Verlag gegen Stadtverwaltung am Landgericht Dortmund: Darf die Kommune Infolücken der freien Presse schließen?

Vertreten die Stadt Dortmund vor dem Landgericht: (v.li.): Dirk Otto Arndts (stv. Leiter des Rechtsamtes),  Verteidiger Andreas Okonek, Oberbürgermeister Ullrich Sierau und Verteidiger Gernot Lehr. Fotos: Alex Völkel

Von Sascha Fijneman und Alexander Völkel

Es ist eine Klage mit Signalwirkung – und sie wird bundesweit von Kommunen und Medienhäusern verfolgt: Der Verlag der Ruhr Nachrichten hat die Stadt Dortmund auf Unterlassung verklagt. Denn dem Medienhaus Lensing-Wolff gehen die medialen Online-Aktivitäten der Stadt auf ihrem Portal dortmund.de zu weit. Der Verlag sieht eine Grenze überschritten, weil die Stadt aus Sicht des Medienhauses zu viel Berichterstattung macht, die nichts mit der orginären Aufgabe einer Stadtverwaltung zu tun hat und damit in Konkurrenz zum medialen Platzhirsch in Dortmund tritt. Der Verlag vertritt den Standpunkt, dass es seine Aufgabe sei, dies zu tun. Die Stadt widerspricht dem nicht. Im Gegenteil: Sie betont allerdings, quasi zu der Berichterstattung gezwungen zu sein, weil der Verlag eben dieser Aufgabe nicht (mehr) beziehungsweise nicht ausreichend nachkommt. Ein spannender medienpolitischer Rechtsstreit, bei dem es um die Pressefreiheit, wirtschaftliche Interessen und im Grunde auch das Gemeinwohl geht, mit dem sich die Dritte Zivilkammer am Landgericht Dortmund befassen muss.

Verletzt das Stadtportal dortmund.de das Gebot der Staatsferne der Medien?

Anwalt Michael Rath-Glawatz (li.) und Lambert Lensing-Wolff, Geschäftsführer der gleichnamigen Mediengruppe, erwarten das Eintreffen des Gerichts.

Um was geht es genau? Gegenstand der Klage ist das Angebot des Internetportals dortmund.de vom 15. Mai 2017. Der Vorwurf lautet, die Stadt habe in journalistischem Stil Inhalte, die über die reine Information zur kommunalen Verwaltungsarbeit und Tätigkeiten des Gemeinderates hinausgehe, veröffentlicht. Auf diese Weise verletze sie die im Grundgesetz verankerte Staatsferne der Medien und trete in marktwirtschaftliche Konkurrenz mit der freien Presse. Außerdem richtet sich die Klage gegen die Schaltung entgeltlicher kommerzieller Werbung auf den Seiten des Stadtportals.

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Die Klägerin fordert die Stadt Dortmund auf, es zu unterlassen, derartig journalistisch aufbereitete Inhalte, die über die reine Information der BürgerInnen zu Verwaltungsvorgängen und Planungen der Kommune hinausgehen, zukünftig in ihrem Telemedienangebot zugänglich zu machen und die Schaltung kommerzieller Werbung einzustellen.

Im Kern ist die Klägerin der Ansicht, das Gebot der Staatsferne der Medien werde hierdurch verletzt und die Kommune trete in Konkurrenz zur freien Presse. Man wolle erreichen, dass die Stadt zukünftig nur noch Inhalte der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit im gebotenen Umfang veröffentliche.

Außerdem sehe die Lensing-Wolff-Mediengruppe in den bemängelten Inhalten einen Eingriff in den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess, der ebenfalls der freien Presse und nicht staatlichen Organen obliege. Es gebe Marktverhaltensregelungen, die die redaktionellen Tätigkeiten von Kommunen auf eigene Aktivitäten beschränken würden.

Für die Kläger weist das Portal pressetypischen Charakter auf

Aktueller Screenshot des Stadtportals dortmund.de

Aber schon die Eigenwerbung des Portals dortmund.de habe dagegen verstossen, denn es sei zu lesen gewesen, das Portal „informiere über das Geschehen in der Stadt“. So würden Artikel aus den Bereichen Sport, Kultur, Gesundheit und vieles mehr erscheinen, die eigentlich Aufgabe freier journalistischer Arbeit wären.

Es würden Themen mit besonderer Bedeutung für die Stadt erscheinen, es gebe einen Newsticker und einen Veranstaltungskalender, Interviews und emotional aufgezogene Bilderstrecken. Das ganze Layout des Portals, sowie die Selbstdarstellung seien extrem pressetypisch.

Auf diese Weise definiere sich das Selbstverständnis einer lokalen Tageszeitung, aber nicht einer kommunalen Verwaltungseinrichtung. Die Stadt hingegen vertritt die Ansicht, dass die Inhalte des Portals sich im rechtlichen Rahmen bewegen. Das Internetangebot sei vorrangig nach kommunalrechtlichem Maßstab zu beurteilen. 

Gericht zog BGH-Urteil im Fall Crailsheim vom Dezember 2018 zu Rate

Richter Weiß, der Vorsitzende Richter Tim Schlözer und Richterin Saveska werden über die Klage urteilen.

Nach Paragraph 8 Absatz 1 des Kommunalrechts sei das Portal dortmund.de eine öffentliche Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift, die durch wirtschaftliche, kulturelle und soziale Beiträge den Auftrag des Gesetzes erfülle. Außerdem erfülle das Portal die Kriterien zur Selbstdarstellung und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des Grundgesetzes unter Paragraph 28, Absatz 2.1. Man komme der Verpflichtung zur öffentlichen Daseinsvorsorge nach, was eine Kernaufgabe der kommunalen Verwaltung sei.

Die Dritte Zivilkammer des Dortmunder Landgerichtes unter Vorsitz von Richter Tim Schlözer hatte sich im Vorfeld der Verhandlung eingehend mit der Klageschrift befasst und sie als zulässig eingestuft. Als eine Grundlage für ihre Entscheidung diente ihnen ein Urteil des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe vom 20. Dezember 2018.

Hier wurde entschieden, dass es der Stadt Crailsheim zukünftig untersagt ist, in ihrem kostenlosen Stadtblatt Beiträge pressemäßiger Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben der Gemeinde zu veröffentlichen. Staatliche Einrichtungen dürften sich bezüglich der Pressearbeit nur in engen Grenzen bewegen. Auch zur Sicherung der Meinungspluralität sei die Staatsferne der Medien geboten. Gegen dieses Urteil wurde Verfassungsbeschwerde eingereicht, über die noch nicht entschieden wurde.

Das Portal muss in einer Gesamtschau betrachtet werden – einzelne Verstöße nicht so gravierend

Außerdem stütze sich die Klage auf bestehende Wiederholungsgefahr. Die Klägerin hatte dem Gericht einen USB-Stick überreicht, auf dem sämtliche Inhalte des Portals vom 15. Mai 2017 gespeichert sind. Darauf sind beispielsweise Berichte, die eigentlich der Sportberichterstattung unterliegen würden. Ein Artikel unter dem Titel „Geschichten aus dem Viertel“ sei als typische lokale Berichterstattung zu werten.

Es gebe zahlreiche Artikel, die keinen thematischen Zusammenhang zu kommunalen Verwaltungstätigkeiten aufweisen würden und daher den Sachverhalt der Klage erfüllen. Der Bundesgerichtshof kam bei seinem Urteil im Dezember letzten Jahres zu der Auffassung, dass man das beklagte Medium in seiner Gesamtschau betrachten müsse, da einzelne grenzüberschreitende Artikel nicht unbedingt einen Verstoß gegen die Staatsferne der Medien bedeuten würden.

BGH gibt klare Vorgaben für die eigene Berichterstattung der Kommunen

Vor dem Landgericht Dortmund wird der Fall verhandelt.
Vor dem Landgericht Dortmund wird der Fall verhandelt.

Berichterstattung in einem kommunalen Medienformat habe sich auf Sachinformationen im weitesten Sinne zu beschränken, dürfe keine boulevard- oder pressemäßige Illustration vornehmen, staatliche Publikationen müssten als solche erkennbar sein und dürften nicht wie eine Tageszeitung aufgemacht sein. Außerdem müsse auf Elemente wie Glossen, Interviews und Kommentare verzichtet werden.

Es gebe rechtlich drei Handlungsformen in diesem Bereich. Zulässig seien kommunale Informationen, die das Ziel verfolgen, Politik und Recht verständlich zu machen. In diesen Fällen sei eine presseähnliche Aufbereitung zulässig, auch bei Angelegenheiten der Wirtschaftsförderung oder des Gemeinderates etc..

Als ausnahmsweise zulässiges Informationshandeln, würden demnach Infos über aktuelle Gefahrensituationen oder Gefahrenlagen eingestuft. Unzulässiges Informationshandeln seien Berichte über private Firmen, allgemeine Informationen, rein gesellschaftliche Ereignisse ohne kommunalen Bezug wie Sport-, Kunst- und Musikevents. Ferner jegliche in irgendeiner Form wertenden Artikel oder die Beratung der LeserInnen.

Es geht um das kommunikative Verhalten von Kommunen in der digitalen Welt

Verteidiger Andreas Okonek und Gernot Lehr im Gespräch mit WDR-Korrespondent Jürgen Kleinschnitger.

Das Gericht sei aufgrund dieser Überlegungen zu dem Schluss gelangt, dass das städtische Internetportal einen pressesubstituierenden Charakter aufweise. Schaue man sich die Inhalte vom USB-Stick genau an, werde deutlich, dass zahlreiche Artikel Grenzüberschreitungen bedeuten würden, da sie sich außerhalb der zulässigen Themenbereiche befinden, pressetypisch präsentiert und keinen Bezug zu Gemeindeaktivitäten aufweisen würden.

„Über die Zulässigkeit des Unterlassungsantrages muss das Gericht entscheiden. Wir halten den Hauptantrag für unzulässig“, so Rechtsanwalt Gernot Lehr von der renommierten Anwaltskanzlei Redeker, Sellner und Dahs, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Okonek und dem Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau, sowie dem stellvertretenden Leiter des Rechtsamtes der Stadt Dortmund, Dirk Otto Arndts, für die Beklagtenseite an der Verhandlung teilnahm.

Und Lehr erläuterte weiter, dass die zentrale Thematik der Verhandlung nicht das presseähnliche Erscheinungsbild des Internetportals und seiner Inhalte sei, sondern, dass es grundsätzlich um das Gebot der Staatsferne von Medien ginge, und ob dieses durch dortmund.de verletzt würde.

Es gebe in diesem Bereich kein absolutes Verbot für Kommunen und es sei schwierig die Grenzen zu definieren. Es stelle sich grundsätzlich die Frage, wie Kommunen in der modernen Kommunikationsgesellschaft öffentlich berichten und sich beteiligen dürften.

Hat die Stadt das Recht eventuelle Informationslücken zu schließen?

Vor Gericht führte Lehr weiter aus, dass in Dortmund ein informatives Ungleichgewicht herrschen würde, welches die Lensing-Wolff-Mediengruppe mit ihrer Publikation „Ruhr Nachrichten“ in einer Art Monopolstellung dominieren würde. Viele Themen, die die BürgerInnen in Dortmund interessieren würden, würden jedoch von dem Medium nicht aufgegriffen und berücksichtigt.

Daher wolle man diese Informationslücke durch die Veröffentlichungen des Stadtportals schließen. In einer aktuellen Stellungnahme der Stadt heißt es hierzu: „Auf einem immer enger werdenden Medien-Markt wird die Pressefreiheit somit vorgeschoben, um eigene Informationsdefizite der Berichterstattung nicht offenbar werden zu lassen.“

Und weiter: „Im Rahmen der organisatorischen Neuaufstellung von Medienhäusern – bedingt durch den digitalen Wandel – fallen leider inhaltlich viele lokale und regionale Themen durch den Rost. Das widerspricht dem Informations-Interesse vieler Bürgerinnen und Bürger. Das Leben in der Stadt wird nicht mehr in all seinen Facetten und sachgerecht dargestellt. Häufig gibt es Beispiele für mangelhafte Informationen. Das kann nicht die Maxime redaktionellen Handelns sein.“

Stadt beruft sich auf Meinungspluralität und Themenvielfalt

Werden die Ruhrnachrichten - nicht zuletzt wegen der Bezahlschranken - noch ihrem Auftrag gerecht? Die Stadt bezweifelt dies.
Werden die RN – nicht zuletzt wegen der Bezahlschranken – noch ihrem Auftrag gerecht? Die Stadt bezweifelt dies.

Themen zu marginalisieren und Sachverhalte nicht zu berichten, sei nicht im Sinne von Pressefreiheit und Meinungsvielfalt. Für die Demokratie, das Zusammenleben und die kommunalpolitische Kultur sei Informationsvielfalt unabdingbar. 

Rechtsanwalt Gernot Lehr zeigte sich überrascht, dass das Urteil des BGH im Fall Crailsheim zu Rate gezogen worden sei, denn nach seiner Ansicht passe dies nicht zum vorliegenden Sachverhalt. Es gebe das Verbotsmerkmal der presseähnlichen Präsentation kommunaler Medien im staatlichen Rundfunkstaatsvertrag, aber nicht in Artikel 5 des Grundgesetzes.

Man sei sich im Grunde einig, dass der Staat keinen beherrschenden Einfluss auf die Medienvielfalt ausüben dürfe. Weder im Print- , noch im Online-Bereich gebe es ein pressebezogenes Totalverbot für die öffentliche Hand. Im Gegenteil seien die Kommunen dazu aufgerufen, die Attraktivität ihrer Städte zu fördern und nicht nur über kommunale Abläufe zu berichten.

Es bedarf einer Anpassung analoger Rechtssprechung in digitalen Zeiten

Es gelte der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass über alle wichtigen Planungen und Entwicklungen berichtet würde – nicht nur da, wo die Gemeinde als Behörde beteiligt sei. Die Kommunen sollten auf diesem Wege für Transparenz und Partizipation der BürgerInnen sorgen. Das BGH-Urteil beziehe sich auf Printmedien. 

Der digitale Wandel mache neue Informations- und Kommunikationswege geradezu notwendig und es könne nicht angehen, dass man die Kommunen von diesem Prozess ausschließen wolle. Natürlich müsse man immer darauf achten, dass die freie Presse hierdurch nicht substituiert würde. 

Es bedürfe in dieser Hinsicht einer Anpassung und Fortentwicklung der analogen Rechtssprechung in digitalen Zeiten, um Grenzen zu definieren und abzustecken. Es gelte zu klären, ob allein die freie Presse dafür verantwortlich sein könne, welche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden und welche eben nicht.

Darf allein die freie Presse entscheiden, welche Informationen verbreitet werden?

Umfangreich sind die Akten in diesem Fall.Das Urteil wird mit Spannung erwartet.

Und auch beim Thema presseähnlicher Aufmachung erklärte der Anwalt, dass nirgendwo festgelegt sei, dass formale Sachlichkeit trist, grau und langweilig präsentiert werden müsse. In diesem Bereich sei eine gewisse Gestaltung und Aufmachung durchaus zulässig und man dürfe sich auch gewisser Überschriften bedienen.

Aus Sicht eines Oberbürgermeisters, der die Stadt nach vorne bringen und darstellen möchte, sei die Stadt Dortmund relativ dynamisch unterwegs. Man habe in den letzten Jahren mehrere Preise entgegen nehmen dürfen, erläuterte Ullrich Sierau die Position der Stadtverwaltung. In der Stellungnahme der Stadtverwaltung heißt es hierzu: 

„Für diesen Ansatz der Partizipation, der eine sachbezogene und objektive Berichterstattung verfolgt, ist die Stadt mehrfach ausgezeichnet worden. Im Jahr 2014 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und 2017 mit dem ,Verwaltungs-Oscar‘, dem ,European Public Sector Award‘, bei dem sich Dortmund gegen 69 weitere Konkurrenten europaweit durchgesetzt hat.“

Die Verantwortlichen würden Wert darauf legen, dass Entscheidungen, die getroffen werden, möglichst transparent kommuniziert und die Meinung der Bevölkerung berücksichtigt würde. 

Der Stadt Dortmund geht es um Transparenz und BürgerInnenbeteiligung

Es gehe besonders beim Stadtportal um eine Form der Bürgerbeteiligung, die zur Qualifizierung der Entscheidungsprozesse diene: „Wenn die BürgerInnen Teil des Prozesses sind, steigt die Akzeptanz für städtische Planungen und Projekte. Viele Projekte werden dann auch nicht mehr beklagt“, so Oberbürgermeister Ullrich Sierau vor Gericht. Dortmund genieße mittlerweile ein sehr hohes Ansehen bei Investoren: „Was wir in einem Jahr kommunal durchbekommen, dauert woanders sieben oder acht Jahre“, so der OB weiter.

Die Klage von Lensing-Wolff komme nun inmitten dieser positiven Entwicklung: „Es geht offensichtlich darum, dass man uns beschränken, uns einen Maulkorb verpassen will.“ Sierau habe für gewisse Aspekte der Klage Verständnis, aber die Verwaltung sei lediglich ihrer Verpflichtung nachgekommen, komplexe Sachverhalte für die BürgerInnen nachvollziehbar und attraktiv zu gestalten.

Viele Menschen würden das Angebot des Stadtportals begrüßen, da sie viele Themen in den lokalen Medien einfach nicht finden würden. Dies sei laut Sierau eine Missachtung bürgerlichen Engagements. Wir würden heutzutage in einer Welt voll kleinteiliger Milieus leben, die in der medialen Berichterstattung berücksichtigt werden wollten. Eine Tageszeitung allein könne diese ungemeine Interessenvielfalt bei bestem Willen nicht abbilden.

Dürfen Kommunen als Korrektiv der freien Presse fungieren?

Das Landgericht Dortmund wird am 8. November 2019 das Urteil verkünden.
Das Landgericht Dortmund wird am 8. November 2019 das Urteil verkünden.

Das Argument der Pressefreiheit sei in diesem Fall vorgeschoben worden, um über eben diese Informationsdefizite hinwegzusehen. Daher vertrete er die Auffassung, dass die Klage unbegründet sei, so Sierau. Das BGH-Urteil vom Dezember 2018 sei kein tolles Weihnachtsgeschenk für die Kommunen gewesen, aber man sei bereit enge Reglementierungen zu akzeptieren.

In keinster Weise wolle man durch städtische Aktivitäten die Pressfreiheit einschränken, aber man müsse bei diesem Begriff auch bedenken, dass es eigentlich um eine relative Pressefreiheit ginge, denn schließlich müsste man für die Angebote der freien Presse ja auch bezahlen. Die allgemeine Berichterstattung richte sich oft gegen die Entscheidungen der Stadt, wobei Positives gern verschwiegen oder unzutreffend dargestellt würde. Hier müsste man der Stadt die Chance zur Korrektur und Richtigstellung bieten.

Pressefreiheit implementiere auch den Informationsauftrag und die Kommune sei nicht der Staat, sondern ein Teil der Zivilgesellschaft. Man wolle keine eigene Medienlandschaft schaffen oder die Ruhr Nachrichten bekämpfen, weil einem die Berichterstattung der freien Presse missfiele, sondern es ginge darum, der Öffentlichkeit Informationsvielfalt zu bieten und Versäumnisse der freien Presse zu kompensieren.

Die Klageseite unterstellt dem Portal ein journalistisches Selbstverständnis

Lambert Lensing-Wolff, Geschäftsführer des Lensing-Wolff-Verlages, betonte, dass man die Stadt ja auch gar nicht in ihren Bemühungen, Bürgerbeteiligung und Transparenz zu schaffen, einschränken wolle. Von einem Maulkorb könne nicht die Rede sein, aber man wolle Grenzziehungen erreichen. Und der Zweck könne nicht die Mittel heiligen und so erzeuge das Erscheinungsbild des Stadtportals ein journalistisches Selbstverständnis.

Wenn die Ruhr Nachrichten kritisch berichten würden, werde daraus abgeleitet, dass Positives zu kurz käme. Dabei habe der Verlag sich jahrelang das Motto „Froh in DO!“ auf die Fahnen geschrieben und sich bemüht, gute Themen zu finden und sachgerecht und fair zu berichten. Und Themen, die nicht von den Ruhr Nachrichten behandelt würden, würden von anderen lokalen Medien aufgegriffen.

Die Medienlandschaft sei im Wandel und es müsse diese Auseinandersetzung zwischen Politik und den Medien geben. Es sei jedoch fatal für die Demokratie, wenn der Staat einfach selbst aktiv werden könne, um sich seine eigene korrekte Presse zu machen, wenn ihm die öffentliche Berichterstattung nicht passe. Solche Entwicklungen gelte es vehement zu verhindern, der Staat dürfe kein Korrektiv der freien Presse sein, so Lensing-Wolff. 

Es ist das Recht der freien Presse, Informationen zu filtern und nach Relevanz einzuordnen

Auch wenn sich OB Ullrich Sierau und Verleger Lambert Lensing-Wolff gut zu verstehen scheinen, konnte keine gütliche Einigung erreicht werden.

Der Verleger wurde als Kläger von Anwalt Dr. Michael Rath Glawatz unterstützt. Dieser machte darauf aufmerksam, dass es sich um ein grundlegendes Missverständnis handele, wenn davon ausgegangen würde, der Staat sei dazu befugt, Informationsdefizite der freien Presse auszugleichen. Der Staat sei hierzu in keinster Weise legitimiert.

Man nehme nur an in Ostdeutschland würde ein AfD-Kandidat Ministerpräsident und wäre mit der Berichterstattung der freien Presse nicht einverstanden. Solle es dann etwa möglich sein, dass er die „Lügenpresse“ durch eine eigene Publikation ersetzen könnte? Dies sei die völlig verkehrte Entwicklung und müsse auf jeden Fall verhindert werden.

„Gefällt nicht, also mach ich selbst“, sei keine Option. Auch dürfe der Staat nicht als Korrektiv fungieren, denn bei falschen Angaben und Schilderungen gebe es presserechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Es sei das verfassungsmäßige Recht der freien Presse, Informationen zu filtern und nach Relevanz einzustufen. Die Stadt könne hier nicht einfach ein eigenes Medium kreieren, welches Inhalte über ihre verwaltungstechnischen Belange hinaus verbreite.

Das Landgericht Dortmund wird am 8. November 2019 das Urteil verkünden

Nachdem die Verfahrensparteien ihre Argumente vorgebracht hatten, unterbreitete Gernot Lehr ein Angebot der Beklagtenseite. Man sei bereit sich zu verpflichten, entgeltliche kommerzielle Werbung auf den Seiten des Portals zu unterlassen. Bei Zuwiderhandlung verpflichte man sich, ein Bußgeld in Höhe von 250.000 Euro zu entrichten, ersatzweise sechs Monate Ordnungshaft. 

Ferner werde man von Artikeln wie über die BVB-Meisterfeier 2012 künftig Abstand nehmen, sofern diese den Charakter von Sportberichterstattung aufweisen sollten, obwohl die Stadt Veranstalterin der Meisterfeier gewesen sei. Abgesehen davon beantragte die Verteidigung die Abweisung der Klage. Über die gemachten Vorschläge wird die Klägerseite beraten und schriftlich hierzu Stellung beziehen. Ferner muss das Gericht noch über eine Verjährungseinrede der Beklagten und den Streitwert der Klageschrift in Höhe von 500.000 Euro entscheiden.

Auch für die zuständigen RichterInnen ist dieser Fall nicht alltäglich und sie sind sich der Tragweite der Auswirkungen ihres Urteils bewusst. Dieses wollen sie am 8. November 2019 verkünden. Es wird bundesweit mit Spannung erwartet, da viele Kommunen und ihre lokalen Medien vor derselben Problematik stehen. Sollte das Urteil des Landgerichtes Dortmund auf dem Rechtswege von einer der Parteien angefochten werden, würde der Fall in die nächste Instanz gehen. Dann ginge es vor dem Oberlandgericht weiter. Wegen des richtungsweisenden Charakters könnte der Fall allerdings bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen.

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Weitere Informationen:

  • Der Städtetag NRW unterstützt die Stadt Dortmund in ihrem Anliegen. In einem Beschluss des Vorstandes vom 8. November 2017 heißt es: „Online-Auftritte der Städte sind heute unverzichtbar zur Information der Öffentlichkeit und haben zudem eine besondere Relevanz für das Stadtmarketing. Deshalb müssen die Online-Auftritte zeitgemäß gestaltet werden.
  • Eine journalistische Aufbereitung von Inhalten ist für Städte in ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwingend notwendig, um ihren Informationsauftrag gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erfüllen zu können.“
  • Auch der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages in Berlin hat sich hinter die Dortmunder Position gestellt. Das wurde schon zu Beginn der Auseinandersetzung von der ehemaligen Präsidentin Eva Lohse und ihrem damaligen Nachfolger als Präsident, Markus Lewe, gegenüber der Stadt Dortmund deutlich gemacht.
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Reaktionen

  1. Leser

    Bei allem Respekt-der Vorwurf, dass die Ruhr Nachrichten kritisch über Aktivitäten der Stadt Dortmund berichten würden, geht fehl.

    Das tun sie als Monopolist, der sich den Zugang zu Entscheidungsträgern und Informationen nicht verscherzen will, definitiv nicht. Man fragt sich oft genug, warum Pressemitteilungen der Stadt unreflektiert und ohne jegliche eigene -auch mal investigative- Recherche nahezu wort-, aber fast immer inhaltsgleich selbst bei offenkundig schön gefärbter städtischer Darstellung übernommen werden.

    Aber auch anders herum ist das Argument der kritischen Berichterstattung absurd.

    Das wäre ja nun wirklich originäre Aufgabe der Presse-wenn sich die Kommune benachteiligt fühlen würde, hötte sie genügend Möglichkeiten, gegenzusteuern und sich zu wehren

    Diese von Sierau vorgebrachte Argumentation würde doch eher der Klögerseite in die Hände spielen und ist auch vom Verfassungsverständnis her .betrachtet ausgesprochen kritisch.

    Ansonsten muss man aber konstatieren, dass gerade die Ruhr Nachrichten mir ihren Print-und insbesondere dem Onlineportal gerade nicht den „gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess“ fördern, in dem sie quasi über Gebühr Gebührenpflicht für ihre Onlineportal einfordern und so den gesellschaftlichen barrierefreien -Geld ist in diesem Fall eine Barriere- Meinungsbildungsprozess gerade nicht fördern.

    Gerade der Onlinemarkt der Information verkommt zusehends zu einer Grauzone, in der Bürger*innen nicht nur durch Bezahlschranken vom Informationszugang ausgeschlossen werden, sondern verstärkt gezielten Manipulationen durch unzulängliche, interessengesteuerte oder gar komplette Fakenews ausgesetzt sind. Der letzte US-Wahlampf -ist er eigentlich schon vorbei ?- hat das doch deutlich vor Augen geführt.

    Der Sachverhalt ist schwierig und in der Tat von grundlegender Bedeutung für die sog. „vierte Gewalt“ und damit einen wesentlichrn Eckpfeiler unserer Demokratie in unserem Land, gerade in Zeiten, in denen elementare Grundrechte nicht mehr nur in fernen Diktaturen, sondern zunehmend auch inmitten in Europa massiv bedroht sind.

    Leider hat man den Eindruck, dass es der Lensing-Gruppe weniger um Informations-und Pressefreiheit -also um Grundrechte- denn schlicht und ergreifend um wirtschaftliche Interessen geht, die es als Monopolist zu verteidigen gilt.

    Ein Monopol auf den kommunalen „gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess“ darf es aber weder beim Staat, in dem Fall der Kommune oder einem Verlagshaus geben.

    Man darf auf das Urteil und die nachgehenden Reaktionen gespannt sein.

    Bis dahin können die Ruhr Nachrichten mal netter werden und ihre Bezahlschranken reduzieren.

    Dann gibts auch wieder mehr Klicks und dadurch mehr Werbeeinahmen.

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