Das neue Format kam gut an - OB Westphal will es verstetigen

2500 Menschen bei „Nordstadt together“

Erstmals fand der Aktionstag „Nordstadt together – gemeinsam Nachbarschaft leben“ statt. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Manches ist deutlich besser als sein Ruf – etwa die Nordstadt. Das zeigte sich beim Aktionstag „Nordstadt together – gemeinsam Nachbarschaft leben“, zu dem Oberbürgermeister Thomas Westphal ins Dietrich-Keuning-Haus eingeladen hatte – über 2.500 Gäste kamen nach Angaben der Stadt Dortmund.

Fast 40 Stände von Vereinen, Initiativen und städtischen Akteur:innen informieren

Sobald der Begriff „Nordstadt“ fällt, scheint das schlechte Image vorprogrammiert. Dass die Nordstadt jedoch bunt und vielfältig ist, zeigte der Aktionstag im Dietrich-Keuning-Haus (DKH).

Am Stand der Anne Frank-Gesamtschule. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

In zwei Podiumsdiskussionen, die Journalistin Shary Reeves moderierte, nahmen Oberbürgermeister Westphal und weitere Podiumsgäste Stellung zur Nordstadt als diverses, aktives und auch herausforderndes Quartier – immerhin ist es das jüngste und diverseste unter den insgesamt 12 Dortmunder Bezirken.

Fast 40 Stände von Vereinen, Initiativen und städtischen Akteur:innen informierten schon vor den Podiumsdiskussionen die Gäste über ihre Angebote und ihr Engagement speziell in der Nordstadt. Das kulturelle Rahmenprogramm der Veranstaltung bildeten ein Wintermarkt auf dem DKH-Vorplatz und Musik unter anderem von der hauseigenen Keuning-Band. Die kleinen Gäste konnten während der Veranstaltung an Kreativ- und Bewegungsangeboten teilnehmen.

Helfen und unterstützen, um Wege zu bereiten

Shary Reeves moderiert die Diskussion. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

In der ersten Runde der Diskussion ging es um eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands der Nordstadt. Zum Einstieg fragte Reeves, wie es sein könne, dass sich nach Jahrzehntelangen Diskussionen etwa über Armut, verwahrloste Ecken und Problemhäuser die Schwierigkeiten noch immer nicht gelöst zu sein scheinen.

Westphal dazu: „Es hat Veränderungen gegeben und es gibt sie weiterhin, beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit in der Nordstadt zurückgegangen, auch wenn sie noch nicht da ist, wo wir sie haben wollen.“ 

Die Nordstadt sei ein Jobmotor in Dortmund geworden, erklärte er. 27.000 Menschen arbeiten in diesem Bezirk. Die Problemlagen seien deshalb immer wieder neu, weil immer wieder neue Generationen arbeiten müssten. „Wir haben mit vielen Generationen Erfolge erzielt.“ Hierbei verwies Westphal auf das DKH als offenes Haus: „Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die unterstützen und helfen, den eigenen Weg gehen zu können. Dafür steht das DKH und die gesamte Unterstützungsarbeit.“ 

Ricarda Erdmann, Leiterin der AWO Migrations- und Integrationsdienste Dortmund Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Ricarda Erdmann, Leiterin der AWO Migrations- und Integrationsdienste Dortmund, konkretisierte: „Wir fangen nicht immer von vorne an, vielmehr sind die Herausforderungen immer neu. Zum Beispiel kamen vor zehn Jahren im Zuge der Osterweiterung Roma aus Rumänien und Bulgarien in die Nordstadt. Die Herausforderungen, die mit den Menschen gekommen sind, kannten wir damals nicht. Inzwischen gibt es die Selbstorganisation Romano Than – wir sind hier tatsächlich weitergekommen.“ 

Erdmanns Forderung, pragmatischer und schneller zu arbeiten, geht insbesondere an die Verwaltungen der EU, des Bundes und des Landes. Denn deren Entscheidungen müssten am Ende in den Kommunen umgesetzt und letztlich gelebt werden. In diesem Zusammenhang verwies Erdmann darauf, dass die Dortmunder Stadtverwaltung partnerschaftlich mit anderen Akteur*innen zum Thema Nordstadt kooperiert. 

Neue Sichtweisen prägen: „Von uns kann man eine Menge lernen“

Oberbürgermeister Thomas Westphal in der Diskussion mit Annette Kritzler. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Der Kulturvermittlerin und Geschäftsführerin der Borsigplatz-Verführungen, Annette Kritzler, ist es  wichtig, einen Beitrag zur Aufwertung der Nordstadt zu leisten und den Bezirk so zu zeigen, wie er ist.

Ihr Blick ist dabei der einer Einwohnerin: „Ich lebe selbst in der Nordstadt. Mit den Führungen rund um den Borsigplatz im Dortmunder Norden gehen Themen einher wie etwa Fußball, natürlich, aber auch Nachhaltigkeit, die Arbeit von sozialen Institutionen im Bezirk oder die der unterschiedlichen Gotteshäuser. Sie ist überzeugt: „Menschen, die vorurteilsbehaftet mit unseren Führungen unterwegs sind, gehen mit einem anderen Blick nach Hause. Es gelingt uns sehr gut, den Blick auf die Nordstadt zu verändern.“

Mirza Demirović, Projektkoordinator der Nordstadtliga und ehemaliger Streetworker. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Kritzler betrachtet „ihren“ Bezirk als Meltingpot: „Von uns kann man eine Menge lernen. Dortmund wird in anderen Städten als Vorbild bemüht – zu Recht, denn die interkulturelle Kompetenz ist kaum zu toppen.“ Sie wünschte sich, dass diese Kompetenz, allzumal in der Nordstadt, nicht als Makel, sondern vielmehr als große Chance wahrgenommen würde. 

Mirza Demirović, Projektkoordinator Nordstadtliga und ehemaliger Streetworker, zeigte sich optimistisch: „Wir sind auf einen guten Weg. Es hat sich viel verändert. Wir haben gelernt, mit Betroffenen zu sprechen, sie in die Planung mit hineinzunehmen und sie nicht als Problem, sondern als Ressource wahrzunehmen.“ 

Tempo beim Bau von Kitas und Schulen

Eine Frage aus dem Publikum zielte auf Kinder und Jugendliche ab und wie die Stadt mehr für junge Menschen in der Nordstadt machen kann. Oberbürgermeister Westphal darauf: „Dieser Stadtteil mit den meisten Menschen unter 18 Jahre benötigt noch mehr Leistungen im Bereich von Kitas und Schulen. Wir haben Anfang des Jahres Ressourcen gebündelt, weil wir hier schneller werden müssen.“

Auch Zuschauer:Innen haben Fragen. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Allerdings verwies er auch darauf, dass der Bau von Kitas und Schulen mit der Schnelligkeit des aktuellen Bedarfs nicht Schritt halten könne. In den letzten 11 Jahren seien fast 50.000 neue Menschen mit ihren Kindern in Dortmund aufgenommen worden: „Wir tun alles, um die Geschwindigkeit zu erhöhen und gute Zwischenlösungen zu finden.“

Die Frage nach der Gründung eines Kulturzentrums für Menschen aus afrikanischen Ländern beantwortet Westphal positiv: „Ich finde die Idee prima, wir müssen nur sehen, wie wir sie umgesetzt bekommen. Wir müssen darüber reden, was genau die Funktion sein kann und welche Räume es dafür gibt.“ 

Das Ziel ist eine gute Nachbarschaft in der Nordstadt

In der zweiten Runde ging es um die Frage, wie es perspektivisch mit der Nordstadt weitergehen soll. „Die Nordstadt muss ein Bezirk des Bleibens werden, nicht nur des Ankommens“, so Westphal. „Das Ziel ist, dass die, die da sind, mit denen, die ankommen, nachbarschaftlich gut zusammenleben können.“

Alma Tamborini, Rektorin der Nordmarkt-Grundschule. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Dabei sollen die Mieten bezahlbar bleiben. Westphal versicherte: „Daran arbeiten wir, indem wir mit den großen Wohnungsbaugesellschaften kooperieren, die sich ihrer gesellschaftlichen Verpflichtungen bewusst sind, genauso kooperieren wir mit privaten Vermietern, die seit Jahren auf Mieterhöhungen verzichten.“ 

Alma Tamborini, Rektorin der Nordmarkt Grundschule, ging auf den Aspekt der mangelnden Grundversorgung ein: „Wir haben Kinder, die hungrig zur Schule kommen. Bei uns gibt es Frühstück, ein warmes Mittagessen, denn wer den Magen nicht voll hat, kann auch nicht lernen.“ Die Nordmark Grundschule besuchen 435 Kinder aus 25 Nationen. Es gibt ein monatliches Kinderparlament. Die Kinder treffen sich mit Tamborini und ihrer Kon-Rektorin, um ihre Wünsche und Vorstellungen und die ihrer Mitschüler*innen zu erarbeiten.

Respekt vor unterschiedlichen Biografien

Prof. Dr. Sebastian Kurtenbach Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

„Wir wissen ganz viel“, verwies Dr. Sebastian Kurtenbach, Professor für Politikwissenschaften an der FH Münster, auf ein dringliches Problem, „allerdings hapert es an der Umsetzung des Wissens.“

Westphal erklärte darauf, dass Beschlüsse im Bundestag getroffen würden, etwa den Rechtsanspruch auf Ganztagsschulen oder einen Kita-Platz. Die dazu benötigten finanziellen Mittel und weitere Ressourcen würden dabei nicht mitgedacht. Während Bund und Land noch über Gelder stritten, müssten die Kommunen das Problem lösen, denen es an eben diesen Geldern und Strukturen mangele. 

Aysun Tekin, Leiterin von „Unternehmen.Bilden.Vielfalt“. Klaus Hartmann für nordstadtblogger.de

Ein weiteres großes Thema der Runde war die Chancengerechtigkeit, insbesondere für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen. Dazu nahm Aysun Tekin, Leiterin von „Unternehmen.Bilden.Vielfalt“, Stellung: „In der Nordstadt passiert viel, allein im Bereich migrantischer Arbeitsverhältnisse. Allerdings muss sich in den Köpfen der Unternehmer einiges ändern.“ Denn manchmal reichen der Name oder die „falsche“ Postleitzahl, um potenzielle Auszubildene abzulehnen.

„Wir arbeiten eng mit Unternehmen zusammen, um auf die Kompetenzen der jungen Menschen und ihre Vielfältigkeit hinzuweisen, damit sie sich durch Praktika beweisen können.“ Dazu Westphal: „Es gibt unterschiedlichste Biografien. Was wir brauchen, ist der Respekt voreinander!“

Insgesamt zieht Wesphal – nicht nur wegen der hohen Zahl der Teilnehmenden – ein sehr positives Fazit:. Es sei gut gewesen, dass nicht nur „Schönwetter“-Themen auf den Tisch gekommen seien. Der OB kündigte an, dass das Format im Dietrich-Keuning-Haus verstetigt werden soll.

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