Landgericht: In einem Vergewaltigungsfall in der Nordstadt könnte die Polizei den falschen Tatort untersucht haben

Nach der Beweisaufnahme am Landgericht (Foto) erhärtet sich der Verdacht, die Ermittlungsbeamten könnten den falschen Tatort oder zumindest nicht den konkreten Ort des Geschehens untersucht haben. Foto: Alex Völkel

Von Sascha Fijneman

Verhandlungstag 3 am Landgericht Dortmund im Prozess um ein Vergewaltigungsdelikt in der Nordstadt: Für Rechtsanwalt Lukas Pieplow erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass die ermittelnden BeamtInnen den falschen Tatort oder zumindest nicht den konkreten Ort des Geschehens untersucht haben.

Aussagen des Opfers werden durch Zeugin zum größten Teil bestätigt

Der Verteidiger hatte sich die Mühe gemacht, den Tatort zu besichtigen und zu fotografieren. Dabei war ihm aufgefallen, dass es einen zweiten, leicht zu übersehenden Zugang in den Hinterhof an der Holsteiner Straße über die Borsigstraße gibt.

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Es ist wahrscheinlich, dass die Geschädigte – entgegen ihrer Aussagen – über diesen Weg in den Hof gelangt ist. Hierdurch würden sich einige Unstimmigkeiten in den Aussagen des Opfers und den Angaben der Polizei erklären.

Unter anderem würde das erklären, warum am Tatort keine Haare gefunden wurden, die dem Opfer in großen Büscheln ausgerissen sein worden sollen und auch keine Scherben der zerbrochenen Flasche, die die Geschädigte dem Täter auf den Schädel geschlagen haben soll (wir berichteten).

Die Aussagen der Geschädigten werden hingegen durch die Anhörung einer Zeugin untermauert.  Die Anwohnerin hatte  die Hilferufe des Opfers gehört, die Polizei gerufen und sich anschließend um die Geschädigte gekümmert.

Zeugin berichtet von Haarbüscheln am Tatort; Spurensuche verlief jedoch ergebnislos

Der Angeklagte Toader Silviu E. und Anwalt Pieplow, der seinen Mandanten immer wieder zur Ruhe ermahnen musste. Nach der Aussage des Opfers will sich der Tatverdächtige zu den Vorwürfen äußern. Foto: Sascha Fijneman
Anwalt Lukas Pieplow und sein Mandant. Foto: S. Fijneman

Sie berichtete, dass sie nachts durch Hilferufe geweckt worden sei. Nachdem sie zunächst annahm noch zu träumen, seien die Schreie immer lauter und extremer geworden. Sie sei auf den Balkon getreten und habe zunächst im Hinterhof verstreute Kleidungsstücke gesehen, bevor sie die Geschädigte, die unter ihrem Balkon kauerte, bemerkte.

Das Opfer habe unter Schock gestanden, gezittert und geweint und sofort geschildert, dass es vergewaltigt worden sei. Um sicher zu gehen, dass der Täter nicht mehr in der Nähe war, sei die Zeugin der Kleiderspur zu dem Ort gefolgt, den die Geschädigte ihr als Tatort geschildert hatte.

Und dort stieß sie tatsächlich auf Spuren, die die Aussagen der Geschädigten bestätigen. „Die Frau sagte, das Ganze habe auf dem Spielplatz stattgefunden. Als ich dort ankam sah ich viele Haarbüschel. Außerdem war es dem Opfer auch anzusehen. Sie hatte große kahle Stellen am Kopf und sah richtig zerzaust aus“, so die Zeugin.

Da die Geschädigte, zumindest die untere Körperhälfte, völlig unbekleidet gewesen sei, habe die Zeugin sie mit zu sich in die Wohnung genommen und ihr eine Jogginghose gegeben. Später seien Polizeibeamte dazu gekommen, hätten das Opfer weiter befragt und ihr „irgendetwas“ auf dem Smartphone gezeigt.

Kripobeamte sollen als Zeugen Licht ins Dunkel bringen

Auch wenn die Zeugin nicht sagen konnte, worum es sich dabei handelte und auch die Aussagen des geladenen Polizeibeamten diesen Aspekt nicht erwähnen, korrespondiert diese Aussage mit dem Bericht des Opfers, man habe ihr unmittelbar nach der Tat ein Foto vorgelegt, auf dem sie den Täter unzweifelhaft hätte identifizieren können. 

Der Polizeikommissar wies jedoch darauf hin, dass er sich das kaum vorstellen könne. „Eigentlich kann ich das ausschließen, weil es rechtlich nicht zulässig ist“, so der Beamte. Am zweiten Verhandlungstag wurden dem Opfer verschiedene Fotos vorgelegt, laut ihrer Aussage jedoch nicht das, welches ihr am Tatabend präsentiert wurde. 

Um hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen, beantragte die Staatsanwaltschaft die Zeugenladung der Kripobeamten, die mit dem Fall betraut waren. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Rauhaus zeigte sich damit einverstanden.

Aussage des Polizeikommissars bekräftigt die Vermutung der Verteidigung

Durch die Aussagen des Polizeibeamten wurde noch ein weiteres Problem offensichtlich. Denn als die Beamten der Polizei den Hinterhof über die Holsteiner Straße betraten, mussten sie zunächst einen circa 1,80 Meter hohen Zaun überwinden, um zu dem Balkon der Anwohnerin zu gelangen, unter den sich die Geschädigte geflüchtet hatte.

Auch das Opfer hätte bei seiner Flucht dieses Hindernis überqueren müssen. Anwalt Pieplow hakte nach, ob der Beamte dies angesichts des Zustands, in dem er die Geschädigte angetroffen habe, für möglich halte. „Schwer zu beurteilen. Aber ich weiß nicht, zu was Menschen in der Lage sein können, wenn sie um ihr Leben fürchten“, antwortete der Polizeikommissar.

Des Weiteren erklärte er, die Geschädigte hätte vor Ort eine präzise Täterbeschreibung abgeben können, woraufhin alle verfügbaren Kräfte zur Fahndung aufgerufen worden seien. Kurz darauf sei im Fahndungsbereich ein Mann festgesetzt worden, der nach erkennungsdienstlicher Behandlung jedoch nicht als Täter in Frage gekommen sei.

Rolle eines rätselhaften Täterfotos bleibt weiter unklar

Bei der Täterbeschreibung soll die Geschädigte eine auffällige Lederjacke mit vielen Reißverschlüssen an den Armen erwähnt haben. Laut Aussage des Opfers soll der Mann auf dem Foto, dass man ihr unmittellbar nach der Tat in der Wohnung der Anwohnerin gezeigt hatte, solch eine Jacke getragen haben.

Wo dieses Bild abgeblieben ist und warum es nicht in den Ermittlungsakten auftaucht, nachdem die Geschädigte behauptet, den Täter darauf zweifelsfrei identifizieren zu können, bleibt unklar und wird womöglich durch die noch ausstehenden Aussagen der Kripobeamten aufgeklärt. Der Prozess wird am 22. Januar 2019 fortgesetzt.

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