Mehr Schutz für Betriebsräte! Gewerkschaften fordern: Union muss Blockade bei Betriebsrätestärkungsgesetz aufgeben

Die Interessen von Beschäftigten brauchen eine starke Vertretung: Demo mit Betriebsräten der von Schließung bedrohten Galeria Karstadt Kaufhof und Karstadt Sports Filialen im Juni letzten Jahres in Dortmund.

Die Idee kommt aus dem Bundesarbeitsministerium und soll der Tendenz entgegenwirken, dass in der Bundesrepublik immer weniger Beschäftigte von  einem Betriebsrat vertreten werden. Geschehen soll dies durch das Betriebsrätestärkungsgesetz, dessen Referentenentwurf in der vergangenen Woche im Bundeskabinett  beraten werden sollte. Doch dazu kam es nicht. Durch die Blockade der Union wurde der Punkt von der Kabinettssitzung gestrichen. Dagegen regt sich Widerstand, vor allem – wen wundert’s – von Seiten der Gewerkschaften und ihnen wohlgesonnener politischer Kreise.

Jede sechste Wahl in Betrieben ohne vorherige Interessenvertretung wird behindert

Der Gesetzesentwurf sieht vor, Wahlen von Betriebsräten zu erleichtern und zu schützen, deren Rechte bei der Qualifizierung von Arbeitnehmer*innen, die betriebliche Mitbestimmung beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sowie bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit zu stärken. Ein in den Augen der Gewerkschaften zwingend notwendiger Schritt. ___STEADY_PAYWALL___

Solidarisch auf Seite der Gewerkschaften: Marco Bülow. Archivfoto: Claus Stille

Nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit sind nur noch 41 Prozent der westdeutschen und 36 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat tätig. Nur noch neun Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und zehn Prozent in Ostdeutschland verfügten im Jahr 2019 über dieses Vertretungsgremium.

Im Endeffekt geht es in dem Entwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil darum, dem entgegenzuwirken und die Gründung von Betriebsräten zu erleichtern. „Jede sechste Wahl in den Betrieben ohne bisherige Interessenvertretung wird behindert. Das sind erschreckende Zahlen“, bezieht sich Marco Bülow, ehemaliger SPD-Abgeordneter, der jetzt für Die Partei im Bundestag sitzt, auf aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung.

Gewerkschafter*innen fordern von der CDU, ihre Blockadehaltung aufzugeben

Jutta Reiter ist die heimische DGB-Vorsitzende
Jutta Reiter, Dortmunder DGB-Vorsitzende. Archivfoto: Karsten Wickern

Und steht damit freilich nicht allein. Zur Streichung aus den Beratungen bei der vergangenen Kabinettssitzung erklärten die Vorsitzenden der DGB Stadt- und Kreisverbände in der DGB-Region Dortmund-Hellweg Jutta Reiter (DGB Dortmund), Joachim Hoen (DGB-Kreisverband Hamm) und Holger Schild (DGB-Kreisverband Soest):

„Die CDU/CSU verhindert die Stärkung von Betriebsräten und Mitbestimmung. Sie lehnt einen Gesetzentwurf ab, mit dem der Kündigungsschutz von Beschäftigten gestärkt werden soll, die sich für die Wahl eines Betriebsrates in ihrem Betrieb engagieren. Das ist fatal, denn hier braucht es dringend mehr Schutz für die Kolleginnen und Kollegen.“

Die Gewerkschafter*innen fordern insbesondere vom CDU-Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Soest, sich „für die wichtige Arbeit der Betriebsräte“ einzusetzen und die Blockadehaltung aufzulösen, „damit das Betriebsrätestärkungsgesetz schnellstmöglich und wie im Referentenentwurf von Minister Heil vorgesehen auf den Weg gebracht wird.“

„Wir brauchen nicht weniger, sondern deutlich mehr Mitbestimmung“

Zu den illegitimen wie beliebten Mitteln, Betriebsratswahlen zu behindern, gehört, Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen, einzuschüchtern oder ihnen gar zu kündigen. Unrühmliche Beispiele aus Dortmund: die zähen, aber schlussendlich erfolglosen Verhinderungsversuche einer Betriebsratswahl etwa seitens der Geschäftsleitung bei Burger King in Dortmund-Eving im Winter 2018. Oder der Franchisenehmer der Burger-Filiale in Dortmund-Kley – die Schlossburger GmbH aus Hamburg – mit ihren Versuchen, den Dortmunder Betriebsratsvorsitzenden Gökmen Yücel zu feuern.

ProtestAktion der NGG vor Burger King in Dortmund
Protestaktion der NGG vor Burger King in Dortmund.

„Damit wehren die Arbeitgeber Neugründungen bereits im Ansatz ab. Es ist ein Skandal, dass Beschäftigte, die vom Recht einer Betriebsratsgründung Gebrauch machen, Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Mit der Nicht-Umsetzung des Betriebsrätestärkungsgesetzes wird Menschen, die sich für ihre in der Verfassung garantierten Rechte einsetzen, der notwendige Schutz verwehrt“, geben die erbosten Gewerkschafter*innen zu Protokoll.

Und legen unmissverständlich nach: „Wir brauchen nicht weniger, sondern deutlich mehr Mitbestimmung! Das gilt aktuell in der schwierigen Phase der Pandemie, aber natürlich auch dauerhaft für die Zukunft. Auch ein digitales Zugangsrecht muss endlich kommen. Gewerkschaften sind Mitgliederorganisationen. Nur mit einem gesicherten Zugang zu den Beschäftigten können wir unsere Aufgaben wahrnehmen und für gute Arbeit kämpfen.“

„Es darf nicht sein, dass Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen, Angst haben müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Wir müssen diese Menschen schützen. Dafür setze ich mich ein. Ich unterstütze ausdrücklich die Forderung des DGB Dortmund und der DGB-Region Dortmund-Hellweg“, solidarisiert sich Marco Bülow mit den Gewerkschafter*innen.

Unterstütze uns auf Steady

Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Betriebsratswahl bei Burger King in Dortmund-Eving: Verhinderungsversuche der Geschäftsleitung erfolglos

Schwere Vorwürfe: Callcenter „Kikxxl“ übt Druck auf Beschäftigte aus – wer einen Betriebsrat will, fliegt raus

Dreharbeiten in der Steinwache und auf der Wewelsburg: Ein filmischer Appell für Chancengleichheit und Menschenrechte

Betriebsratswahl bei Burger King in Dortmund-Eving: Verhinderungsversuche der Geschäftsleitung erfolglos

„Burger King“: Beauftragte der Geschäftsleitung behindern in der Filiale Dortmund-Eving die eingeleitete Betriebsratswahl

DGB-Ausstellung in der Steinwache erinnert an die Zerschlagung der Gewerkschaften und Betriebsräte 1933

 

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. IG BAU will Rechte von Arbeitnehmervertretern stärken Wettbewerb: Dortmunder Vorzeige-Betriebsräte gesucht (PM)

    IG BAU will Rechte von Arbeitnehmervertreter*innen stärken – Anwälte für Beschäftigte in der Krise: Engagierte Betriebsräte aus Dortmund gesucht

    Engagierte Betriebsräte gesucht: Arbeitnehmervertreter, die sich in Dortmund während der Coronakrise besonders um die Belange von Beschäftigten verdient machen, sind preisverdächtig. Noch bis Ende April können sie sich um den Deutschen Betriebsräte- Preis 2021 bewerben. Dazu hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) aufgerufen. „Von der Aufstockung des Kurzarbeitergeldes über einen wirksamen Gesundheitsschutz im Job bis hin zum Umgang mit einer drohenden Insolvenz – die Arbeit von Betriebsräten ist wichtiger denn je“, sagt IG BAU-Bezirksvorsitzende Gabriele Henter.

    Die Gewerkschaft appelliert zugleich an Beschäftigte in der Stadt, eine Arbeitnehmervertretung zu gründen, wo es bislang keine gibt. „Gerade in der Baubranche mit vielen kleinen Handwerksunternehmen ist in puncto Mitbestimmung noch viel Luft nach oben. Beschäftigte sollten sich aus Angst vor dem Chef aber nicht um ihr Recht bringen lassen und eine Vertretung wählen“, so Henter. Ein Betriebsrat kann bereits in Firmen ab fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegründet werden und bringt nicht nur Beschäftigten, sondern auch Unternehmen viele Vorteile.

    Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden zuletzt 41 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland von einem Betriebsrat vertreten. In der Bauwirtschaft liegt die Quote bei lediglich 15 Prozent.

    Außerdem ruft die IG BAU Bochum-Dortmund die Bundestagsabgeordneten aus der Region dazu auf, das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte „Betriebsrätestärkungsgesetz“ zu unterstützen. Der Entwurf sieht vor, dass Beschäftigte, die eine Betriebsratswahl vorbereiten, schwerer kündbar sind. Nach Beobachtung der IG BAU werden Initiativen zur Gründung von Betriebsräten häufig mit allen Mitteln blockiert – mit zum Teil harten persönlichen Folgen für die engagierten Beschäftigten, die um ihren Arbeitsplatz fürchten müssten.

    Laut Gesetzentwurf sollen Arbeitnehmervertreter zudem bei Themen wie dem mobilen Arbeiten und Künstlicher Intelligenz mehr Mitsprache erhalten. Obwohl das Vorhaben im Berliner Koalitionsvertrag vereinbart worden war, stieß es zuletzt auf den Widerstand der Union.

    Der Deutsche Betriebsräte-Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesarbeitsministeriums und ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“. Die Auszeichnung wird seit 2009 verliehen und zeichnet engagierte Interessenvertretungen unabhängig von Branche und Betriebsgröße aus. Bewerbungsschluss für den Preis ist in diesem Jahr der 30. April. Weitere Infos online unter: http://www.betriebsraetepreis.de.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert