„WIR auf der Kluse“: Das Wohnprojekt in Dortmund-Hörde will eine generationsübergreifende Gemeinschaft schaffen

Die Pläne für das gemeinschaftliche Wohnprojekt sind fertig.
Die Pläne für das gemeinschaftliche Wohnbauprojekt auf der Kruse sind weitgehend fertig. Bild: WIR-Verein

Von Lisa König

In Dortmund-Hörde soll in den nächsten Jahren ein generationsübergreifendes Wohnprojekt Gestalt annehmen. Noch heißt das Projekt „WIR auf der Kluse“, benannt nach der Straße, an der das Baugrundstück liegt. Doch für die  elf Häuser und 14 Geschosswohnungen, die geplant sind, wird extra eine neue Erschließungsstraße gebaut werden. Dann wird es vielleicht auch Zeit für einen neuen Namen. Das Projekt ist Teil des WIR-Vereins, der schon mehrere Wohnprojekte in Dortmund verwirklicht hat.

Der Verein ist das Dach für die unterschiedlichen Ideen.“ – Dörthe Kanschik, zukünftige Bewohnerin

„Der Kern des Projektes bestand vor allem aus jungen Familien“, erzählt Dörte Kanschik. Sie wird zusammen mit ihrem Mann, Holger Kanschik, und den Söhnen Linus und Joshua in eines der Reihenhäuser ziehen. „Uns war schon länger klar, dass wir mit Kindern dauerhaft nicht im vierten Stock wohnen wollen. Und dann haben wir zufällig mitbekommen, dass ein neues WIR-Projekt ganz bei uns in der Nähe geplant ist. Das war für uns wie ein Zeichen.“

Holger und Dörte Kanschik mit Sohn Linus; der zweite Sohn Joshua ist gerade im Kindergarten.  Foto: Lisa König

Der WIR-Verein (Wohnen Innovativ Realisieren) ist ein gemeinnütziger Verein, der mit dem Ziel gegründet wurde, gemeinschaftliche und generationsübergreifende Wohnprojekte zu realisieren. Mittlerweile gibt es schon einige WIR-Wohnprojekte in Dortmund.

„Wir sind 2015 sozusagen noch mit reingerutscht“, erinnert sich Dörte Kanschik. „Kurz danach haben wir die Gruppe erstmal zu gemacht. Mit zu vielen Beteiligten kann man keine Entscheidungen treffen. Und es sollte erstmal richtig losgehen.“ Dabei seien die Erfahrungen der anderen WIR-Projekte eine große Hilfe gewesen.

„Der Verein ist sozusagen das Dach für die unterschiedlichen Ideen. Er ist projektübergreifend und so konnten wir auch mal bei anderen, schon bestehenden Projekten reinhorchen. Durch bewährte Mechanismen wie dem Stammarchitekten und einem zuverlässigen Finanzdienstleister konnten wir vieles recht schnell klären. Und auch die Satzung des Vereines hat schon einiges festgelegt, so musste nicht alles neu verhandelt werden.“ Das sei auch gut so, denn mit der Zeit sei das Projekt immer komplexer geworden.

Das ganze Projekt ist in kleine Arbeitsgruppen aufgeteilt, die sich um einzelne Bereiche kümmern. Es gäbe zwar regelmäßig große Versammlungen. Aber bei so vielen Beteiligten sei es einfacher, die ersten Ideen in Kleingruppen zu diskutieren.

Ein Gemeinschaftshaus soll der Treffpunkt für alle BewohnerInnen werden

Auf den insgesamt 6.265 m² sollen 25 Wohneinheiten entstehen. Neben zwei Doppelhaushälften und neun Reihenhäusern sind noch 14 Mehrfamilienhäuser geplant. Dazwischen soll es ein Gemeinschaftshaus geben, das der Treffpunkt für alle BewohnerInnen ist. Dörte Kanschik: „Mal schauen, was dann konkret da gemacht wird. Wir könnten zusammen Tatort schauen, Yoga Kurse machen, Kochen und Feiern und unsere Versammlungen abhalten.“ Für größere Projekte wie einem Chor könne man sich auch vorstellen, die Räume für Leute aus der Nachbarschaft zu öffnen.

Außerdem bestehe noch die Möglichkeit, von der Emschergenossenschaft ein angrenzendes Grundstück als Gartenfläche zu kaufen. „Das steht aber noch nicht fest“, so Holger Kanschik. „Bedingung für den Kauf ist, dass die Stadt unserem Bauantrag zustimmt. Aber die Fläche wurde erstmal für uns reserviert. Wegen den 25 Prozent an öffentlich geförderten Wohnungen brauchen wir die Zustimmung der Stadt für die Umsetzung unseres Projektes.“ Mit dem Grundstück der Emschergenossenschaft würde das Projekt noch um 1.500 m² Gartenfläche wachsen.

„In Bezug auf die Kosten haben wir alles vertraglich geregelt“, erklärt Holger Kanschik. „Die Wohneinheiten sind die eigene Sache der jeweiligen Bewohner. Da muss jeder schauen, wie er es finanziert und ob es Möglichkeiten zur Förderung gibt. Für die Kosten am gesamten Grundstück muss aber jeder anteilig einstehen. Wir haben uns bemüht, einen möglichst fairen Verteilungsschlüssel zu finden. Ob das bis in den letzten Funken geklappt hat, ist immer die Frage. Aber bisher hat sich noch niemand beschwert.“

Sollte jemand im Laufe der Zeit ausziehen, wird sein Anteil des Grundstücks an die nächsten BewohnerInnen weiter verkauft. „Bei diesen Verhandlungen waren wir erstaunlich pragmatisch“, erinnert sich Dörte Kanschik. „Starke Konfliktpunkte gab es eigentlich noch nie. Ich denke, der Wunsch von allen, dass es möglichst schnell voran geht, hat für eine große Kompromissbereitschaft gesorgt.“

Die Pläne für das gemeinschaftliche Wohnprojekt sind fertig.
Wichtig ist allen Beteiligten, dass es in ihrer Gemeinschaft untereinander „passt“. Bild: WIR-Verein

Die Chemie muss stimmen, deshalb haben die Beteiligten ein Vetorecht bei neuen BewohnerInnen

Momentan sind 15 Familien und fünf Paare oder Einzelpersonen an dem Projekt beteiligt. Miteingerechnet allerdings auch InvestorInnen, die die Wohneinheiten vermieten wollen. „Voraussetzung war aber, dass wir Bewohner mitbestimmen dürfen, wer in die Wohnungen einzieht“, bekräftigt Holger Kanschik.

„Generell ist es uns wichtig, dass die Chemie zwischen den Bewohnern stimmt. Wir suchen noch ein paar Leute. Zwei Wohnungen stehen zur freien Nutzung zur Verfügung. Außerdem zwei öffentlich geförderte Wohnungen, für die wir noch Käufer suchen. Aber jeder, der bislang schon am Projekt beteiligt ist, hat ein Vetorecht, falls es mal überhaupt nicht passen sollte.“

Über die drei Jahre Zusammenarbeit hinweg seien schon richtige Freundschaften entstanden. „Das ist ja das Ziel unseres Projektes: Wir wollen eine Gemeinschaft werden, die einander hilft und unterstützt. Und so haben wir das Glück, unsere Nachbarn schon kennenzulernen, bevor wir einziehen. Deshalb fahren wir einmal im Jahr für ein Wochenende weg, damit sich alle besser kennenlernen. Aber auch so versuchen wir, oft etwas zusammen zu unternehmen.“

Ebenfalls wichtiger Aspekt dabei sei, dass sich auch die Kinder schon vorher kennenlernen. Ziel des Projektes ist zwar eine durchmischte Gruppe von Jung bis Alt. Doch momentan sei es noch ziemlich familienlastig. „Insgesamt sind schon fast 30 Kinder dabei. Manche davon leben in Patchworkfamilien, also werden sie nicht ständig da sein. Aber besonders im Alter von vier bis fünf Jahren gibt es bei uns irgendwie ein Ballungszentrum. Das älteste Kind ist 14 Jahre alt. Da gibt es dann ganz schön viele Babysitterjobs“, lacht Dörte Kanschik mit einem Blick auf ihren sieben Monate alten Linus.

Insgesamt ist das Projekt schon sehr konkret. Ein Bebauungsplan sei bereits beschlossen worden, momentan warte man auf die Baugenehmigung für die Erschließungsstraße. „Ohne die geht nichts“, erklärt Holger Kanschik. „Wenn es gut läuft, kann der Bau dafür noch dieses Jahr beginnen. Je nach Wetter hoffen wir, dann im Spätfrühling oder Sommer nächsten Jahres mit dem Wohnungsbau starten zu können.“

Die neue Straße bekommt übrigens auch einen neuen Namen. Dafür dürfe der Verein sogar Vorschläge an die Stadtverwaltung machen. „2020 können wir dann vermutlich einziehen“, so Dörte Kanschik. „Gedanklich ist man aber schon viel weiter. Wir müssen jetzt schon überlegen, wie unsere Küche aussehen soll, weil wir entscheiden müssen, wo die Steckdosen hin sollen. Da ist es schon ein seltsames Gefühl, dass der Einzug noch so lange hin ist.“

Mehr Infos: Wohnprojekte und -initiativen sowie Experten stellen sich vor

Folgende Wohnprojekte und -initiativen sowie Experten gemeinschaftlicher Wohnprojekte stellen sich am Sonntag, 16. September 2018, vor:

  • 10 bis 12 Uhr Mehrgenerationen-Wohnen „WIR auf Phoenix“ und Gemeinschaftliches Wohnen „Gemeinsam statt einsam“und Mehrgenerationen-Wohnen „WIR auf der Kluse“, Lange Hecke 49, Dortmund-Hörde
  • 11 bis 13 Uhr Mehrgenerationen-Wohnen „WIR am Phoenixsee“ Architekt: Post / Welters Architekten und Stadtplaner GmbH und Gemeinschaftliches Wohnen „Hand-in-Hand nachHALTige Wohnkultur“,
    An den Emscherauen 2 – 8a, Dortmund-Hörde
  • 12 bis 14 Uhr Inklusives Wohnen „Mosaik e.V.“,
    Winterkampweg, Dortmund-Eving
  • 13 bis 15 Uhr Genossenschaftliches Wohnen „Verein gemeinsam – nicht einsam e.V.“
    Kleingartenanlage Westerholz e.V., Schützenstr. 196, Dortmund
  • 14 bis 16 Uhr Gemeinschaftliches Wohnen und Leben von Frauen „Beginenhof Dortmund“ und
    Gemeinschaftliches Wohnen „Buntes Wohnen e.V.“
    Gut-Heil-Straße 18, Dortmund-Nordstadt
  • Das Service-Team „…anders wohnen – anders leben…“ im Amt für Wohnen und Stadterneuerung organisiert den Tag des offenen Wohnprojektes. Bereits seit 2007 berät und unterstützt das Team Interessierte an neuen Lebens- und Wohnformen bei der Realisierung ihrer Wohnprojekte.
  • Die Veranstaltungsflyer zum Tag des offenen Wohnprojektes liegen ab sofort in Bezirksverwaltungsstellen, im Rathaus, in der Berswordthalle, in Familien- und Seniorenbüros sowie im Amt für Wohnen und Stadterneuerung öffentlich aus.
  • Weitere Informationen gibt es beim Service-Team „…anders wohnen – anders leben…“, Amt für Wohnen und Stadterneuerung, Südwall 2-4, Dortmund, Telefon 50-23938 oder 50-23921, www.wohnungsamt.dortmund.de, wohnungsamt@dortmund.de
  • Das Programm als PDF zum Download: Flyer Tag des offenen Wohnprojektes 2018

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Reaktionen

  1. Stadt Dortmund

    4. Tag des offenen Wohnprojektes am 16. September: Wohnprojekte besichtigen, Wohninitiativen kennenlernen, mit Experten sprechen

    In Dortmund hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer gemeinschaftsorientierter Wohnprojekte entwickelt. Und dieser Trend hält an. Der Wunsch des Wohnens unter und mit Gleichgesinnten geht einher mit einem Lebensgefühl, das von Aufbruch, Unternehmensgeist und dem Ideal lebenslanger Selbstbestimmung geprägt ist. Das Abenteuer „Neues Wohnen mit Nachbarschaft“ steht für neue kommunikative Lebenskonzepte. Diese gilt es zu unterstützen und voranzutreiben.

    Deshalb lädt das Service-Team „…anders wohnen – anders leben…“ im Amt für Wohnen und Stadterneuerung der Stadt Dortmund in diesem Jahr bereits zum vierten Mal zum Tag des offenen Wohnprojektes ein. Am Sonntag, 16. September 2018, von 10 bis 16 Uhr stellen sich Wohnprojekte und Wohninitiativen vor und ermöglichen den Dialog mit Experten.

    Der Tag des offenen Wohnprojektes bietet Interessierten erneut Einblicke in die unterschiedlichsten Wohnformen und Hausgemeinschaften. Dazu stellen sich verschiedene Wohnprojekte vor, die bereits gemeinsam wohnen sowie Initiativen, die dies planen und noch Mitglieder suchen. Auch Experten, die Unterstützung für Wohnprojekte anbieten, sind vor Ort.

    „Ich begrüße es, dass auch in diesem Jahr wieder bestehende Projekte ihre Erfahrungen weitergeben, Projekte in Gründung von ihren Fortschritten berichten und sich erstmalig teilnehmende Initiativen vorstellen“, sagt Planungsdezernent Ludger Wilde. „Dank dieser Unterstützung ist es möglich, neue gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte voranzutreiben und weiter zu entwickeln.“

    Bewohner beantworten Fragen und führen durch Wohnanlagen

    Drei bereits realisierte Wohnprojekte öffnen am Sonntag, 16. September 2018, ihre Türen. Bewohner beantworten Fragen zur Umsetzung und bieten Führungen durch die Wohnanlagen an. Außerdem informieren an diesem Tag die Initiatoren von sechs Wohnprojekten unterschiedlichster Zielrichtung und Projektstände, die sich noch in der Gründungsphase befinden, über ihre Vorstellungen von gemeinschaftlichem Zusammenwohnen. Diese reichen von einer Seniorengemeinschaft über Mehrgenerationenwohnen und Gemeinschaftlichem Wohnen von Frauen bis hin zum Wohnen von Menschen mit und ohne Hilfebedarf.

    Folgender Ablauf des Tages des offenen Wohnprojektes am Sonntag, 16. September 2018, ist geplant:

    10 bis 12 Uhr Mehrgenerationen-Wohnen „WIR auf Phoenix“ und Gemeinschaftliches Wohnen „Gemeinsam statt einsam“ und Mehrgenerationen-Wohnen „WIR auf der Kluse“,
    Lange Hecke 49, Dortmund-Hörde

    11 bis 13 Uhr Mehrgenerationen-Wohnen „WIR am Phoenixsee“ Architekt: Post / Welters Architekten und Stadtplaner GmbH und Gemeinschaftliches Wohnen „Hand-in-Hand nachHALTige Wohnkultur“,
    An den Emscherauen 2 – 8a, Dortmund-Hörde

    12 bis 14 Uhr Inklusives Wohnen „Mosaik e.V.“,
    Winterkampweg, Dortmund-Eving

    13 bis 15 Uhr Genossenschaftliches Wohnen „Verein gemeinsam – nicht einsam e.V.“
    Kleingartenanlage Westerholz e.V., Schützenstr. 196, Dortmund

    14 bis 16 Uhr Gemeinschaftliches Wohnen und Leben von Frauen „Beginenhof Dortmund“ und
    Gemeinschaftliches Wohnen „Buntes Wohnen e.V.“
    Gut-Heil-Straße 18, Dortmund-Nordstadt

    Das Service-Team „…anders wohnen – anders leben…“ im Amt für Wohnen und Stadterneuerung organisiert den Tag des offenen Wohnprojektes. Bereits seit 2007 berät und unterstützt das Team Interessierte an neuen Lebens- und Wohnformen bei der Realisierung ihrer Wohnprojekte.

    Weitere Informationen

    Weitere Informationen gibt es beim Service-Team „…anders wohnen – anders leben…“, Amt für Wohnen und Stadterneuerung, Südwall 2-4, Dortmund, Telefon 50-23938 oder 50-23921, http://www.wohnungsamt.dortmund.de, wohnungsamt@dortmund.de

    • Hahmann

      Für „Ihr“ Wohnprojekt leben in Gemeinschaft mussten bzw. müssen jetzt wieder Gärtner, die dort teilweise schon 20 Jahre ihren Garten haben weichen. Reichte es nicht, das auf dem großen Stück alle ihre Gärten abgeben mussten. Nun nehmen „Sie“ den Anderen auch noch ihre, mit viel Arbeit geschaffene, kleine Idylle weg.
      Habe den Zeitungsartikel gelesen, deshalb wurde ich darauf aufmerksam, und hab mich mal schlau gemacht. Sonst erfährt man ja so was nicht.
      Auf „Ihrer“ Seite schreiben „Sie“ auf gute Nachbarschaft. Mit denen haben „Sie“ doch sowieso nichts zu tun, „Sie“ errichten dort „Ihre“ eigene kleine Welt.

  2. Offener Brief vom Verein Buntes Wohnen e.V. Dortmund

    Offener Brief vom Verein Buntes Wohnen e.V. Dortmund, 4. Februar 2019

    Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Sierau, sehr geehrter Herr Stüdemann, sehr geehrter Herr Wilde, sehr geehrter Rat der Stadt Dortmund,

    in Dortmund gibt es seit vielen Jahren umtriebige und gut miteinander vernetzte Initiativgruppen, die sich mit viel Herzblut für das Thema gemeinschaftliches Wohnen engagieren. Der Verein Buntes Wohnen, Initiator dieses Briefes, gehört auch dazu. Wir alle sind Ansprechpartner*innen für Interessierte, die sich unter anderem bei dem von Buntes Wohnen initiierten monatlichen Netzwerktreffen austauschen können. Zudem stehen wir seit geraumer Zeit im Kontakt mit vielen entscheidenden Stellen der Stadt Dortmund, um unseren Traum vom generationenübergreifenden, für alle offenen, bereichernden Wohnprojekt zu verwirklichen. Warum also wohnen wir noch immer nicht in gemeinschaftlichen Wohnprojekten in dieser Stadt? Warum gibt es in Dortmund so wenige alternative und sozialverträgliche Wohnprojekte wie beispielsweise die im Folgenden dargestellten und existierenden Wohnprojekte in ganz Deutschland?

    Gießen. Ein altes Kasernengebäude, 1800 m² Wohnfläche, 4000 m² großes Gartengrundstück, 20 Wohneinheiten, Gemeinschaftsräume. Ein gemeinschaftliches Wohnprojekt[1] mit 46 Bewohnerinnen in zentraler und grüner Lage. Die Miete: 5,30 € kalt.

    Hannover. Eine alte Schule wird von einer Wohnprojektinitiative[1] erworben und in bezahlbaren Wohnraum für eine heterogene Mischung an Bewohner*innen verwandelt. Auf über 2800 m² wohnen 72 Menschen für unter 6 €/m².
    Freiburg. Trotz hoher Miet- und Immobilienpreise gibt es zahlreiche soziale Wohnprojekte[1], generationenübergreifend, gut angebunden, bezahlbar (Kaltmieten um 6 €). In Vergabeverfahren bekommen regelmäßig Projektinitiativen den Zuschlag, die nicht höchstmögliche Gewinne versprechen, sondern überzeugende soziale Konzepte präsentieren.

    „Angebote“ von Seiten der Stadt Dortmund an uns gab es immer wieder. Städtische Verwaltungsobjekte wurden abgestoßen, alte Schulgebäude umgenutzt, Neubaugebiete erschlossen. »Interessenbekundungsverfahren« ist für uns kein Fremdwort mehr – wir schrieben Konzepte, schlugen alternative Nutzungen von Gebäuden und kulturelle Aufwertungen von Quartieren vor. Wir planten Wohnungen für Alleinerziehende – auch ohne Wohnberechtigungsschein! – Gemeinschaftsküchen, Kulturcafés, Werkstätten, Kitas, Eltern-Kind-Büros, barrierefreie Wohneinheiten, Gemeinschaftsgärten, Räume für Veranstaltungen und Begegnungen. Wir zeichneten Wohnungsgrundrisse und durchbrachen gedanklich Wände. Was wir nicht vorzuweisen hatten, waren allein Geld und Referenzen. Grundstücke der Stadt Dortmund werden nach Bodenrichtwert verkauft. Das bedeutet für ein großes altes, innenstadtnahes Schulgelände schnell 1.500.000 € – noch ohne Berücksichtigung des Gebäudewertes. Was für einen Investor mit der Absicht, Luxuswohnungen im Hochpreissegment zu errichten, ein kleiner Fisch ist, stellt uns vor unüberwindbare finanzielle Hürden.

    Es gibt eine lebhafte Wohnprojekte-Landschaft in Dortmund. Gerade entsteht das achte Projekt unter dem Dach des WIR-Vereins[www.wir-dortmund.de / Auf gemeinschaftliche Wohnform ausgerichtete Neubauprojekte.]. Diese sehr begrüßenswerte Bewegung ist für viele Menschen aus finanziellen Gründen nicht zugänglich: Es handelt sich in der überwiegenden Mehrheit um Eigentumswohnungen, in nur wenigen Fällen um Mietwohnungen, die sich insbesondere für mehrköpfige Familien nur mit (mehreren) hohen Einkommen bezahlen lassen. Gerade denjenigen, deren Einkommen knapp oberhalb der Grenze zum Wohnberechtigungsschein liegen, bleibt diese Form des gemeinschaftlichen Wohnens verwehrt. Ein Zeichen sozialer Ungerechtigkeit!
     
    Wünscht die Stadt Dortmund keine alternativen Wohnformen? Kann sie uns nicht mit erleichterten Bedingungen (z. B. Vergabe außerhalb von Interessenbekundungsverfahren, Vergaben unterhalb des Bodenrichtwerts, Kollaboration bei der Entwicklung von Bauplänen) entgegenkommen? In welchem Wohnprojekt möchte die Stadt Dortmund die Familie mit drei kleinen Kindern sehen, deren Eltern im sozialen Bereich arbeiten, wo wohnt das Rentnerehepaar, das sich kein Eigentum leisten will, wo die studentische WG, die eine Bereicherung für eine weltoffene Gemeinschaft darstellen könnte, wo die Geflüchteten, die Alleinerziehende mit zwei Kleinkindern, der Alleinstehende, der von Harz IV leben muss? In einer generationenübergreifenden, solidarischen, familiären Gemeinschaft zu leben, darf nicht den Wohlhabenden vorbehalten bleiben!

    Wir fordern:

    – Die Beschlussvorlage vom 7.2. 2018 zur Vergabe von städtischen Grundstücken muss zeitnah konkretisiert werden: die Bedingungen für die Vergabe von 10 % der Bauflächen an Baugemeinschaften/Wohnprojekte dürfen diese nicht in Randgebiete der Stadt zwingen.

    – Die Beschlussvorlage muss auch städtische Gebäude betreffen, nicht nur Bauflächen.

    – Zentrale Lagen und gute Verkehrsanbindung müssen auch für Geringverdiener*innen angeboten werden.

    – Die Stadt muss bei Prioritätensetzung auf Vergaben an alternative Projektinitiativen die finanziellen Aspekte hintanstellen.

    – Stadteigene Gebäude und Grundstücke sollten zu Sonderkonditionen und unabhängig vom Wettbewerb mit Investoren an Projektinitiativen vergeben werden.

    – Die Vergabe von geeigneten Grundstücken und Gebäuden muss die Punkte Mietpreisbindung und günstigste Miete als Bedingung berücksichtigen, da damit alternative und sozialverträgliche Wohnformen zum Zuge kommen können.
    Der Ausverkauf der Stadt muss verhindert werden: Investoren treiben Mietpreise in die Höhe und verhindern das Schaffen bezahlbaren Wohnraums.

    Sollten beispielsweise ehemalige Schul- und Verwaltungsgebäude der Stadt zu großzügigen Luxuswohnungen saniert werden – oder kann gerade hier durch Wohnprojektinitiativen dauerhaft günstiger Wohnraum realisiert werden; durch niedrige Mieten über die 20 Jahre hinaus, die für geförderten Wohnraum vorgesehen sind? Verzichten Sie für sozialverträgliche und den Stadtteil belebende Wohnkonzepte auf das »schnelle Geld« von Investoren!

    Wir freuen uns über die Möglichkeit eines zeitnahen Gesprächs.

    Für Buntes Wohnen e. V., Vorstände: Maja Surkamp, Uwe Holtappel

    Unterstützer*nnen sind: W.I.R. e.V. mit ergänzendem Schreiben, Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. mit ergänzendem Schreiben, Wohnprojektverein Hand in Hand – gemeinschaftlich wohnen in Dortmund e.V.

    Wie Sie uns erreichen: Buntes Wohnen e. V. c/o Café Aufbruch anders besser leben e.V. Hintere Schildstr. 18 44263 Dortmund

    wohnprojekt_do@gmx.de, http://www.buntes-wohnen-dortmund.de

    [1] Unsere Beispiele beziehen sich auf Projekte nach dem Modell des Mietshäusersyndikats (www.syndikat.org). Die Immobilien werden von einer von den Mieter*innen gegründeten GmbH erworben und anschließend selbst verwaltet. Bezahlbarer, entprivatisierter Wohnraum und ein gemeinschaftliches Miteinander sind wichtige Eckpfeiler des Konzeptes.

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