„Waffen bringen Waffen nicht zum Schweigen“: Dortmunder Antikriegstag im Zeichen von Krieg, Flucht und Asyl

Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag in der Steinwache
Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag in der Steinwache. Fotos: Alex Völkel

Mohamad ist 18 Jahre jung. Im März 2013 hat er seine Heimat Syrien verlassen. „73 meiner Familienmitglieder sind getötet worden. Männer, Frauen und Kinder“ sagt der Jugendliche. Er steht vor rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Antikriegstages im Innenhof der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.

Flucht und Asyl stehen im Mittelpunkt der Friedenswoche

Mohammed redet leise, gefasst und auf Deutsch. Seit zehn Monaten ist er in Deutschland, nachdem er als Minderjähriger alleine seine Heimat verlassen und sechs Monate in Ägypten verbracht hat. Dann kam er über das Mittelmeer nach Italien und dann nach Deutschland. Er ist 17 und allein, als er in Deutschland ankam und einer von mehreren hundert unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die zur Zeit in Dortmund sind.

In der Auslandsgesellschaft hat er Deutsch gelernt und macht jetzt seinen Schulabschluss nach. Sein Traum: Er möchte Flugzeugmechaniker werden. Einer von weltweit aktuell 51 Millionen Flüchtlingen. „Und jeder Flüchtling hat eine Geschichte“, sagt Dirk Loose. „Geschichten von Gewalt und Vertreibung, aber auch Mut und Hoffnung“ sagt der Vorsitzende des Jugendrings.

„Wir sind in Deutschland nicht direkt für Kriege verantwortlich. Nicht mehr“ sagt Loose. „Aber wir leben wir leben ökologisch und ökonomisch auf Kosten anderer Staaten und verdienen an den Waffenexporten.“

Reiter: „Wir erleben die absolute Hilflosigkeit der Politik“

Vanessa Voss sorgte gemeinsam mit Flüchtlingen für den musikalischen Rahmen der Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag in der Steinwache
Vanessa Voss sorgte gemeinsam mit Flüchtlingen für den musikalischen Rahmen der Gedenkveranstaltung.

„Die militärischen Interventionen sind zu groß, die humanitären Hilfsangebote zu klein“, kritisiert die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter. „Wir erleben die absolute Hilflosigkeit der Politik.Sie ist weder gut gemacht noch gut gemeint“, kritisiert sie das „Krisenmanagement“ von UNO, EU und den USA.

„Krieg ist nicht die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln, sondern das Versagen der Politik auf ganzer Linie“, sagte sie unter dem Applaus der zahlreichen Besucherinnen und Besuchern.

Den Völkermord durch IS ließe sich nicht durch Waffenexporte stoppen. „Waffen bringen Waffen nicht zum Schweigen“ rief Reiter. Ganz abgesehen davon, dass die IS ihre Morde auch mit „regulär“ exportierten Waffen begehe. „Wir liefern Waffen, statt Initiativen auf UN-Ebene zu ergreifen.“

Der Kalte Krieg kommt wieder – und weltweit toben heiße Kämpfe

Die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter. Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag in der Steinwache
Die DGB-Vorsitzende Jutta Reiter.

Mit Sorge erfasst die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung, dass am 75. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs, 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkriegs und 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz wieder Truppen an der Grenze zu Russland stationiert und Völkermorde in vielen Teilen der Welt begangen werden.

„Die Zivilisten sind immer die Opfer“, so Reiter und appellierte, den Nachbarstaaten zu helfen, die den größten Teil der Flüchtlingslasten tragen müssten. „Die Menschen brauchen Unterstützung. Sie haben ein Recht auf Würde und ein Leben ohne Verfolgung.“ Daher hatten die Organisatoren des Antikriegstags auch das Thema Flucht und Asyl in den Mittelpunkt gestellt.

Wünsche und Hoffnungen von Flüchtlingen in der neuen Heimat

Mohamad war nicht der einzige Flüchtling, der das Mikrophon ergriff: Peyman Azhari war mit seiner Familie im 1. Golfkrieg aus dem Iran geflohen. Damals war er vier Jahre alt. Er ist in Deutschland aufgewachsen, hat hier studiert und lebt in der Nordstadt. „Ich fühle mit den Flüchtlingen.“

Während Peyman sind in Dortmund gut aufgenommen fühlt, sei sein Vater innerlich nie in Deutschland angekommen. Sie seien eine wohlhabende Mittelstands-Familie gewesen. Sein Vater hätte seine Firma und sein Haus zurücklassen müssen. Nach der Flucht hätten sie zu sechst in einem Zimmer gewohnt. „Er hat es nie verkraftet.“ Peyman kann daher die Emotionen, Sorgen und Ängste, aber auch die Hoffnungen und Wünsche der Flüchtlinge und Zuwanderer nachvollziehen.

Unterstützenswertes Projekt aus der Nordstadt: heimat132.de

Was bedeutet für die Heimat? Dieser Frage geht Azhari nach und möchte er auch andere Menschen teilhaben lassen. Er wirbt daher für sein Projekt heimat132.de: Sein Ziel ist, Menschen aus allen 132 offiziell in der Nordstadt gemeldeten Nationen zu portraitieren. Dazu soll auch ein Buch erscheinen.

Teilweise sind es sehr bewegende Berichte: Wie die eines Flüchtlings aus Eritrea, der 30 Tage lang auf der Ladefläche eines Pick-Ups durch die Sahara gefahren ist, Haft in Libyen erleben musste und anschließend in einem schrottreifen Boot über das Mittelmeer floh – in Todesangst, weil er nicht schwimmen kann.

Auf andere Weise haben übrigens andere Flüchtlinge das Woret ergriffen:  Gemeinsam mit Vanessa Voss, die das musikalische Rahmenprogramm gestaltete, haben sie auf Deutsch ein Lied vor dem großen Publikum gesungen.

Ehrenamtlicher Vormünder für Flüchtlingskinder gesucht

Wer mehr zum Thema Flucht und Vertreibung wissen will oder sich vielleicht sogar aktiv engagieren, hat dazu gleich mehrfach die Gelegenheit. Auf dem Friedensfestival an der Katharinentreppe – es findet ab dem heutigen Dienstag bis Freitag jeweils ab 17 Uhr dort statt – ist das Thema Flucht und Asyl ebenfalls Thema.

Am Donnerstag um 17.15 Uhr stellt sich dort das Projekt „Do It“ der Diakonie vor, die ehrenamtliche Vormünder für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausbildet und begleitet. Eine Informationsveranstaltung für neue Interessierte findet übrigens am heutigen Dienstag um 18 Uhr im Reinoldinum statt.

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Reaktionen

  1. Andreas Cierpiol

    Es geht bei den jüngsten Diskussionen nicht um kommerzielle Waffenexporte. Es geht darum, dass Terroristen einen Völkermord versuchen. Frau Reiter macht es sich zu leicht mit ihren Floskeln und möchte lediglich ihr Publikum erreichen. Soll eine deutsche Regierung dem Genozid zuschauen?

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