Günther Högl-von Achenbach war langjähriger Leiter des Stadtarchivs

Der „Vater“ der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache ist im Alter mit 75 Jahren gestorben

Im Januar 1981 eröffnete nach der Konzeption von Günther Högl die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund von 1933 – 1945“, die später zur Dauerausstellung in der Steinwache wurde.
Im Januar 1981 eröffnete nach der Konzeption von Günther Högl die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund von 1933 – 1945“, die später zur Dauerausstellung in der neu eingerichteten Mahn- und Gedenkstätte Steinwache wurde. Archivfoto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Günther Högl-von Achenbach ist tot. Das Stadtarchiv und die Kulturbetriebe der Stadt Dortmund trauern um den langjährigen Leiter des Archivs, der 2012 in den Ruhestand verabschiedet wurde. Er starb – wie erst jetzt bekannt wurde – bereits am 14. Dezember im Alter von 75 Jahren in Berlin, wo er seit 2020 lebte. Eng mit seiner Person ist die Etablierung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache verknüpft.

1978 kam der bayrische Historiker zum Stadtarchiv nach Dortmund

Günther Högl wurde am 26. Februar 1947 in Pfarrkirchen in Niederbayern geboren, verlebte seine Kindheit und Jugend in Rosenheim und legte sein Abitur 1968 am altsprachlichen Zweig des Humanistischen Nymphenburger Gymnasiums ab.

Zunächst studierte er Medizin, verlegte seine Interessen jedoch auf die Geisteswissenschaften und wechselte 1969 zum Studium der Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften an die Universität München. Seine Schwerpunkte waren die Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung sowie die bayerische Landesgeschichte.

Nach seinem ersten Staatsexamen 1974 und dem Referendariat an einem Münchener Gymnasium war er am Institut für Neuere Geschichte der Universität München tätig, wo er u.a. an seiner Dissertation über das Verhältnis der USPD zu den Gewerkschaften 1916 bis 1922 arbeitete.

Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund von 1933 – 1945“ als Meilenstein

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Archivfoto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

1978 kam Günther Högl als wissenschaftlicher Mitarbeiter ins Stadtarchiv Dortmund.

Seine Aufgaben: die Dokumentation der Geschichte des Rates und der Fraktionen seit 1945, Verfolgung und Widerstand in Dortmund während des Faschismus sowie aktuelle kommunalpolitische Dokumentationen.

Im Januar 1981 eröffnete nach seiner Konzeption die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund von 1933 – 1945“.

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Das ehemalige Gestapo-Gefängnis Steinwache ist heute eine Mahn- und Gedenkstätte. Archivfoto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Sie war zunächst im Stadthaus zu sehen, fand nach positiver Resonanz im In- und Ausland im Museum am Westpark einen vorübergehenden Standort und wurde in neuer Konzeption 1992 in der Mahn- und Gedenkstätte, dem ehemaligen Polizeigefängnis „Steinwache“ in der Dortmunder Nordstadt, eröffnet.

Die Mahn- und Gedenkstätte war von Anfang an sein Herzensprojekt. Bis zum Ausscheiden aus dem Dienst begleitete er deren Arbeit intensiv.

Viel beachtete Ausstellung: „Dortmund im Wiederaufbau 1945-1960“

Neben der Zeit des Nationalsozialismus galt Högl-von Achenbachs Interesse den sozialgeschichtlichen, politischen und kulturellen Aspekten der modernen Großstadtwerdung, der Weimarer Republik und der Nachkriegszeit.

So konzipierte er 1985 eine große Ausstellung „Dortmund im Wiederaufbau 1945-1960“. Auch zur Geschichte der SPD in Dortmund und im Westlichen Westfalen publizierte er einschlägige Texte. Dem Leben und Wirken des ersten frei gewählten Dortmunder Oberbürgermeisters, Fritz Henßler, galt seine besondere Aufmerksamkeit.

Als Geschäftsführer des Historischen Vereins war Günther Högl-von Achenbach langjähriger Herausgeber der „Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“. Er war 1995 maßgeblich an der Neuausrichtung der Zeitschrift „Heimat Dortmund“ beteiligt, die seitdem regelmäßig als Themenheft erscheint.

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Reaktionen

  1. Ulrich Sander

    Am 7. 2. hat die Verwaltung kaltschnäuzig beschließen lassen, die Beweise gegen größte Nazi-Massenmörder aus dem Verkehr zu ziehen. Die Gedenkstätte Steinwache wird gereinigt von dem Material, das die Verbrechen nachweist. So im Themenraum „Die Schwerindustrie setzt auf Hitler“. Dies Material war von Dr. Günther Högl recherchiert worden und ist nur noch bis Ende dieses Jahres Bestandteil der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“. Diese Ausstellung war vor allem Högls Werk. Dortmunds Antifaschisten trauern um ihn. Nun wird behauptet, die Aussagen gegen die Vögler, Springorum, Kirdorf und Co. entsprächen nicht mehr dem neusten Forschungsstand. Das Gegenteil ist richtig. Neue Beweise gibt es für die Verbrechen der Dortmunder Industriellen – so im Buch des führenden Wirtschaftshistorikers Adam Tooze mit dem bezeichnenden Titel „Ökonomie der Zerstörung“ (2007). Was jetzt geschieht, ist so, als wollte man in Nürnberg 1946 Verurteilte rehabilitieren. Vögler wäre dort wohl angeklagt worden, wenn er nicht 1945 vorgezogen hätte, seinem Leben ein Ende zu bereiten.

  2. Monika Niehaus / Ulrich Sander

    Günther Högls Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ habe ausgedient, berichteten die Medien. Diese Einordnung hat der Verstorbene nicht verdient. Eine Gruppe von Pädagogen und Angehörigen von Zeitzeugen richteten daher einen Bürgerantrag an die Stadt. Hier der Wortlaut:

    Betr.: Umgestaltung der Gedenkstätte Steinwache – Bürgerantrag

    Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Westphal!
    Wir legen Ihnen und dem Rat der Stadt Dortmund nach § 24 Gemeindeordnung von NRW (Anregungen und Beschwerden) den folgenden Bürgerantrag vor und bitten um zeitnahe Bearbeitung.
    Wenn der Antrag in den entsprechenden Ausschüssen etc. diskutiert wird, würden wir uns freuen, als Sachverständige hinzugezogen zu werden.
    Bei den Antragssteller:innen handelt es sich um an der Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit interessierte Bürger:innen. Sie sind erst jetzt in der Lage, ihre Vorstellungen zu präsentieren, da Informationen über die Umgestaltung der Gedenkstätte Steinwache erst seit rund fünf Wochen und aus der Berichterstattung der RuhrNachrichten vom 7. November 2022 der Öffentlichkeit vorliegen. Zitat aus RN: „So verwandelt sich die Steinwache“ und „Fest steht, dass die seit 1992 in der Steinwache gezeigte und schon 1981 konzipierte Dauerausstellung unter dem Titel ‚Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 bis 1945‘ a u s g e d i e n t hat.“
    Der Bürgerantrag lautet:
    1. Die Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ verbleibt am jetzigen Standort im Gefängnis der Steinwache. Das denkmalgeschützte Gefängnis erhält keinen Anbau und dokumentiert so weitgehend den Zustand zwischen 1933 und 1945.
    2. Der Gebäudeflügel der ehemaligen Polizeiwache wird leergezogen und für die geplante Ausstellung „Das Haus und seine Insass:innen“ (neuer Arbeitstitel lt. Stadtarchiv, vorher auch ‚Polizei und Gesellschaft in der Nazizeit‘) umgebaut. Damit wird dann auch dieser Gebäudeteil selbstverständlicher Teil der erweiterten Gedenkstätte. Die Kosten für den Umbau werden durch den Verzicht auf den Gefängnisanbau ausgeglichen. Der Verzicht auf den Umbau ist notwendig auch aus Gründen des Denkmalschutzes.
    3. Die Stadtverwaltung als Vermieterin der jetzt von der Auslandsgesellschaft genutzten Räume führt mit der Auslandsgesellschaft Gespräche über eine einvernehmliche Regelung zum Umzug. Ein leerstehendes Gebäude der Innenstadt wird für den Raumbedarf der Auslandsgesellschaft umgebaut. Mit dem Umzug der Weiterbildungseinrichtung wird die City auch am Abend belebt.
    Begründung:
    Das vorgestellte Konzept ermöglicht die harmonische Verbindung der bislang leider nur alternativ diskutierten Ausstellungen. Es bietet sowohl Raum für die Realisierung der neuen Ausstellung „Das Haus und seine Insass:innen“ (wie der Arbeitstitel lautet; mit Insass:innen sind auch Polizisten gemeint) als auch für die Beibehaltung der bisherigen Ausstellung „Widerstand und Verfolgung“. Die Ausweitung der Gedenkstätte auf die Räumlichkeiten der historischen Polizeiwache (heute Sitz der Auslandsgesellschaft, für die ein geeigneter Ort sicher zu finden wäre) erschließt den idealen Ausstellungsraum auch für ein Thema wie „Polizei und Gesellschaft“. Ein besserer Ort für die kritische Aufarbeitung der Polizeigeschichte als die eigentliche Steinwache ist schwer vorstellbar.
    Mit der Polizei- und Insass:innen-Ausstellung in der Steinwache (Vordergebäude) würde zugleich unterstrichen, dass sich die bisherige Ausstellung „Widerstand und Verfolgung“ bereits am denkbar geeignetsten Ort befindet – nämlich im Gefängnistrakt hinter der historischen Polizeiwache.
    Die Antragsteller:innen waren und sind für die Beibehaltung der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung“ an eben diesem Gedenkort. Sie wurde ursprünglich von Aktiven, Zeitzeugen und Familienangehörigen des Dortmunder Widerstands gestaltet und verfügt daher über eine historische Authentizität, die es gerade für nachfolgende Generationen zu erhalten gilt.
    In diesem Zusammenhang sind vor allem zwei Besonderheiten hervorzuheben. „Widerstand und Verfolgung“ thematisiert auch die Vorgeschichte der sogenannten „Machtergreifung“ und richtet dabei den Fokus auf die Rolle der Eliten bei der Etablierung der faschistischen Diktatur. Dieser zentrale Aspekt wird in der heutigen Erinnerungskultur häufig vergessen. Die faschistische Diktatur war kein „brauner Spuk“, der am 30. 1. 1933 über Deutschland hereinbrach und sich nach dem 8.5. 1945 wieder verflüchtigte. Für die Antragsteller:innen ist dagegen die Frage nach den personellen und strukturellen Ursachen des Faschismus, darunter die Rolle der ökonomischen Eliten, ein unverzichtbarer Bestandteil antinazistischer Aufklärungsarbeit.
    Schließlich: Mit dem Verzicht auf einen teuren Neubau wird dem Denkmalschutz an der Nordseite des Hauptbahnhofes wirkungsvoll genüge getan.
    Unterzeichner:innen:
    Günther Bennhardt, Annette Budde, Sigrid Czyrt, Klaus Dillmann, Jannis Gustke, Hajo Koch, Dietmar Kompa, Georg Marschefski, Monika Niehaus, Traute Sander, Ulrich Sander, Peter Sturm, Norbert Weidlich, Sonja Wolle, Walter Schramm

  3. Am Vorabend der Katastrophe: Vortrag in der Steinwache (PM)

    Wie haben die Juden die Ereignisse vor und nach der sogenannten Machtübernahme der Nationalsozialisten wahrgenommen? Mit dieser und anderen Fragen beschäftigt sich am Donnerstag, 16. Februar, 19 Uhr ein Vortrag in der Steinwache (Steinstraße 50). Der Historiker und Politikwissenschaftler Julius Schoeps spricht über „Düstere Vorahnungen. Deutschlands Juden am Vorabend der Katastrophe (1933–1935)“. Er bezieht sich dabei neben der einschlägigen Forschung vor allem auf Lebenszeugnisse, also Erinnerungen, Tagebücher, Briefwechsel und andere Ego-Dokumente. Es geht darum, sich aus der Perspektive der deutschen jüdischen Bevölkerung ein Bild von den Anfangsjahren des NS-Regimes und von ihren Befindlichkeiten und Befürchtungen zu machen.
    dortmund.de/steinwache

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