„Der Dreck muss weg!“ – Nordstadt-Initiative kritisiert Müll-Situation und fordert stärkeres kommunales Engagement

EDG-Container, umzingelt von illegalem Müll, hier Uhlandstraße in der Dortmunder Nordstadt. Foto: Thomas Engel

In der Dortmunder Nordstadt ist eine zunehmende Vermüllung zu beobachten. Das zumindest ist die Wahrnehmung einer neuen Nordstadt-Initiative, die unmissverständlich fordert: „Der Dreck muss weg!“ Und sieht dabei vor allem die Kommune in der Pflicht. Die hatte im August letzten Jahres das erste DEKRA-Zertifikat in Europa als „Stadt mit ausgezeichneter Lebensqualität“ erhalten. Insbesondere die Stadtsauberkeitprogramme hinterließen dabei einen besonders guten Eindruck.

Bewohner*innen nehmen Nordstadt anders wahr, als die DEKRA-Auszeichnung vermuten ließ

„Als Bewohner der Dortmunder Nordstadt fragt man sich beim Lesen solcher Schlagzeilen allerdings, ob die Stadt, die hier ausgezeichnet wurde, dieselbe Stadt ist, in der man lebt. Denn das Stadtbild im Dortmunder Norden hinterlässt alles andere als einen ,besonders guten Eindruck‘. Ganz im Gegenteil“, schreiben die Initiator*innen nun.  ___STEADY_PAYWALL___

Und stellen fest: „Seit einigen Monaten (ironischerweise in etwa genau seit Bekanntwerden der DEKRA-Auszeichnung) häufen sich die illegalen Müllablagerungen in der Nordstadt im Allgemeinen und am Nordmarkt im Speziellen. Quasi jede Baumscheibe oder dunkle Ecke wird als Entsorgungsort für Sperr- und Hausmüll jeglicher Art genutzt; Plastikmüll und Abfall, verursacht durch Passanten, säumen die Straßen, Plätze und Hauseingänge. In einem Ausmaß, das selbst in der Nordstadt in den vergangenen Jahren so nicht zu beobachten war. Die erhöhte Vermüllung ist so stark, dass es sogar der Stadt Dortmund aufgefallen ist.“

Für die Stadt Dortmund stünde mithin offenbar „eine Auszeichnung für besondere Lebensqualität und eine völlig zugemüllte Nordstadt in keinem Widerspruch zueinander“. Sie fragen sich daher: „Wie kann das sein?“

„Vor diesem Hintergrund, die Bilanz des ,Ermittlungsdienst Abfall‘ als Erfolgsmeldung zu verkaufen, ist lächerlich“

Was die etwa 15 Aktivist*innen aus allen Altersgruppen bemängeln, ist die Art und Weise, wie Dortmunder Behörden und Ämter mit dem Problem umgehen. Die Arbeitsweise des Ordnungsamtes sei „in vielen Fällen kontraproduktiv, geprägt sowohl von Gleichgültigkeit als auch Ignoranz bei vermeintlich schwierigen Personengruppen“.

Bauwagen des Ordnungsamt startet auf dem Nordmarkt in die zweite Saison
Anders als EDG-Beschäftigte haben Bedienstete des Ordnungsamtes hoheitliche Befugnisse. Fragt sich nur, ob sie davon Gebrauch machen. Archivfoto: Klaus Hartmann

Müllberge würden tage- bis wochenlang nicht entsorgt, obwohl per App „Dreckpetze“ gemeldet. Dies ließe entweder auf eine absolute Überlastung der Institutionen schließen oder auf eine falsche Priorisierung der verfügbaren Ressourcen.

Noch während die EDG Mitarbeiter*innen Müll aufsammeln, schmissen ihnen andere Personen Müll und Kippenstummel direkt wieder vor die Füße. Auch wenn sich in unmittelbarer Nähe Ordnungshüter aufhielten, fände ein Eingreifen im Sinne einer Belehrung oder gar das Ausstellen eines Bußgeldes nicht statt.

„Vor diesem Hintergrund die Bilanz des ,Ermittlungsdienst Abfall‘ als Erfolgsmeldung zu verkaufen, ist lächerlich“, so die Initiator*innen. Nach einer Pressemitteilung der Stadt Dortmund vom Februar (unten verlinkt) wurden in 7 Monaten „600 mögliche Abfallverursachende ermittelt“. „Dies entspricht 5 Meldungen pro Tag bei 8 Mitarbeitern, welche ausschließlich hierfür bezahlt werden“, empören sich die Aktivist*innen.

Zu dieser „Performance“ passe, dass einige Ordnungsbeamte sich bereits auf zynische Art und Weise der Situation ergeben zu haben scheinen (Zitat: „In manchen Kulturen seien Ratten eben heilige Tiere, was will man da gegen die Müllverursachung unternehmen…“ oder „Das hier ist die Nordstadt. Das ist hier so.“).

In der Nordstadt würde ein Zustand hingenommen, der woanders für einen Aufschrei sorgte

Und genau in dieser Haltung der Ordnungsämter und städtischen Organe läge das Problem: „Es herrscht verbreitet die Annahme, dass in der Nordstadt ein anderer Maßstab in Bezug auf Sauberkeit und Hygiene angelegt werden könne als im Rest der Stadt. Anders sind die Aussagen der städtischen Akteure und die Ignoranz bei der Bewertung der Stadtsauberkeitsprogramme nicht zu erklären.“

Man nähme in der Nordstadt einen Zustand hin, der in anderen Vierteln der Stadt längst für einen Aufschrei gesorgt hätte. „Verwunderlich ist dies nicht, da quasi niemand der verantwortlichen Akteure vor Ort wohnt. Und so lange der Dreck vor dem Hauseingang des anderen und nicht dem eigenen liegt, ist der Druck zum Handeln gering.“

Die Bewohner*innen der Nordstadt hätten ebenso ein Recht auf eine saubere Umgebung wie die übrigen Dortmunder*innen auch. „Daher fordern wir für die Nordstadt eine radikale Verstärkung bei der Vermeidung und Beseitigung von Abfall und Müll. Die Fahndung nach den Verursachern muss massiv erhöht werden, ebenso die Verhängung und Durchsetzung von Strafen. Hier muss aus unserer Sicht als allererstes angesetzt werden, da die Stadt die Kontrolle über die Mülldelikte vollkommen verloren hat!“, so die Akteure.

Gefahr einer fortschreitenden „Gentrifizierung nach unten“ – ?

Gleichzeitig müsse „die Anzahl der Straßenpapierkörbe an Hotspots wie z.B. dem Nordmarkt erhöht werden und die Leerung von Straßenpapierkörben sowie Müllsammelstellen noch weiter verschärft werden“.

Müll auf dem Nordmarkt. Archivfoto: Alex Völkel

Schließlich die Forderung, dass die Stadt sehr viel mehr Ressourcen in Aufklärungsarbeit gegenüber der Bevölkerung stecke, „um ein besseres Bewusstsein dafür zu schaffen, wie Abfallentsorgung in Dortmund funktioniert, welche Regeln und Strafen gelten und wie wichtig ein ökologisches und rücksichtsvolles Verhalten für die Stadt als Lebensraum ist“.

Passiere beim Thema Müll in naher Zukunft nichts, stiege das Risiko, „dass sich neben allen Investitionen in die Nordstadt (Hafen, Borsigplatz, Bahnhof) speziell im Bereich des Nordmarktes eine Ghettoisierung fortsetzt, die momentan sogar noch an Fahrt gewinnt“.

„Dabei ist der Nordmarkt und die Gegend drumherum für viele Bürger*innen weiterhin Heimat und Lebensmittelpunkt, der in vielen Punkten in seiner Veranlagung eine hohe Lebensqualität bietet und das Potential besitzt, ein herausragender Stadtteil im Dortmunder Stadtgebiet zu sein. Wenn sich aber weiter der Eindruck etabliert, die Nordstadt sei ein Stadtteil zweiter Klasse, muss man sich seitens der Stadt Dortmund nicht wundern, wenn die ,Gentrifizierung nach unten‘ weiter voranschreitet.“

Weitere Informationen:

  • Pressemitteilung der Stadt Dortmund zu den Erfolgen des Ermittlungsdiensts Abfall; hier:
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Reaktionen

  1. AndiDo

    „„Vor diesem Hintergrund die Bilanz des ,Ermittlungsdienst Abfall‘ als Erfolgsmeldung zu verkaufen, ist lächerlich“, so die Initiator*innen. Nach einer Pressemitteilung der Stadt Dortmund vom Februar (unten verlinkt) wurden in 7 Monaten „600 mögliche Abfallverursachende ermittelt“. „Dies entspricht 5 Meldungen pro Tag bei 8 Mitarbeitern, welche ausschließlich hierfür bezahlt werden“, empören sich die Aktivist*innen“

    Bei allem Verständnis, aber in den meisten Fällen kann kein Verursacher ermittelt werden und trotzdem erledigen die Damen und Herren vom OA ihre Arbeit. (Es sind nämlich nicht alle so blöd, ihre Adresse auf den illegalen Müllberg zu legen, mal so als Hinweis). Arbeit kann man nämlich nicht nur an Erfolg bemessen. Wirkt ganz schön selbstherrlich. Zu wenig ermittelt -> Nicht richtig gearbeitet.

    Dass es gerade verglichen mit anderen großen Städten sicherlich mehr „Müll-Detektive“ geben sollte, ist denke ich unstrittig.

  2. Markus

    Es scheinen Investitonen im Öffentlichen Raum sehr lange sehr viel stärker als in anderen Teilen der Innenstadt vernachlässigt worden zu sein. Gerade in vielen kleinen Nebenstraßen der Nordstadt sind die Gehwege kaputt, unattraktiv und im Zustand der 90er Jahre oder älter. Ich glaube auch dieser Zustand in der Nordstadt lädt leider zur Vermüllung ein.

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