Jahrestag des Mordes an Punker Thomas „Schmuddel“ Schulz

Eine neue rechtsextreme Gruppierung in Dortmund ist Thema bei Gedenkveranstaltungen

Kerzen und Blumen wurden am Tatort – der Stadtbahn-Stadion Kampstraße in der Dortmunder City – niedergelegt.

Zum 18. Mal jährte sich am 28. März 2023 der Todestag des rechtsextremen Mordes an dem Punker Thomas Schulz. Auch in diesem Jahr fanden Gedenkveranstaltungen am Tatort – der Dortmunder U-Bahnstation Kampstraße – statt. Im Fokus stand auch eine neue rechtsextreme Gruppierung, die den Mord an Thomas Schulz für ihre Zwecke instrumentalisiert und für mehrere Übergriffe verantwortlich sein soll.

Gedenken an den Tod von Thomas „Schmuddel“ Schulz

Das Transparent erinnert an Thomas Schulz.

Am Ostermontag im Jahr 2005 stach der 17-Jährige Skinhead Sven Kahlin den 31-Jährigen Punker Thomas Schulz – Spitzname „Schmuddel“ – nieder. Dieser war an dem Abend mit Freund:innen auf dem Weg zu einem Konzert.

In der U-Bahnstation Kampstraße traf der Punker auf den jungen Neonazi Sven Kahlin und seine Freundin. Nach einem kurzen Wortgefecht erstach der Neonazi den Punker mit einem gezielten Stich ins Herz. Schulz starb am selben Abend im Krankenhaus.

Sven Kahlin wurde am 17. November 2005 zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren ohne Bewährung verurteilt. Die Freiheitsstrafe setzte sich aus dem Totschlag an Thomas Schulz und der kurz zuvor stattgefundenen Nötigung und Körperverletzung an einem anderen Punker zusammen. Das Gericht erkannte damals weder die Heimtücke noch den rechtsextremen Hintergrund der Tat an.

Zwei Kundgebungen erinnerten an die rechtsextreme Tat

Nach der tödlichen Messerattacke auf den Punker Thomas Schulz verbreiteten Neonazis Aufkleber mit dem Motto: Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide. Archivbild: Völkel
Nach der tödlichen Messerattacke auf den Punker Thomas Schulz verbreiteten Neonazis Aufkleber mit dem Motto: Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Um 17 und um 19 Uhr fanden jeweils Gedenkveranstaltungen an der U-Bahnhaltestelle Kampstraße statt. Laut der Dortmunder Polizei versammelten sich an der Spitze rund 100 Menschen um dem getöteten Punker zu gedenken.

Redner:innen erinnerten an die damaligen „Dortmunder Verhältnisse“: Die Zeit des mittlerweile verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) und der „Skinheadfront Dorstfeld“, in der Kahlin selbst Mitglied war. Die Dortmunder Neonazi-Szene habe sich mit der Tat gerühmt – kurze Zeit später gab es rechte Sticker mit der Aufschrift „Antifaschismus ist ein Ritt auf Messers Schneide“.

Ein Jahr nach der Tat ermordete das rechtsextreme NSU-Trio den Dortmunder Kioskinhaber Mehmet Kubaşik. „Die Gefahr die von Nazis ausgeht hat immer auch reale Konsequenzen“, mahnte ein Redner.

Friedliches Beisammensein trotz Unstimmigkeiten bezüglich der Örtlichkeit

Die Polizei versuchte zu dem Lautsprecher vorzudringen.

Die zweite Kundgebung, organisiert von der „Autonomen Antifa 170“, konnte jedoch nicht wie geplant um 19 Uhr beginnen. „Nach 18 Gedenkveranstaltungen mit oft mehr als 500 Teilnehmer:innen behaupteten die Einsatzkräfte von Polizei und
Nahverkehrsbetrieb DSW21 heute, die Versammlung würde die Rettungs- und Verkehrswege stören und müsse deswegen ihren angestammten Platz räumen“, so Kim Schmidt, Pressesprecherin der Gruppe.

Die Polizei bewertet das Vorgehen anders: So sei der von der Anmelderin bevorzugte Versammlungsort direkt am Aufzug zur Stadtbahnhaltestelle Kampstraße und somit in der Zugangsschneise des dort befindlichen Fußgängerüberweges sowie eines Rettungswegs. Die Anmelderin habe die Örtlichkeit verlassen, ohne die Versammlung zu beginnen.

Das Gedenken fand trotz versuchter Unterbindung wie geplant statt, so Schmidt. Die Teilnehmenden hätten sich der „absurden Schikane“ der Dortmunder Polizei nicht gebeugt, die „ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die dem ermordeten Thomas Schulz Gedenken wollen“ gewesen sei. Die Polizei bewertete die unangemeldete Kundgebung als friedlich.

Redner:innen warnten inständig vor einer neuen rechten Gruppierung in Dortmund

An der Möllerbrücke finden sich rechte Graffitis, die die Tat glorifizieren.

Immer wieder wiesen Redner:innen auf die andauernde Gefahr durch rechte Gewalt in Dortmund hin. Seit einigen Monaten entstehe rund um die stadtbekannten Neonazis Steven F., Serkan B. und Pascal O. eine Gruppe junger Männer, die geprägt sei von Gewaltbereitschaft und Männlichkeitsidealen.

Erst kürzlich hatte sich die Initiative „Unionviertel gegen Rechts“ gegründet und mit einer Plakataktion auf die rechten Gewalttäter aufmerksam gemacht. „Seit einigen Wochen beobachten wir nun gewaltsame Übergriffe und Bedrohungen durch eine eingrenzbare Personengruppe, die zwischen Rheinischer Straße und Möllerbrücke Passant:innen und Anwohner:innen einschüchtert.

Was sich zunächst als ein Phänomen von Jugendgewalt darstellte, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als rechte Gewalt“, teilte die Initiative in einer Pressemitteilung mit. Die Täter eine der Hass auf LGBTIQ-Personen, Schwule, Frauen, Antifaschist:innen und eine teils diffuse Religiösität.

„Antifa jagen“ steht es an der Dortmunder Möllerbrücke.

Neu ist auch das aktive Posten der Straftaten auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und Twitter. Wie Nordstadtblogger bereits berichtete, finden sich auf einschlägigen Twitter-Accounts Videos von Angriffen mit Pfefferspray und Morddrohungen mit Bezug auf die organisierte rechtsextreme Szene in Dorstfeld.

Die Dortmunder „Mean Streets Antifa“ schätzt die aktuelle Gefahr durch die rechte Gruppierung als sehr hoch ein. Die mutmaßlichen Täter seien impulsiv, unberechenbar und liefen mit Waffen herum. Allein in den letzten Wochen sei ihnen eine Vielzahl von Bedrohungen und körperlichen Angriffen gemeldet worden.

Die Dortmunder Polizei teilte auf Anfrage mit, ihnen seien derzeit „keine weiteren (möglichen) Übergriffe durch die Gruppierung bekannt.“ Die Polizei bittet Opfer rechter Übergriffe Anzeige zu erstatten, um Ermittlungen einleiten zu können. Als Alternative verweist die Polizei an Beratungsstellen wie „BackUp“.

Mutmaßliche rechtsextreme Angriffe auf die „Haldi 47“ in Bochum

Ein einschlägiger Twitter Account teilte Videos und Fotos des ersten Angriffs. Screenshot Twitter

In der vergangenen Woche fanden zwei Übergriffe auf das „Wohn- und Nachbarschaftsprojekt Haldi 47“ in Bochum statt. Der erste Angriff erfolgte in der Nacht auf den 21. März 2023. Die Täter schmissen die Fenster mit Steinen ein und sprühten  Graffiti. Verletzt wurde niemand.

Nur 72 Stunden später erfolgte der nächste, wesentlich härtere Angriff. Vor dem Haus sprühten die Täter SS-Graffiti, riefen „Allahu akbar“ und Morddrohungen in Richtung des Hauses. „Sie (die Täter) versuchten unter Gewaltanwendung ins Haus einzudringen, zerstörten dabei eine Fensterscheibe im Erdgeschoss und die Gartentür, bedrohten eine der anwesenden Personen, der sie eine Schusswaffe an den Kopf hielten und verletzten diese mit Pfefferspray. Die im Haus anwesenden Personen waren in Todesangst“, teilte „Haldi 47“ mit.

Die Antifaschist:innen schreiben die Angriffe der Gruppierung um Steven F., Pascal O. und Serkan B. zu. Indizien dafür seien das Vorgehen, die rechtsextremen, sowie muslimischen Bezüge und die Graffiti, die auf Steven F. („Free F.“) und Serkan B. („Antifa bläst bei Combat“) verweisen.

Kundgebung gegen rechte Gewalt im Kreuz- und Unionviertel am Samstag

Plakate für Kundgebung am Samstag.

Zuletzt waren an der Möllerbrücke – Dreh und Angelpunkt der neuen rechten Gruppierung – neben Nazi-Stickern auch Graffiti mit den Aufschriften „Antifa jagen“, „Hoch lebe Sven Kahlin“ und „Thomas Schulz 2.0“ aufgetaucht. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, dass der Staatsschutz diesbezüglich bereits ermittle und die Polizei für Hinweise auf derartige Graffiti dankbar sei.

„Auf diese Gewalt haben wir keinen Bock. Wer Thomas Schulz 2.0 an die Wand schmiert, gegen den müssen wir uns wehren!“, erklärte ein Redner auf der Gedenkveranstaltung für den getöteten Punker „Schmuddel“.

Um ein Zeichen gegen rechte Gewalt im Kreuz- und Unionviertel zu setzen findet am kommenden Samstag (1. April 2023) um 14 Uhr eine Kundgebung an der U-Bahnhaltestelle Unionstraße statt.

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