Neuer PCB-Fall in Dortmund: Keine akute Gefährdung – mehr als 700 Gärten in einem Teil von Körne sind betroffen

Um das Werk herum sollte auf den Verzehr bestimmter Gemüse verzichtet werden. Karte: Stadt Dortmund

Dortmund hat einen neuen PCB-Fall, aber – und das ist die gute Nachricht – offenbar bei weitem nicht so umfangreich und gravierend wie damals bei ENVIO. Bei einem Kautschuk-verarbeitendem Betrieb in Körne (Hannöversche Straße) sind bei Messungen entsprechende Emissionen gemessen worden. Die Behörden haben Verzehrempfehlungen bzw.„Nicht-Verzehr-Empfehlungen“ für bestimmte Gemüse aus den umliegenden Gärten in einem lokal begrenzten Bereich in Körne ausgesprochen. Im Radius der Zone befinden sich allerdings vier Kleingartenanlagen mit 547 Gärten, Grabeland mit 45 Parzellen und schätzungsweise 120 Gärten an Wohnhäusern. Eine akute Gesundheitsgefährdung – insbesondere durch die Luft – wird derzeit nicht befürchtet. 

Nach einem Störfall in Ennepetal wurden alle Kautschuk-Verarbeiter überprüft

Das Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) hatte Messungen im Umfeld der Firma M+S Silicon Gmbh & Co. KG in Körne vorgenommen und dabei aktuell erhöhte PCB-Werte festgestellt. Die Untersuchungen hat das LANUV im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) durchgeführt und ausgewertet. 

Ludger Wilde
„Wir haben keinen akuten Zustand, sondern einen Vorsorgezustand“, betont  Dezernent Ludger Wilde.

Anlass war das Austreten von mit PCB (Polychlorierte Biphenyle) belasteten Flocken Ende 2019 bei einem Unternehmen in Ennepetal. Landesweit wurden sieben weitere Unternehmen identifiziert, die ebenfalls Silikon-Produkte herstellen und dafür einen Prozess in Gang setzen, bei dem chlorhaltige sogenannte „Vernetzer“ eingesetzt werden. 

Dabei sind PCB entstanden und über die Abluftkamine der Produktionsöfen freigesetzt worden.  Eine akute Gefährdung gebe es nicht: „Wir haben keinen akuten Zustand, sondern einen Vorsorgezustand“, betont der zuständige Dezernent Ludger Wilde.

Das Unternehmen M+S Silicon an der Hannöverschen Straße gehört zu diesen Unternehmen. Dort werden seit 2001 von mittlerweile rund 160 Beschäftigten neben anderen Produkten auch silikonbasierte Bauelemente für Schienenfahrzeuge und medizinische Geräte hergestellt. Für diese Produkte war der Einsatz dieser Sorte Vernetzer bislang Standard.

Beschäftigte wurden nicht durch PCB geschädigt – Produktion wird schrittweise umgestellt

Unternehmensgründer und Geschäftsführer Jürgen Siedler zeigte sich geschockt und tief getroffen. Denn der betroffene Vernetzer – er wirkt wie Backpulver beim Kuchenbacken –  wird seit den 70er-Jahre weltweit in der Verarbeitung von Silikon eingesetzt.

Unternehmensgründer und Geschäftsführer Jürgen Siedler
Unternehmensgründer und Geschäftsführer Jürgen Siedler zeigte sich tief betroffen.

Dass dabei unbeabsichtigt PCB entsteht und austritt, war der Branche neu und erst durch den Fall in Ennepetal aufgefallen. Die Beschäftigten dort wie auch in Dortmund wurden bereits untersucht. Die Bluttests waren zum Glück nicht auffällig – die Werte lagen unter dem Normwert.

Das Dortmunder Unternehmen entschuldigte sich für die Folgen und die Unannehmlichkeiten für die Nachbarn des mittelständischen Unternehmens. „Das ist für uns eine Voll-Katastrophe, dass überhaupt PCB entsteht“, so Siedler. Daher will das Unternehmen einen rigorosen Schritt vollziehen:  „Wir haben mit Lieferanten gesprochen und Alternativen geprüft, um diesen Vernetzer zu ersetzen“, so Siedler. 

Ein Drittel der Produkte konnte in den vergangenen Wochen bereits umgestellt werden. Nach den Sommerferien sollen es zwei Drittel und bis Jahresende 90 Prozent der Produkte sein, die dann Peroxyd-frei hergestellt werden. Doch um die PCB-Emissionen zu unterbinden, die sich vorerst nicht vermeiden lassen, wird in der kommenden Woche ein zusätzlicher Elektrofilter eingebaut, der laut Hersteller 99 Prozent der PCB aus der Ablauft herausfiltern soll. „Den Wirkungsgrad werden wir mit Messungen überprüfen“, erklärt Jörg Gimpel von der Gemeinsamen Unteren Umweltbehörde der Stadt Dortmund, Hagen und Bochum.

„Wir können keine Gefährdung erkennen, können aber auch keine Gefährdung ausschließen.“

Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes, im Hintergrund Unternehmensgründer und Geschäftsführer Jürgen Siedler (re.)
Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes, im Hintergrund Geschäftsführer Jürgen Siedler (re.)

Eine sofortige Umstellung der Produktion ist jedoch auch aus einem anderen Grund nicht möglich: Denn viele der Produkte haben bestimmte Eigenschaften, zum Beispiel eine Beständigkeit gegen Säure oder Druck. „Wenn man die Rezeptur ändert, müssen die Produkte neu zugelassen werden – das kostet Zeit“, zeigt Gimpel Verständnis für die Probleme der Hersteller.

Das Areal um das Werk wurde und wird weiter untersucht, berichtet Markus Halfmann, stv. Leiter des Dortmunder Umweltamtes und Leiter des Sonder-Arbeitskreises PCB. Entsprechend der Hauptwindrichtung wurden drei Proben von Löwenzahnblättern untersucht, die in der Abwindrichtung bis zu zehnfache Werte über dem Orientierungswert ergaben. Weitere Untersuchungen und Messungen werden folgen, auch Bodenproben werden noch genommen.

Allerdings – und darauf verwies Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamtes – seien dies Orientierungs- und keine Grenzwerte. Daher gebe es keine Hinweise, dass es dadurch bereits zu Schädigungen kommen könne: „Wir können keine Gefährdung erkennen, können aber auch keine Gefährdung ausschließen. Daher haben wir die Verzehrempfehlung mit dem LANUV abgestimmt“, so Renken.

Verzicht auf bestimmte Gemüsesorten aus dem eigenen Garten wird empfohlen

Von den Menschen im direkten Umfeld sollten vorsorglich die Empfehlungen für den Anbau und Verzehr von Nutzpflanzen beachtet werden. Betroffen sind u.a. die Kleingartenanlagen rund um das Gewerbegebiet in Körne (GV Lenteninsel, GV Schwarzer Kamp, GV Nord-Ost, GV Frohes Schaffen). Zudem sind 45 Parzellen auf einem Stück Grasland sowie schätzungsweise 120 private Gärten entlang der benachbarten Wohnbebauung betroffen. 

Günter Mohr vom Stadtverband der Dortmunder Gartenvereine
Günter Mohr vom Stadtverband der Dortmunder Gartenvereine. Fotos: Alex Völkel

Günter Mohr vom Stadtverband der Dortmunder Gartenvereine machte deutlich, dass die erhöhten PCB-Werte die „Gartenfreunde geschockt und getroffen“ hätten: „Man sieht, hört, riecht und schmeckt sie nicht. Die Gefährdung ist nicht erkennbar und uns daher nicht geheuer“, so Mohr. Daher sei es wichtig, über den Umgang mit den Gartenerzeugnissen zu informieren. 

Konkret verzichtet werden sollte vorsorglich vor allem auf großblättriges Gemüse wie Grünkohl, Mangold, Spinat, Pflücksalat, Feldsalat, Rucola, Rübstiel, Staudensellerie und Kräuter in größeren Mengen. Früchte und Gemüse, die sich gut waschen oder schälen lassen (Tomaten, Salatgurken, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Erdbeeren, Kirschen, Beerenobst), können ohne Risiko gegessen werden. 

Auch Kopfsalat, Weiß- und Rotkohl sowie Blumenkohl sind kein Problem. Ebenfalls ohne Bedenken kann man Wurzel- und Knollengemüse (Möhren, Radieschen oder Kartoffeln) aus Eigenanbau auf den Tisch bringen. 

Informationen für Betroffene in Körne – weitere Untersuchungen werden folgen

Jörg Gimpel und Markus Halfmann berichten über die Untersuchungen und Auswirkungen.
Jörg Gimpel und Markus Halfmann berichten über die Untersuchungen und Auswirkungen.

In den betroffenen Bereichen werden Flugblätter verteilt, auch auf der Internetseite der Stadt und des Stadtverbandes sind Informationen abrufbar. Alle Beteiligten hoffen, dass nur in dieser Saison Rücksicht genommen werden muss. Bisher wurden die PCB-Belastungen nur in den Blättern gefunden. 

Allerdings stehen die Bodenuntersuchungen noch aus. Auch die Luftzusammensetzung sowie Staubmessungen werden noch folgen – alles in Absprache mit dem LANUV. Blutuntersuchungen von Anlieger*innen oder Gärtner*innen sind bisher nicht vorgesehen. Die Untersuchungen der Beschäftigten waren ja – wie berichtet – unauffällig.

„Blutuntersuchungen sind denkbar. Aber naheliegender Weise wollen wir erst die Ergebnisse aus Ennepetal abwarten – da wurden deutlich stärkere Belastungen gefunden“, betont Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Renken. „Wenn die Ergebnisse auffällig sind, dann werden wir uns auch einer solchen Überlegung nicht widersetzen.“ 

Hier gibt es das Merkblatt als PDF zum Download: Info-Flyer PCB Koerne

Um das Werk herum sollte auf den Verzehr bestimmter Gemüse verzichtet werden. Foto: Stadt Dortmund
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Reaktionen

  1. LINKE & PIRATEN drängen auf Aufklärung des neuen PBC-Falls (PM)

    LINKE & PIRATEN drängen auf Aufklärung des neuen PBC-Falls

    „PCB ist ein Stoff aus dem sogenannten schmutzigen Dutzend – PCBs sind weltweit verboten. Schlimm, dass Dortmund erneut einen Fall einer PCB-Freisetzung in die Umwelt hat.“ Utz Kowalewski, Vorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN im Dortmunder Rat, ist alarmiert. Schon wieder gibt es in Dortmund einen PCB-Fall. Schon wieder wurden die Vorsorgewerte überschritten. Schon wieder konnte bei einem Unternehmen – dieses Mal an der Hannöverschen Straße – ein Ausstoß der giftigen Chlorverbindung nachgewiesen werden.

    Kowalewski hat um eine ausführliche Berichterstattung in der Sitzung des Umweltausschusses am 10. Juni gebeten. „Zudem habe ich um die genauen Werte und die gefundenen PCB-Kongenere gebeten, damit wir die Situation und eine mögliche Gefährdungslage überhaupt seriös einschätzen und mit anderen Fällen vergleichen können. Die Stadt Dortmund ist aber bereits jetzt aufgefordert eine Informationsveranstaltung für die Anwohner des betroffenen Gebietes zu organisieren – natürlich unter Einhaltung aller Corona-Sicherheitsmaßnahmen“, fordert der Politiker der LINKEN.

    Der Envio-Skandal ist vielen Dortmundern noch in Erinnerung. Bei der unsachgemäßen Entsorgung und dem Recycling von Transformatoren war zwischen 2004 und 2010 so viel PBC freigesetzt worden, dass Mitarbeiter vergiftet wurden und schwere Schäden davon trugen. Die Firma wurde seinerzeit stillgelegt. Das Firmengelände selbst, aber auch die Umwelt waren verseucht. Bis heute darf in dieser Gegend kein selbst angebauter Grünkohl verzehrt werden. Das LANUV empfiehlt nun auch beim aktuellen Fall an der Hannöverschen Straße eine Verzehrwarnung für örtlich angebautes Gemüse auszusprechen.

    Wie schlimm ist es dieses Mal? „Es scheint nicht so heftig zu sein wie bei Envio“, sagt Utz Kowalewski, der damals mit seinen Recherchen zu Envio den Ball erst ins Rollen brachte. „Der Fall scheint eher gelagert zu sein wie in Ennepetal, wo ein Produktionsproblem bei der Herstellung von Silikon zur einer regelmäßigen PCB-Freisetzung geführt hat“. Auch dort wurde der Diplom-Biologe gebeten aus den Dortmunder PCB-Erfahrungen zu berichten. „In Ennepetal ist ausschließlich das PBC-47 freigesetzt worden – die Verursacherfrage war leicht zu klären, weil es PCB-47 in NRW nicht als Hintergrundbelastung gibt, wie bei einigen anderen PCBs. In Ennepetal regnete es in Form großer Rußflocken ab, fand sich in Vorgärten, auf Autos oder den Fensterbrettern der Anwohner wieder.“

    Das LANUV untersuchte daraufhin alle Silikonhersteller in NRW – in Dortmund mit einem klaren Befund. An drei Standorten rund um den fraglichen Betrieb wurden Proben genommen; zwei davon wiesen Werte oberhalb der Vorsorgewerte auf.

  2. GRÜNE: PCB-Belastungen müssen vollständig abgestellt werden (PM)

    GRÜNE: PCB-Belastungen müssen vollständig abgestellt werden

    Nach Ennepetal und Witten ist jetzt auch Dortmund von erhöhten PCB-Werten im Umfeld einer Anlage zur Silikonherstellung betroffen. Darüber hat die Stadt jetzt informiert. Entdeckt wurde der gesundheitsschädliche Stoff im Rahmen einer Sonderuntersuchung, die das Umweltministerium nach Bekanntwerden der PCB-Vorkommen in Ennepetal im Januar dieses Jahres für sämtliche weitere Betriebe dieser Art in NRW angeordnet hatte.

    „In Dortmund werden beim Thema PCB direkt Erinnerungen an Envio und damit an einen der größten Umweltskandale in der Geschichte der Stadt wach. Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, die Menschen umfassend über die gemessenen Werte und die Auswirkungen auf ihre Gesundheit zu informieren und umgehend alle nötigen Schritte einzuleiten, um die Belastung mit den als krebserregend geltenden Stoffen zu stoppen“, so Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der GRÜNEN im Rat. „Wir begrüßen die aktive Informationspolitik des Umweltamtes und die Einrichtung von Homepage und Hotline für die Bürger*innen. Auch wenn es bisher noch keinen Verdacht einer gesundheitlichen Belastung gibt, kommt es jetzt darauf an, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört vor allem, dass alle nötigen und möglichen Untersuchungen zum Schutz der Menschen umgesetzt werden – auch Blutuntersuchungen für diejenigen, die das zu ihrer Sicherheit wünschen. Nur so können alle Befürchtungen möglichst ausgeschlossen werden“, so Reuter. „Neben den bisher durchgeführten Messungen sollten zudem die angekündigten weiteren Pflanzenmessungen und Bodenuntersuchungen schnellstens durch Luft- und Staubniederschlagsmessungen, wie sie am Hafen durchgeführt werden, ergänzt werden“.

    Nach dem bisherigen Stand der Auswertungen setzen neben den Firmen in Ennepetal, Witten und Dortmund fünf weitere Betriebe in Nordrhein-Westfalen einen Stoff ein, der dazu führt, dass im Rahmen der Produktion PCB freigesetzt wird. Der Nachweis des PCB-Ausstoßes bei silikonverarbeitenden Betrieben scheint jetzt Anlass zu sein, die gesetzlichen Vorgaben für diese Branche endlich neu zu bewerten. Denn während PCB in Deutschland seit 1989 nicht mehr hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen (PCB-Verbotsverordnung), benötigen silikonverarbeitende Betriebe bisher keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

    „Das muss dringend geändert werden“, fordert Ingrid Reuter und ist damit nicht allein. Sowohl Bundes- als auch Landesgrüne haben bereits signalisiert, diese Forderung nachdrücklich voranzutreiben. Eine entsprechende Bundesratsinitiative wurde jetzt auf den Weg gebracht. „Jetzt muss auf Bundesebene die nötige Gesetzesänderung vorgenommen werden, um das PCB-Minimierungsgebot dahingehend weiter zu entwickeln, dass ein Ausstoß komplett vermieden und der Entstehung von PCB als Nebenprodukt einen Riegel vorgeschoben wird. Denjenigen, die seit 30 Jahren neben dem Werk in Dortmund ihren Garten hatten, wird das allerdings wohl nur ein geringer Trost sein.“

  3. Gutachter finden in Körner Boden keine bedenklichen PCB-Werte – die vorsorglichen (Nicht)- Verzehrempfehlungen bleiben dennoch bestehen (PM Stadt)

    Gutachter finden in Körner Boden keine bedenklichen PCB-Werte – die vorsorglichen (Nicht)-
    Verzehrempfehlungen bleiben dennoch bestehen

    Im Juni hatte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) die Stadt über die Ergebnisse von Löwenzahnuntersuchungen im Umfeld der Fa. M+S Silicon informiert. Die Untersuchungen lieferten Hinweise auf erhöhte PCB-Emissionen. Daraufhin hat die Stadt vorsorglich Empfehlungen zum Verzicht auf den Anbau und Verzehr einiger Gemüsesorten ausgesprochen.

    Der silikonproduzierende Betrieb hat schnell reagiert und den für die Entstehung der PCB Einzelsubstanzen Nr. 47, 51 und 68 verantwortlichen Zuschlagsstoff weitgehend aus dem Produktionsprozess verbannt. Bereits im Juli waren 85 Prozent der Produktionsabläufe umgestellt. Bis zum Frühjahr 2021 will das Unternehmen die vollständige Umstellung abgeschlossen haben.

    Ob es zu einer Anreicherung von PCB im Gemüse und im Boden gekommen ist, die gesundheitlich bedenklich sein können, diese Frage sollten weitere Untersuchungen klären. Durch das LANUV wurden Grünkohlproben in insgesamt 6 Kleingärten angepflanzt. Der Grünkohl dient als verlässlicher Bioindikator und wird im November geerntet. Mit den Analyseergebnissen und deren Bewertung durch die Experten des LANUV ist Anfang des nächsten Jahres zu rechnen.

    Zusätzlich sind im Auftrag des städtischen Umweltamtes an verschiedenen Stellen Bodenproben entnommen worden. Deren Ergebnisse liegen der Stadt seit Freitag, 23. Oktober 2020 vor.

    Das Institut für Umwelt-Analyse Projekt GmbH aus Bielefeld hat auf insgesamt neun Flächen repräsentative Mischproben aus unterschiedlichen Bodenschichten entnommen. Abhängig von der Nutzung der Rasen-, Nutzbeet- und Brachflächen wurden dabei die Horizonte bis 2 cm, bis 10 cm und bis 35 cm berücksichtigt.

    Die wichtigste Erkenntnis: In keiner der Bodenproben sind die produktionstypischen Einzelsubstanzen (PCB 47, 51, 68) nachgewiesen worden. Auch der gesetzliche Prüfwert der Bundesbodenschutz- Verordnung für Kinderspielflächen wird im Hinblick auf den Gesamtgehalt der PCB in allen Proben unterschritten. Das bedeutet, dass bezogen auf die untersuchte Schadstoffgruppe, keine Einschränkungen für Kinderspielaktivitäten bestehen. Der Anbau von Nutzpflanzen erscheint dem Gutachter vor dem Hintergrund der allein in den Bodenproben ermittelten PCB-Konzentrationen als machbar.

    Allerdings sind für eine abschließende Bewertung des Obst- und Gemüseanbaus die Ergebnisse der Grünkohluntersuchungen abzuwarten. Ob die vorsorglichen (Nicht)Verzehrempfehlungen entfallen können, wird sich also erst in ein paar Monaten zeigen.

    Zusätzliche Informationen und auch der Bericht zu den Bodenuntersuchungen finden sich online unter pcb- koerne.dortmund.de.

  4. PCB-Immissionen in Körne – Landesumweltamt legt Bericht zu den Grünkohluntersuchungen vor (PM)

    PCB-Immissionen in Körne – Landesumweltamt legt Bericht zu den Grünkohluntersuchungen vor

    Bereits im vergangenen Jahr haben die PCB-Immissionen im Umfeld der Firma M+S Silicon an der Hannöverschen Straße die Bevölkerung nicht nur im Stadtteil Körne beschäftigt.

    Die Löwenzahnuntersuchungen des Landesumweltamtes (LANUV), die wie in Dortmund auch an Standorten weiterer silikonherstellender Betriebe in NRW durchgeführt wurden, hatten Hinweise geliefert auf ein bis dahin unbekanntes Problem: Durch den Einsatz eines chlorhaltigen Zuschlagstoffs entstanden im Produktionsprozess spezielle, gesundheitsschädliche polychlorierte Biphenyle. Die staub- und gasförmigen Emissionen hatten Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld.

    Die Stadt Dortmund hatte daraufhin für den Anbau und Verzehr einiger Nutzpflanzen vorsorgliche Nicht-Verzehrempfehlungen ausgesprochen. Diese Empfehlungen richteten sich an die Mitglieder*innen vier betroffener Gartenvereine (Schwarzer Kamp, Lenteninsel, Nord-Ost, Frohes Schaffen) sowie an die Nutzer*innen der privaten Hausgärten in einem definierten Bereich rund um den Unternehmensstandort an der Hannöverschen Straße.

    Weitere Untersuchungen wurden durchgeführt. Zum einen betraf das die Entnahme und Analyse von Bodenproben. Zum anderen sind vom LANUV Container mit Grünkohlpflanzen aufgestellt worden, um die Immissionsbelastung für Nutzpflanzen besser abschätzen zu können.

    Die Ergebnisse der im Auftrag des Umweltamtes erfolgten Bodenuntersuchungen lieferten die wichtige Erkenntnis: In keiner der Bodenproben waren die produktionstypischen Einzelsubstanzen (PCB Nr. 47, 51 und 68) enthalten. Auch der gesetzliche Prüfwert der Bundes- Bodenschutzverordnung für die besonders sensiblen Kinderspielflächen wurde im Hinblick auf den Gesamtgehalt der PCB in allen Proben unterschritten. Bezogen auf die untersuchte Schadstoffgruppe bestehen also keine Einschränkungen für Kinderspielaktivitäten. Diese Erkenntnisse hatte das Umweltamt bereits Anfang November 2020 veröffentlicht.

    Für eine abschließende Bewertung des Obst- und Gemüseanbaus in den mehr als 500 Gartenparzellen galt es, die Ergebnisse der Grünkohluntersuchungen des Landesamtes abzuwarten. Dieser Untersuchungsbericht des LANUV liegt jetzt vor.

    In allen vier Kleingartenanlagen ist Grünkohl in Containern mit Einheitserde in der Zeit vom 4. August bis zum 9. November 2020 angepflanzt worden. Grünkohl ist aufgrund der krausen und damit sehr großen Oberfläche gut geeignet, partikelgebundene Luftschadstoffe an der Blattoberfläche anzulagern. Über kleinste Blattspalten können auch gasförmige PCB aufgenommen werden. Aus diesem Grund bietet sich diese Kohlart als Indikatorpflanze an, um repräsentativ für Blattgemüse die Bewertung einer Schadstoffimmission vornehmen zu können. Nach dem Ernten sind die Grünkohlproben gebrauchsfertig aufbereitet und anschließend auf die Gesamt-PCB-Gehalte sowie Dioxine und Furane (PCDD/F) analysiert worden.

    Das LANUV stellt im Ergebnis fest, dass in allen untersuchten Proben die Gehalte an Dioxinen und Furanen unterhalb der landesweiten Hintergrundbelastung („Orientierungswert für den maximalen Hintergrundgehalt“ – kurz OmH) sowie deutlich unterhalb des sogenannten „EU-Auslösewertes“ liegen. An vier von fünf Messpunkten liegen die „PCB-gesamt“-Gehalte ebenfalls unterhalb der Hintergrundbelastung (OmH).

    Leicht erhöht zeigen sich allerdings die produktionstypischen PCB Nr. 47, Nr. 51 und Nr. 68 in den Grünkohlproben an den beiden nordöstlich gelegenen (Hauptwindrichtung) Messpunkten. Die beiden Messstellen liegen beide in der Kleingartenanlage Nord-Ost. Zwar war eine deutlich abnehmende Tendenz der absoluten PCB-Gehalte gegenüber den Konzentrationen der Löwenzahnproben vom März 2020 festzustellen, Restanteile an Silikon-PCB wurden dennoch nachgewiesen. Die Werte der im November geernteten Gemüseproben spiegeln die Bemühungen des Unternehmens wider, den PCB-verursachenden Zuschlagsstoff sukzessive zu ersetzen. Allerdings wurde an der nordöstlichsten Messstelle ein geringfügig erhöhter Anteil an sogenannten Indikator- und dl-PCB analysiert. Dies könnte ein Hinweis sein auf eine mögliche zusätzliche PCB-Quelle, nach der jetzt gesucht wird.

    Für den Verzehr von Blattgemüse und die gesundheitliche Bewertung der ermittelten „PCB-gesamt“-Gehalte zieht das LANUV folgendes Fazit:

    Bei täglichem Verzehr könnte nach jetzigem Kenntnisstand eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei Verzehr von Grünkohl aus den Nutzgärten der Anlage Nord-Ost nicht ausgeschlossen werden. In Bezug auf den Nutzpflanzenanbau und -verzehr ergeben sich daher folgende angepasste Empfehlungen:

     Die bisher ausgesprochene vorsorgliche Nicht- Verzehrempfehlung kann für die Kleingartenanlagen Zur Lenteninsel, Schwarzer Kamp und Frohes Schaffen aufgehoben werden. Gleiches gilt auch für die privaten Nutzgärten im ursprünglichen Geltungsbereich der Vorsorgeempfehlung.

     Für die Kleingartenanlage Nord-Ost wird eine differenzierte Verzehrempfehlung ausgesprochen. Dort angebautes Blattgemüse sollte auf Anraten des LANUV nicht häufiger als einmal pro Woche in einer Portionsgröße von 250 g verzehrt werden.

    Die Notwendigkeit für eine differenzierte Verzehrempfehlung für Blattgemüse aus der Anlage Nord-Ost besteht nicht mehr, sobald die Silikonproduktion der Firma M+S Silicon – wie angekündigt – komplett auf einen sogenannten chlorfreien Vernetzer umgestellt ist. Aktuell stellt das Unternehmen bereits 96,2 % seiner Produkte chlorfrei und damit PCB-frei her. Die langwierigen Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren für die noch fehlenden Silikonprodukte laufen noch.

    Gleichzeitig muss der Ursache für den leicht erhöhten Eintrag von Indikator- und dl-PCB nachgegangen werden. Hierzu haben das LANUV und das städtische Umweltamt bereits weitere Messungen des Staubniederschlages und der Luft veranlasst. Im Auftrag der Stadt sind seit Januar vier Messstellen zur Erfassung der Staubdeposition in Betrieb. Dies mit dem Ziel den positiven rückläufigen Trend der Gehalte an Silikon-PCB zu dokumentieren.

    Gleichzeitig können die Staubuntersuchungen ebenso wie die Luftmessungen des Landesamtes die Suche nach der Ursache für die lokal geringfügig erhöhten Indikator-PCB unterstützen.
    Darüber hinaus hat das Landesamt angekündigt, auch im Herbst 2021 erneut eine Grünkohlmessstelle in der Anlage Nord-Ost vorzusehen.

    Weitere detaillierte Informationen finden Sie auf der Seite der Stadt Dortmund unter http://www.pcb-koerne.dortmund.de, die laufend aktualisiert wird. Dort ist auch der ganze Auswertungsbericht des LANUV zur Grünkohluntersuchung abrufbar.

  5. PCB-Immissionen in Körne weiterhin zu hoch: Landesumweltamt legt zweiten Bericht zu Grünkohluntersuchungen vor (PM)

    Seit 2020 beschäftigen die PCB-Immissionen im Umfeld der Firma M+S Silicon an der Hannöverschen Straße viele Menschen im Stadtteil Körne. Durch den Einsatz eines chlorhaltigen Vernetzers entstanden im Produktionsprozess spezielle, potenziell gesundheitsschädliche polychlorierte Biphenyle (PCB). Die staub- und gasförmigen Emissionen hatten Auswirkungen auf das unmittelbare Umfeld.

    Die durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW im Jahr 2020 durchgeführten Untersuchungen an exponierten Grünkohlproben wiesen für den Bereich des Gartenvereins Nord-Ost erhöhte Konzentrationen an PCB auf.

    Verzicht auf selbst angebautes Gemüse

    Die Stadt Dortmund hatte daraufhin für den Anbau und Verzehr von Gemüse vorsorgliche Verzehrempfehlungen ausgesprochen. Demnach sollte bis auf weiteres auf den Gartenparzellen des Vereins Nord-Ost angebautes Blattgemüse nicht häufiger als einmal pro Woche in einer Portionsgröße von 250 g verzehrt werden.

    Auch im vergangenen Jahr sind die Untersuchungen durch das Landesamt fortgesetzt worden. Auf zwei Gartenparzellen der Anlage Nord-Ost wurden in der Zeit vom August bis November 2021 Pflanzcontainer mit Grünkohl aufgestellt. Die Ergebnisse dieser zweiten Grünkohlmesskampagne liegen der Stadt Dortmund jetzt vor.

    Ergebnisse der Untersuchungen fallen nicht wie erwartet aus

    Die Analysen zeigen wider Erwarten PCB-Gehalte in einer Größenordnung, die vergleichbar ist mit denen des Vorjahres. Demnach ist der Einfluss der Emissionen von PCB 47, 51 und 68 aus der Silikonkautschukverarbeitung von M+S Silicon unverändert deutlich erkennbar. Diese Erkenntnis wird bestätigt durch PCB-Messungen in der Außenluft, die ebenfalls vom LANUV in Abwindrichtung zum Firmenstandort durchgeführt wurden.

    Es stellt sich die Frage, warum es, trotz der in erheblichen Umfang durchgeführten Produktionsumstellung auf einen halogenfreien Vernetzer, zu keiner nachweisbaren Reduktion der Gehalte in der Außenluft und in den Grünkohlproben gekommen ist. Bei mehr als 90 % der Silikonprodukte verwendet M+S Silicon heute einen platinbasierten Vernetzer, der im Verarbeitungsprozess keine PCB entstehen lässt. Die Menge des für die Entstehung der PCB verantwortlichen Vernetzers ist nach Aussage des Unternehmens um 75 % reduziert worden.

    Unternehmen will PCB weiter reduzieren

    Der Beantwortung der Frage, warum sich die bisherige Reduktion nicht in den Messergebnissen widerspiegelt, gehen das Unternehmen und die Behörden weiter nach. M+S Silicon wird die Produktion für alle weiteren Produkte umstellen müssen. Dazu hat die gemeinsame Untere Immissionsschutzbehörde der Städte Dortmund, Bochum und Hagen bereits verwaltungsrechtliche Maßnahmen eingeleitet – im ersten Schritt in Form einer Anhörung.

    Entscheidend ist, dass M+S Silicon den selbst zugesicherten vollständigen Verzicht auf den problematischen Zuschlagstoff in kürzester Zeit umsetzt. Bei Produkten für lediglich noch drei Auftraggeber*innen war zuletzt bei der Herstellung der Silikonprodukte der kritische Vernetzer eingesetzt worden.

    Am Freitag (18. Februar 2022) hat das Unternehmen angekündigt, dass noch in diesem Monat zwei weitere Kunden auf eine andere Produktionsweise umgestellt werden sollen. Damit wären dann 98 % der Produkte auf das alternative Verfahren umgestellt, was den Einsatz des kritischen Vernetzers auf 93 % weiter reduzieren würde. M+S Silicon kündigt weiterhin an, zeitnah die Emissionen auf null reduzieren zu wollen.

    Die Bemühungen des Unternehmens zur Erreichung der Null-PCB-Emission werden mit Hilfe der auch in diesem Jahr fortgesetzten Luft- und Grünkohluntersuchungen des LANUV kontrolliert.

    Verzehrempfehlungen bleiben vorerst bestehen

    Für die 201 Gartenparzellen des Gartenvereins Nord-Ost bedeutet dies jedoch, dass die Verzehrempfehlung aus dem Vorjahr weiterhin gültig bleiben muss. Selbst angebautes Blattgemüse sollte demnach nicht häufiger als einmal pro Woche in einer Portionsgröße von 250 g verzehrt werden.

    Die Berichte des LANUV sind online einzusehen unter: https://www.lanuv.nrw.de/untersuchungsprogramme/dortmund-silikon-produktion.

    Weitere detaillierte Informationen finden sich auf der Seite der Stadt Dortmund unter http://www.dortmund.de/pcb-koerne, die seit 2020 laufend aktualisiert wird.

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