Und wenn dann irgendjemand aufzuzeigen wagt, dass mit dieser Liste jawohl etwas ganz offensichtlich nicht in Ordnung sein kann, dann kommt sofort der dritte Satz: „Der da will dass ihr stirbt! Kritik ist nicht zulässig! Gehorcht!“

    Grundrechte existieren zum Schutz der Bürger, ebenso und nicht weniger wie Regeln für die Bewältigung einer Pandemie. Grundrechte auszuhebeln ist schlichtweg inakzeptabel. Gut zu sehen, dass der Rechtstaat wenigstens teilweise funktioniert.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert