Grabkapelle und Gruftkammern: Fundamente einer Ruhestätte von Dortmunder Bergwerksfamilie auf WILO-Gelände entdeckt

Archäolog*innen legten auf dem WILO-Gelände Ruhestätten der Familie von Romberg frei. Foto (3): Roland Gorecki

Auf einer Fläche von knapp 194.000 Quadratmetern entsteht in Hörde mit dem WiloPark der neue Stammsitz von WILO SE, der eine innovative Produktions- und Entwicklungsstätte, die Verwaltung und den Kundenservice an einem Ort vereint. Seit 2017 begleiten die Denkmalbehörde der Stadt Dortmund und die Archäologen der Firma LQ-Archäologie die Neu- und Umbauarbeiten auf dem Firmengelände. Denn „unter Flur“, so vermuteten die Experten, sollten die Relikte der Grabkapelle der Familie von Romberg liegen. Also wichtige Zeugnisse von den Rombergs, die als Industriellenfamilie wie kein anderes Unternehmen die Ära des Steinkohlenabbaus in Dortmund geprägt hat. Die Vermutungen haben sich bestätigt und die Funde sind inzwischen komplett freigelegt.

Fund zeugt vom Einfluss der Familie Romberg in der Region

Die Geschichte der von Rombergs reicht weit in das Mittelalter zurück. Die Familie saß in Brünninghausen sprichwörtlich auf der Steinkohle. Bereits Caspar von Romberg (1575-1641) begann an der Peripherie von Haus Brünninghausen im frühen 17. Jahrhundert, die oberflächennahe Steinkohle abbauen zu lassen. ___STEADY_PAYWALL___

Aufgrund der Investitionsfreudigkeit und dem mutigen Einsatz innovativer Technologien (Newcomb’sche Dampfmaschine) avancierten die von Rombergs zu einer der reichsten und einflussreichsten Bergwerksfamilien.

Um für sich und seine Familie eine „standesgemäße“ Begräbnisstätte vorweisen zu können, beauftragte der damalige Schlossherr, Clemens Conrad von Romberg (1803-1869), den Baumeister Cornelius Frank, einen hessischen Baumeister, mit der Errichtung einer Familienkapelle. Kapelle und umgebender Friedhof wurden durch Mauer begrenzt und der Zutritt erfolgte über ein mächtiges Eisentor.

Erste Ausgrabungen 2017 zur Überprüfung des „Verdachts“

Die Ausgrabungen in den Jahren 2017 und 2018 dienten der Überprüfung des Verdachts. Die damaligen Suchschachtungen fanden dabei unter besonderen Bedingungen statt. Denn zu diesem Zeitpunkt musste der Produktionsbetrieb in dem Verdachtsbereich noch laufen. So fahndeten die Archäologen unter dem Dach der Werkshalle zwischen fahrenden Gabelstaplern nach Hinweisen auf den Bestattungsplatz. Eine Herausforderung für beide Seiten, die aber dank enger Zusammenarbeit reibungslos funktionierte.

Im Zuge dieser Untersuchungen konnten zahlreiche Belege gesammelt werden, die die Existenz der Grabkapelle und der Gruftanlagen „unter Flur“ bestätigten. Unklar war zu dem Zeitpunkt noch der Zustand und die exakte Ausdehnung der Bodendenkmäler, da die Eingriffe aufgrund des laufenden Betriebs nur sehr kleinräumig stattfinden konnten.

Fundamente konnten komplett freigelegt werden

Nach erfolgreichem Umzug in die neue Produktionshalle findet seit August dieses Jahres im Zuge des Rückbaus der alten Werkshalle die vollflächige Ausgrabung der Relikte statt.

Vorsichtig wurde der ehemalige Hallenboden von den schweren Baggern aufgestemmt, um die darunter liegenden Geschichtszeugnisse nicht zu beschädigen. Ein lohnender Aufwand.

Die Archäolog*innen haben die Fundamente der rombergschen Grabkapelle samt der zentralen Doppelgruftanlage nun vollständig freilegen können. Etwa 15 x 15,80 Meter misst das Fundament. Die etwa 2 Meter breiten Kapellenmauern sind in das Mergelgestein eingetieft. Deutlich sind die Bergschäden im Fundament als mächtige Setzungsrisse zu erkennen.

Westlich der Kapellenfundamente konnten die Fachleute insgesamt 15 Gruftanlagen dokumentieren. Es handelt sich dabei um Bauten aus Ziegelstein, deren Inneres zwischen 2,10-2,35 Meter lang und etwa 0,82-0,96 Meter breit ist. Ausnahme bilden zwei sehr kleine Grüfte und eine, womöglich später unterteilte, Doppelgruft. Die Größe der Kammern und die darin gefundenen menschlichen Knochenreste bestätigen, dass hier Kleinkinder bestattet gewesen sein müssen, die das vierte oder fünfte Lebensjahr nicht erreicht haben dürften. Immer wieder fanden sich in den Grüften Reste von Wandverputz und Marmorplatten, ein Beleg für Stand und Status der hier bestatteten Menschen.

Durch Ausgrabungen wird Familiengeschichte greifbarer

Wer in den einzelnen Grüften seine letzte Ruhe fand, lässt sich heute anhand des archäologischen Befundes nicht mehr klären. Der Grund dafür liegt 110 Jahre zurück. Im Jahr 1913 wurden an der Kapelle massive Bergschäden festgestellt, die fast zum Einsturz des Gotteshauses geführt hätten. Um das Andenken seiner Familie nicht durch den Einsturz zu gefährden, erwarb Clemens von Romberg (1863-1923), ein Enkel des Erbauers, eine Kirche in Buldern und ließ sie zu einer Gruftkirche mit 48 Sargnischen umbauen. Die Bestattungen in Dortmund wurden allesamt exhumiert und nach Buldern überführt. Auch Clemens von Romberg zog sich von Dortmund auf ein Schloss der Familie in Buldern zurück.

Der Dortmunder Heimatforscher und 1. Vorsitzender vom Hörder Heimatverein Willi Garth kann diese historischen Ereignisse bestätigen und ergänzt: „Als die Zeche Crone 1913 im Kapellenwald einen tiefen Schacht legte, stieß man auf alte Gänge der Zeche Felicitas. Der folgende Abbau verursachte nicht nur an Gebäuden in Hacheney starke Bergschäden, auch die Kapelle und der Friedhof selbst wurden erheblich betroffen. Kurz vor dem ersten Weltkrieg entschloss man sich, die sterblichen Überreste aller dort bestatteten Ahnen zum Familiensitz derer von Romberg nach Buldern zu überführen.“

Mit dem Wegzug sollten auch sämtliche Ländereien und das Schloss Brünninghausen verkauft werden. Der Erste Weltkrieg verzögerte dieses Vorhaben allerdings, sodass erst sein Sohn Gisbert III in den Jahren 1926/27 den Verkauf des Anwesens vollziehen konnte. Mit dem Verkauf und der Aufgabe des Stammsitzes in Dortmund wurde auch die Grabkapelle der Familie von Romberg bis auf die Grundmauern abgetragen. Mit der Errichtung neuer Werkshallen Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde das rombergsche Friedhofsareal durch eine dicke Betondecke verschlossen und geriet in Vergessenheit.

Fast zeitgleich mit dem Rückzug der von Rombergs aus der Montanindustrie (1873) wurde 1872 in Dortmund mit der Gründung der „Kupfer- und Messingwarenfabrik Louis Opländer“ der Grundstein für das heutige Weltunternehmen Wilo gelegt.

Digitale Lösung macht Strukturwandel – vom Bergbau zu Hightech – erlebbar

Durch die Bedeutung der Familie Romberg für die Region sind die Relikte von großer Bedeutung für die Stadt Dortmund, die Geschichte der Region und müssen daher erhalten werden. So die Forderung der Denkmalbehörde. Als traditionsbewusstes Unternehmen ist auch die WILO SE an dem Erhalt der Relikte interessiert. Es musste also eine Lösung gefunden werden, die einerseits den Erhalt der Geschichtszeugnisse gewährleistete, andererseits aber auch die Realisierung der langjährigen Planung garantierte.

Eine Zeitkapsel für die Nachwelt: Grundsteinlegung für „Wilo-Office 2020“. Fotos: Thomas Engel
Grundsteinlegung für „Wilo-Office 2020“ im Sommer 2018. Foto: Thomas Engel

Die Lösung: die geplante Brunnenskulptur vor der geplanten Hauptverwaltung, die im Bereich des zukünftigen Bodendenkmals errichtet werden sollte, wird wenige Meter versetzt installiert. So bleiben die historischen Fundamente, die zukünftig wieder unter einer mächtigen Sandschicht und etlichen Metern Vlies geschützt im Boden liegen, von der weiteren Planung unberührt. Um den Besuchern dennoch die Bedeutung des geschichtsträchtigen Ortes nahezubringen, hat die WILO SE eine digitale Rekonstruktion des Bodendenkmals initiiert.

Zukünftig liegt über den historischen Natursteinfundamenten der Grabkapelle, die dann als eingetragenes Bodendenkmal in der Denkmalliste der Stadt Dortmund geführt werden, der Platz vor dem Firmensitz des High-Tech-Unternehmens WILO SE und die ehemalige Familienkapelle der von Rombergs lässt sich mittels Smartphone, Tablet oder PC virtuell hautnah erfahren. Plastischer kann der über einen langen Zeitraum wirkende Strukturwandel für Dortmund kaum vor Augen geführt werden.

 

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