Gedenken an die Pogromnacht: Unzählige Akteure in Dortmund beziehen eindeutig Stellung gegen Antisemitismus 

Jüdisches Leben und Kultur gehört zu Dortmund und zu Deutschland. Durch die Beteiligung unzähliger Schulen am Gedenkprogramm wird die Erinnerungskultur in die nächste Generation transportiert. Fotos (2): Klaus Hartmann
Jüdisches Leben und Kultur gehören zu Dortmund und zu Deutschland. Durch die Beteiligung unzähliger Schulen am Gedenkprogramm wird die Erinnerungskultur in die nächste Generation transportiert. Fotos (2): Klaus Hartmann

Anlässlich des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht laden verschiedene Organisationen und Vereine, Initiativen und Gruppen zu Gedenkveranstaltungen für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors ein. Die größte Veranstaltung findet in Dortmund-Dorstfeld statt. Über 200 Akteure sind allein hier an den Gedenkfeierlichkeiten beteiligt. Ein breite zivilgesellschaftliche Basis hat sich zusammengefunden, die engagiert alle Dortmunder BürgerInnen dazu aufruft, sich ihr anzuschließen und Farbe zu bekennen. Durch die Teilnahme von unzähligen Schulen, die mit Ausstellungen und Vorlesungen ein Rahmenprogramm gestalten werden, wird deutlich, dass auch die nächste Generation gegen das Vergessen kämpft, sich ihrer Verantwortung bewusst ist und Zivilcourage beweist.

Dorstfeld hofft auf die Solidarität aller Dortmunder BürgerInnen

„Antisemitismus - Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel
Eine breite zivilgesellschaftliche Basis bekennt in Dorstfeld. Farbe. Foto: Alex Völkel

In diesem Jahr jähren sich die nationalsozialistischen „Novemberpogrome“ zum 80. Mal. Am 9. November 1938 kam es im ganzen Land zu organisierten antisemitischen Angriffen: Synagogen wurden in Brand gesetzt, jüdische Einrichtungen, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört und geplündert.

Auch in Dortmund wurden Synagogen zerstört – das prächtige Gotteshaus am Wall wurde sogar auf Kosten der Jüdischen Gemeinde abgerissen. Die Pogrome markierten einen gewalttätigen Übergang zu der systematischen Verfolgung von jüdischen Menschen in Deutschland, die in der Shoah, der grausamen Vernichtung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden, mündete. 

„Auch dieses Jahr werden wir wieder in Dorstfeld an die schrecklichen Ereignisse erinnern und gemeinsam zeigen, dass wir Verantwortung tragen und Antisemitismus in Dortmund keinen Platz haben darf,“ betont Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze. Und gerade in Dortmund-Dorstfeld ist eine solche Veranstaltung dringend notwendig, um den dort ansässigen Neonazis die Stirn zu bieten und zu zeigen, dass Dorstfeld nicht ihr „Kiez“ ist, sondern Toleranz und Respekt als demokratische Grundwerte überall in Dortmund gelten.

Beim Gedenken an die Pogromnacht stehen für Ralf Stoltze ausdrücklich die jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Terrors im Vordergrund. „Wir erhoffen uns hier in Dorstfeld die Solidarität aller DortmunderInnen im Kampf gegen Rechts. Im Sommer konnten wir bereits beim Demokratiefest beweisen, dass wir mehr sind als die ewig Unverbesserlichen, die unseren Stadtteil ihren Kiez nennen“, so Stoltze. Er ist zuversichtlich, dass die Gedenkveranstaltung ebenfalls zu einem Fest der demokratischen Werte wird. 

Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze: „Keiner muss in Dorstfeld Angst haben!“

Unermüdlich im Kampf gegen Rechts: Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze
Unermüdlich im Kampf gegen Rechts: Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze.

„Keiner muss in Dorstfeld Angst haben. Unsere Veranstaltung ist angemeldet und aufgrund des Versammlungsrechts ist es uns erlaubt, gewisse Personengruppen vom Besuch der Veranstaltung auszuschließen“, so der engagierte Dorstfelder.

Die Gedenkstunde und das dazugehörige Rahmenprogramm werden am Mahnmal für die ehemalige Synagoge in der Arminiusstraße, Ecke Dorstfelder Hellweg, unweit des Wilhelmplatzes stattfinden. Das begleitende Programm beginnt hier schon um 14 Uhr. Dortmunder Schulen und Organisationen werden ihre Arbeit zu den Themen Nationalsozialismus, Gedenken und Antisemitismus vorstellen und zum Austausch einladen.

„Viele Schulen in Dorstfeld und in ganz Dortmund arbeiten bereits seit vielen Jahren zu den Themen Nationalsozialismus und Antisemitismus. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass auch die nachfolgenden Generationen die Erinnerung wachhalten und sich in der Gegenwart engagieren“, betont Micha Neumann von den Quartiersdemokraten. „Wir freuen uns daher besonders, dass Schulen bereit sind, das Gedenken in Dorstfeld mitzugestalten.“

Die Quartiersdemokraten organisieren den Gedenktag zusammen mit dem Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld und haben viele Partner mit ins Boot geholt.

Ilse Kahrmann: „Wir wollen das Sprachrohr für die Zivilgesellschaft sein“

Die VeranstalterInnen des Gedenkprogrammes in Dortmund-Dorstfeld. Foto: Sascha Fijneman
Die VeranstalterInnen des Gedenkprogrammes in Dortmund-Dorstfeld. Foto: Sascha Fijneman

„Wir wollen mit unserer Veranstaltung das zivilgesellschaftliche Engagement fördern und ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Situation, in der antijüdische Parolen anscheinend wieder salonfähig werden, empfinden wir es als unsere Pflicht, auf die Straße zu gehen“, betont Ilse Kahrmann von besagtem Verein. 

Mit dabei ist unter anderem die Martin-Luther-King-Gesamtschule mit einer Fotoausstellung zur Oberstufenfahrt ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und einer Lesung aus den Erinnerungen der jüdischen Familie Rosenthal aus Dortmund-Dorstfeld. 

Die Anne-Frank-Gesamtschule präsentiert ihre Arbeiten rund um das Leben und Leiden ihrer Namenspatin. Weitere Beiträge kommen vom Käthe-Kollwitz-Gymnasium, der Wilhelm-Busch-Realschule, dem Reinoldus- und Schillergymnasium, sowie vom Westfalen-Kolleg und der Emscherschule Aplerbeck. 

Kranzniederlegung am Platz der Alten Synagoge und ökumenisches Gedenken in der Petrikirche

Auch in diesem Jahr wird auf dem Platz der Alten Synagoge ein Gedenkkranz niedergelegt.
Auch in diesem Jahr wird auf dem Platz der Alten Synagoge ein Gedenkkranz niedergelegt.

Zusätzlich wird es Redebeiträge vom jüdischen Rabbiner Baruch Babaev, Bürgermeister Manfred Sauer und dem Zeitzeugen Bert Woudstra geben, der als Kind der Judenverfolgung entkommen konnte. Die Ausstellungen werden in der Zeit von 14 Uhr bis circa 16.30 Uhr zu sehen sein. Die Gedenkstunde mit den Redebeiträgen beginnt um 15 Uhr.

Bis circa 14.45 Uhr können Interessierte mit der U-Bahn bis zur Wittener Straße fahren. Später wird der Bereich großräumig abgesperrt sein. Der Zugang wird aber so offen wie möglich gehalten, so dass die Anreise zu Fuß jeder Zeit möglich sein sollte.

Gäste der Gedenkveranstaltung in Dorstfeld haben also auch die Möglichkeit anschließend an Veranstaltungen in der Innenstadt teilzunehmen. Auf dem Platz der Alten Synagoge wird der Jugendclub des Theaters Dortmund um 17 Uhr eine musikal-theatralische Darbietung präsentieren, bevor es um 17.30 Uhr im Foyer des Dortmunder Opernhauses mit Redebeiträgen von Oberbürgermeister Ullrich Sierau, Rabbiner Baruch Babaev und anderen weitergeht. Der Gedenktag endet hier mit einer Kranzniederlegung auf dem Platz der Alten Synagoge.

Außerdem wird es am Abend des 8. November um 19 Uhr ein ökumenisches Gedenken in der Petrikirche geben. Auch hier gehören Redebeiträge und musikalische Begleitung zum Programm. Diese Veranstaltung wurde von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der Stadtkirche St. Petri und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen organisiert.

Weitere Veranstaltungen in Hörde und im Konzerthaus Dortmund

Erinnerungsgang zum Holocaustgedenktag des Bündnis Dortmund gegen Rechts und des VVN

Die Gedenkfeierlichkeiten finden in diesem Jahr bereits am 8. November statt, da am Freitagabend des 9. November für die Juden bereits der Sabbat beginnt.

Am Nachmittag des 11. November laden die Bezirksvertretung Hörde und die Johann-Gutenberg-Realschule in den Bürgersaal der Bezirksverwaltungsstelle Hörde zu einer Gedenkstunde anlässlich der Pogromnacht. Auch hier wird es Redebeiträge geben und die SchülerInnen der Realschule werden das historische Leben von Juden in Dortmund-Hörde beleuchten. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr.

Unter dem Titel „Erinnern,…. damit kein Gras darüber wächst“ finden in Hörde noch bis ins nächste Jahr hinein zahlreiche Veranstaltungen statt, die sich mit dem Thema Jüdisches Leben in Dortmund befassen. Die einzelnen Programmpunkte sind dem Flyer im Anhang des Artikels zu entnehmen.

Der Eintritt zu allen hier erwähnten Veranstaltungen ist kostenfrei. Ebenfalls im Zuge des Gedenkens an die Reichspogromnacht startet am 12. November die Ausstellung „Violinen der Hoffnung“ im Konzerthaus Dortmund. Auch hier ist der Eintritt frei.

16 Violinen erzählen die tragischen Geschichten ihrer BesitzerInnen

Amnon und Avshalom Weinstein.
Amnon und Avshalom Weinstein.

Rund 70 Geigen, deren Besitzer im Holocaust verfolgt wurden, hat der israelische Geigenbauer Amnon Weinstein mit seinem Sohn Avshalom restauriert und wieder zum Klingen gebracht. Vom 12. bis zum 16. November 2018, 80 Jahre nach der Reichspogromnacht, werden 16 dieser Instrumente im Foyer des Konzerthaus Dortmund ausgestellt und die Geschichten der Instrumente und ihrer BesitzerInnen erzählt.

Außerdem stehen am Abend des 13. und 14. Novembers im Kontext der Ausstellung philharmonische Konzerte auf dem Programm, die jeweils um 20 Uhr beginnen werden. Die Preise für die Konzerte können Interessierte der im Anhang verlinkten Website des Konzerthauses entnehmen.

Am 15. November wird es um 18 Uhr eine Konzertlesung mit Amnon und Avshalom Weinstein im Orchesterzentrum NRW auf der Brückstraße geben. Hier wird kein Eintritt genommen – aber Interessierte sollten sich über das Orchesterzentrum Platzkarten besorgen.

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Reaktionen

  1. Stadt Dortmund (Pressemitteilung)

    Politischer Spaziergang zu den Stolpersteinen im Kreuzviertel
    „Nichts ist vergessen“ – unter diesem Motto führen die Natur*Freunde Kreuzviertel am Freitag, 9. November zu zehn Stolpersteinen im Kreuzviertel. Los geht der politische Spaziergang um 17 Uhr an der Möllerbrücke/Sonnenplatz.

    Die Tour führt zu zehn Stolpersteinen, die an das Schicksal von Menschen erinnern, die von den Nationalsozialisten verfolgt, aus ihrer Heimat vertrieben oder ermordet wurden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer putzen die Stolpersteine, informieren über das Schicksal der Betroffenen und legen ihnen zu Ehren Rosen nieder. Für die Veranstaltung kooperieren die Natur*Freunde Kreuzviertel und die Stabsstelle Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Dortmund.

    Im Anschluss findet im Literaturhaus Dortmund (Neuer Graben 78) ab 19 Uhr eine Veranstaltung zum 80. Jahrestag der Pogromnacht statt. Der Dortmunder Historiker Dr. Rolf Fischer informiert über den Alltag der Dortmunder Juden unter dem Hakenkreuz und über die Ereignisse während der Pogromnacht. Im Mittelpunkt steht ein Zeitzeugenbericht von Rudi Stern, der im Kreuzviertel aufwuchs und als Mitglied der Naturfreunde an Widerstandsaktivitäten beteiligt war.

    Der Eintritt ist frei, Getränke und Fingerfood gibt es gegen eine Spende.

  2. Schauspiel Dortmund

    Erinnerung an Reichsprogromnacht

    Zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Reichsprogromnacht lädt das Schauspiel Dortmund zu einer Lesung am kommenden Freitag, 9. November, im Institut ein. Die Ensemblemitglieder Andreas Beck, Ekkehard Freye, Christian Freund und Alexandra Sinelnikova lesen literarische, essayistische, dokumentarische Texte und Quellen über die Shoah und den Antisemitismus der Gegenwart. Vor genau 80 Jahren kam es in Deutschland zu organisierten Übergriffen gegen Juden und jüdische Einrichtungen. Damit begann auch der Abriss der Dortmunder Synagoge, welche auf dem heutigen Opernvorplatz stand. Der Eintritt zur Lesung ist frei.

  3. Ula Richter

    Zur Erinnerung an die ‚Geschichte‘ der Judenverfolgung in Deutschland:

    Hitlers Tat – Luthers Rat?

    Die dunkle Seite des großen Theologen und Reformators Martin Luther: Judenhass und Antisemitismus
    In seinen jüngeren Jahren setzte er auf eine „gewaltfreie Judenmission“ und ihre gesellschaftliche Integration, die später in Judenhass und der Forderung ihrer Versklavung und Vertreibung umschlug.
    Luthers Antisemitismus legitimierte die staatliche Judenverfolgung, die 400 Jahre später unter den Hitlerfaschisten zu den Novemberpogromen und schließlich in die Vernichtungslager führte.

    Szenische Lesung: Claus Dieter Clausnitzer, Vortrag und Diskussion: Prof. Dr. Wolfgang Dreßen.

    Samstag, 10.11.18, 16 Uhr, Kulturhaus Taranta Babu, Humboldtstr.

    Bündnis Dortmund gegen Rechts

  4. Stadtteilgruppe Dortmund West der DKP

    Mahnendes Gedenken an die Reichs-Pogromnacht im Westpark

    Wie auch schon in den vergangenen Jahren ruft die Stadtteilgruppe Dortmund West der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) aus Anlass des Jahrestages der sogenannten Reichs-Pogromnacht zu einer Stunde des mahnenden Gedenkens am Mahnmal für den zerstörten jüdischen Friedhof im Westpark auf.

    Erwartet wird dazu auch der Initiator des Mahnmals, der 1. Stellvertretende Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß. Im Anschluss an die Gedenkstunde wird ein Gang zu den in der näheren Umgebung befindlichen Stolpersteinen unternommen, die dann gereinigt werden sollen.

    Wann und wo?
    Am Samstag, den 10. November 2018 um 14 Uhr am jüdischen Mahnmal im Westpark
    (nordöstlicher Eingang an der Langen Straße)

  5. Netzwerk gegen Rechts Mengede

    Die evangelische Noah Kirchengemeinde Mengede veranstaltet in Kooperation mit dem Netzwerk gegen Rechts in Mengede ein Gedenken an die Opfer der Pogromnacht 1938 am 10.11.2018.

    Auch in Mengede kam es 1938 zu gewaltsamen Übergriffen auf Jüdinnen und Juden.

    Unter dem Motto „80 Jahre Reichspogromnacht – Mengede vergisst nie“ sollen unterschiedliche Gedenkorte aufgesucht und mit Hilfe kleinerer Inszenierungen den furchtbaren Geschehnissen gedacht werden.
    Start ist um 18:00 Uhr an der Bezirksverwaltungsstelle in Mengede (Am Amtshaus 1).

    Den Abschluss der Veranstaltung bilden einige Redebeiträge sowie ein musikalisches Rahmenprogramm. Im Anschluss daran können Interessierte noch einen Impulsvortrag über Antisemitismus damals und heute mit Dortmunder Bezug verfolgen.

    Gefördert wird die Veranstaltung aus Mitteln des Bundesförderprogramms „Demokratie Leben! Partnerschaften für Demokratie“ vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie von der Stadt Dortmund – Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie.

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