„Nein heißt nein“: Frauenberatungsstelle Dortmund startet eine Öffentlichkeits-Kampagne gegen sexualisierte Gewalt

Ulrike Breil, Martina Breuer, Birgit Jörder, Claudia Ebbers und Franca Zibororowius stellten die Kampagne vor.
Ulrike Breil, Martina Breuer, Birgit Jörder, Claudia Ebbers und Franca Zibororowius stellten die Kampagne vor.

Spätestens durch die #metoo-Debatte ist das Thema der sexualisierten Gewalt in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Nach der gesetzlichen Verankerung der Maxime „Nein heißt nein“ hat nun die Frauenberatungsstelle Dortmund eine gleichnamige Kampagne gestartet. Im Sinne einer solidarischen Bewegung will die Beratungsstelle gemeinsam mit verschiedenen AkteurInnen aus Dortmund ein Zeichen gegen sexualisierte Gewalt setzen. Ziel ist es, Frauen Mut zu machen und über das Angebot der Frauenberatungsstelle zu informieren. Weitere UnterstützerInnen sind willkommen.

„Sexualisierte Gewalt und die Folgen werden verschwiegen oder bagatellisiert“

Birgit Jörder und Martina Breuer
Bürgermeisterin Birgit Jörder und Martina Breuer bei der Vorstellung der Kampagne. Fotos: Alex Völkel

Im Rathaus wurde das Projekt des Vereins „Frauen helfen Frauen Dortmund e.V.“ präsentiert. Schirmfrau ist Bürgermeisterin Birgit Jörder. Sie machte deutlich, dass sie normalerweise keine unbefristeten Schirmfrauschaften übernehme. Nur beim Netzwerk „InFamilie“ sowie bei diesem Projekt habe sie sich für eine langfristige Unterstützung entschieden, „weil keiner davon ausgehen kann, dass sich das Thema schnell erledigt haben wird“, so Jörder.

Denn trotz aller medialen Aufmerksamkeit ist das Thema nach wie vor ein Tabu. „Sexualisierte Gewalt und die Folgen werden verschwiegen oder bagatellisiert. Zu oft wird den Frauen nicht zugehört oder kein Glauben geschenkt“, weiß Martina Breuer an der Beratungsarbeit. 

Daher habe man im Team der Beratungsstelle eine Vision entwickelt, um ein klares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt zu setzen. Ziel ist es, „ein breites Bündnis zu bilden und Frauen Mut zu machen, sich Unterstützung zu holen. Aus der Vision von damals ist die Kampagne von heute geworden“, so Breuer.

Jede siebte Frau hat in ihrem Leben strafrechtlich relevante Gewalt erlebt

Zur Kampagne gehört auch die neu erstellte Internetseite „dortmund-sagt-nein.de“. (Screenshot)

Das Problem: „Es gibt kaum Untersuchungen, die das tatsächliche Ausmaß von sexualisierter Gewalt wiedergeben. Jede siebte Frau hat in ihrem Leben strafrechtlich relevante Gewalt erlebt. Aber nur ein geringer Teil bringt das zur Anzeige. Es gibt daher eine hohe Dunkelziffer“, berichtet Claudia Ebbers. 

Dabei seien es weniger Fremdtäter, die die Übergriffe begingen. „Überwiegend passiert es im sozialen Nahbereich, wo sich die Frauen am sichersten fühlen. In der Familie, in der Partnerschaft und im Freundeskreis. Das erschwert die Anzeigebereitschaft“, weiß Claudia Ebbers.

Frauen würden unabhängig von Alter, Aussehen, Religionszugehörigkeit oder Nationalität zum Opfer von sexualisierter Gewalt. Frauen, die sich in der Beratungsstelle Hilfe suchen, haben keineswegs nur akut Gewalterfahrungen gemacht. Teilweise reichen die traumatischen Erfahrungen bis in Kindheit und Jugend zurück. Doch teils erst nach Jahrzehnten schafften es die Frauen, sich Hilfe zu suchen.

Im vergangenen Jahr haben 73 Frauen und Angehörige in der Dortmunder Beratungsstelle Hilfe gesucht. Die Zahl ist leicht gestiegen: „Immer wenn wir in der Öffentlichkeit sind, gibt es in der Folge mehr Anfragen. Daher ist uns die Kampagne so wichtig, damit Frauen auf die Hilfsangebote aufmerksam werden, einen schnellen Zugang zum Hilfesystem bekommen“, so Ebbers. 

Traumaberatung ist eine wichtige Säule der Arbeit der Frauenberatungsstelle

Claudia Ebbers (Frauenberatungsstelle)

Die Hilfen können dabei sehr unterschiedlich aussehen. Niederschwellige Erstgespräche und Informationen auf der einen, aber auch langfristige Traumafachberatung auf der anderen Seite bieten die Beraterinnen in Dortmund an. Häufig bekämen die Frauen die Bilder nicht mehr aus dem Kopf oder emotional nicht mehr zur Ruhe. 

Die Beraterinnen versuchen daher, ihnen Hilfen zur Stabilisierung zu vermitteln, damit die Frauen emotional wieder zur Ruhe kommen. Dabei machen sie den Frauen klar, dass sie selbst nichts falsch gemacht haben und auch ihr Verhalten im Nachgang nicht ungewöhnlich sei. „Das ist eine normale Reaktion auf eine unnormale Situation“, erklärt Ebbers. 

Wichtig sei, dass die Frauen selbst entscheiden, wem und vor allem wann sie sich anvertrauen. „Und wenn sie nicht reden wollen, dann auch ok“, unterstreicht die Traumafachberaterin. „Wir sind parteilich. Wir schenken den Frauen Glauben“, macht Breuer deutlich. Denn im Umfeld sei das nicht unbedingt der Fall, insbesondere wenn der Täter angesehen und beliebt sei.

„Es ist beschämend, dass noch so viele Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen sind“

Für die Kampagne werden weitere UnterstützerInnen gesucht, die sie ideell und finanziell unterstützen.

Nicht nur zu Informationen über Hilfsangebote, sondern auch zur Veränderung des Bewusstseins soll die „Nein heißt Nein“-Kampagne beitragen, erklärt Dominic Steinkretzer von der punkt4 GmbH – er hat die Kampagne mit geplant. „Wir leisten auch einen Beitrag zur Prävention“, wenn künftig weniger Frauen Opfer von sexualisierter Gewalt würden.

Das ist auch der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Maresa Feldmann wichtig: „Das ,nein heißt nein’ muss noch viel mehr in die Köpfe rein. Es ist beschämend für eine Gesellschaft im 21. Jahrhundert, dass noch so viele Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen sind.“

Möglich gemacht haben die Dortmunder Initiative nicht nur punkt4, sondern auch die Firma unternehmen.online und der Zonta-Club Dortmund. Sie haben die Entwicklung der Kampagne finanziell und personell unterstützt. „Wir sind der Arbeit der Beratungsstelle schon seit Jahren verbunden und seit zehn Jahren Unterstützerin“, berichtet Alexandra Thietz von unternehmen.online. Auch Zonta ist bei mehreren Projekten mit von der Partie. 

„Zonta hat die Unterstützung von Frauen als Hauptziel. Das Thema Gewalt ist auch international ein großes Thema“, berichtet Gabriele Brübach. Seit 100 Jahren gibt es Zonta. „Immer wieder haben wir Projekte unterstützt, die die Eindämmung von Gewalt gegen Frauen zum Ziel haben. Daher haben wir uns über die Dortmunder Kampagne besonders gefreut“, ergänzt Sigrun Rottmann. „Wir finden die Arbeit der Beratung und des Frauenhauses ganz wichtig.“

HINWEIS: Warum heißt es eigentlich „sexualisierte Gewalt“ und nicht „sexuelle Gewalt“? Die Antwort ist einfach: Es geht nicht um Sexualität, sondern um Macht, Erniedrigung, Demütigung. 

KONTAKT: 

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Reaktionen

  1. Frauenberatungsstelle Dortmund (Pressemitteilung)

    Kampagne gegen sexualisierte Gewalt: Medienaktion in der Vorweihnachtszeit

    Die Frauenberatungsstelle Dortmund startet am 04.12.2019 eine große Medienaktion für ihre Kampagne „nein heißt nein“. Mit aufmerksamkeitsstarken Titelanzeigen im Lesezirkelnetzwerk (Arztpraxen, Kanzleien, Friseursalons etc.) sollen in den nächsten Tagen rund 100.000 Dortmunder*innen erreicht werden. Das Ziel dieser Aktion ist es, in der Vorweihnachtszeit ein klares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt zu setzen und betroffenen Frauen einen niedrigschwelligen Zugang zu unseren Hilfsangeboten zu ermöglichen.

    Die Kampagne „nein heißt nein“ wurde im Mai 2019 von der Frauenberatungsstelle Dortmund initiiert, um die Öffentlichkeit für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren. Die Kampagne, mit der Schirmfrau Bürgermeisterin 
Birgit Jörder, konnte inzwischen zahlreiche Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft als Unterstützer*innen gewinnen.

    Rund sechs Monate nach dem Start der Kampagne zieht die Frauenberatungsstelle Dortmund ein positives Zwischenfazit und freut sich auf weitere Aktionen der dauerhaft angelegten Kampagne. Franca Ziborowius, von der Frauenberatungsstelle: „Wir konnten bislang eine hohe Anzahl von Informationsmaterial zu der Kampagne verteilen und öffentlichkeitswirksam für unser Anliegen werben. Auf diese Weise wollen wir Frauen Mut machen und ein deutliches Zeichen gegen sexualisierte Gewalt setzen.“

    Durch umfangreiches Kampagnenmaterial wie Buttons oder Aufkleber können sich Bürger*innen zudem sichtbar mit der Kampagne solidarisieren. Claudia Ebbers von der Frauenberatungsstelle resümiert: „Wo immer wir Menschen mit der Kampagne begegnen, erhalten wir viel Zustimmung und auch konkrete Nachfragen zu unseren Hilfsangeboten. Dies unterstreicht die Bedeutung und Wichtigkeit der Kampagne.“

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