NGG sieht einen Tourismus-Boom, Touristiker keinen Grund zum Jubeln

Die Zahl der Übernachtungen gehen hoch, bleiben aber deutlich unter den Vor-Corona-Jahren

Wegen der Gefahren durch den Coronavirus soll das Derby im Signal-Iduna-Park als Geisterspiel ohne Zuschauer*innen stattfinden. Foto: Alex Völkel
Das Coronavirus sorgte für Geisterspiele, Lockdowns und Beherbergungsverbote. Der Tourismus brach völlig ein. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Eine Statistik, zwei sehr unterschiedliche Bewertungen: Sowohl Dortmund-Touriusmus als auch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) schaut auf die aktuellen Übernachtungszahlen in Dortmund. Diese weisen deutlich nach oben – zumindest im Vergleich auf die äußerst bescheidenen Zahlen während der zwei ersten Corona-Jahren mit Lockdowns und Beherbergungsverboten.

„Diese Zahlen geben nach wie vor keinen Anlass zum Jubeln“

Der Blick auf die Halbjahresstatistik des Beherbergungsgewerbes zeigt nach wir vor große Unterschiede zu den Erfolgsjahren vor der Corona-Pandemie. Zwar liegt die Steigerungsrate im ersten Halbjahr durchschnittlich bei 155 Prozent, jedoch reichen die Zahlen in keinem Monat an die von 2019.

Die Zahl der Übernachtungen aller Gäste in Dortmund 2021-2022 (und im Vergleichsjahr 2019).
Die Zahl der Übernachtungen aller Gäste in Dortmund 2021-2022 (und im Vergleichsjahr 2019). Grafik: Dortmund-Tourismus

Insgesamt konnten von Januar bis Juni 488.758 Übernachtungen verzeichnet werden, 83.680 davon von Gästen aus dem Ausland.

„Diese Zahlen geben nach wie vor keinen Anlass zum Jubeln, zumal viele der Übernachtungen in den recht guten Monaten Mai und Juni zu großen Teilen auf Nachholeffekte verschobener Veranstaltungen durch diverse Lockdowns zurückzuführen sind“, stellt Sabine Loos, Vorstandsvorsitzende von Dortmund-Tourismus, fest. „Allerdings lässt die Buchungslage im kommenden Herbst auf Besserung hoffen“, so Loos weiter.

Buchungslage im kommenden Herbst lässt auf Besserung hoffen

Wie wichtig eine Erholung des Hotelmarktes in Dortmund wäre, zeigt die jetzt vorliegende Übernachtungsstatistik, denn sie ist ein guter Indikator für die wirtschaftliche Situation des Tourismus in einer Destination. Die in normalen Jahren durchschnittliche Zimmerauslastung von rund 65 Prozent konnte die Dortmunder Hotellerie auch im ersten Halbjahr 2022 nicht erreichen.

Dortmund Tourismustreff 2018 Matthias Rothermund und Thomas Westphal. Fotos: Gerd Wüsthoff
Dortmund heißt wieder viel mehr Gäste willkommen – hier Geschäftsführer Matthias Rothermund mit OB Thomas Westphal. Archivfoto: Gerd Wüsthoff

„Zahlreiche Veranstaltungen im Herbst und Winter werden aber wie 2021 wieder mehr Gäste nach Dortmund bringen“, weiß Matthias Rothermund, Geschäftsführer von Dortmund-Tourismus.

Geschäftsreisen, Messen, Hansemarkt, Weihnachtsstadt und viele kleinere Kultur- und Businessveranstaltungen werden den stetigen, deutlichen Anstieg bei den Übernachtungszahlen wieder möglich machen.

„Diese Entwicklung unterstreicht nochmal deutlich, dass Dortmund eine Destination ist, in die anlassbezogen gereist wird – ob geschäftlich oder in der Freizeit“, kommentiert Rothermund.

NGG: Tourismus zieht wieder an – Betriebe suchen Fachkräfte

Von einem „Tourismus-Boom nach Corona-Flaute“ spricht die NGG. „Dass wieder viel mehr Urlauber und Geschäftsreisende nach Dortmund kommen, ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe eine gute Nachricht – vor allem auch für die Beschäftigten. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie kehrt die Branche Stück für Stück auf das alte Niveau zurück“, sagt Torsten Gebehart, Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund.

Dortmund verzeichnete im ersten Halbjahr des Jahres rund 489.000 Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland – 156 Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2021.
Dortmund verzeichnete im ersten Halbjahr des Jahres rund 489.000 Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland – 156 Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2021. Foto NGG

Von der „Normalität“ seien viele Hotels, Pensionen und Restaurants aber noch weit entfernt. Der Grund: Den Unternehmen gelingt es nach Beobachtung der Gewerkschaft kaum, genug Personal für die wachsende Arbeit zu finden.

Zwar hätten derzeit viele Branchen mit dem Mangel an Fachleuten zu kämpfen, doch im Gastgewerbe falle die Suche nach qualifizierten Kräften besonders schwer.

Das liege vor allem an den Arbeitsbedingungen, urteilt Gebehart. So klagen im aktuellen Ausbildungsreport des DGB NRW 80 Prozent der angehenden Hotelfachleute und 60 Prozent der Azubis in der Küche, regelmäßig Überstunden machen zu müssen – ein Spitzenwert.

Rund 9.000 Menschen arbeiten im Gastgewerbe in Dortmund – viele auf Abruf

„Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist nicht nur spätabends oder am Wochenende im Einsatz. Die Beschäftigten erfahren oft auch erst am Vortag vom Chef, dass sie einspringen sollen. Zum Beispiel, weil sich die Wettervorhersage geändert hat und einen Run auf den Biergarten erwarten lässt. So kann aber niemand seinen Alltag planen – schon gar nicht, wer Kinder hat“, so Gebehart. Nach Einschätzung des Gewerkschafters ist ein erheblicher Teil der rund 9.000 Menschen, die das Gastgewerbe in Dortmund laut Arbeitsagentur beschäftigt, von dieser „Arbeit auf Abruf“ betroffen.

Wer sich für die Branche entscheide, wisse, dass die Arbeitszeiten anders seien als in einem Büro-Job. „Wichtig ist zugleich eine Personaldecke, die dick genug ist, um auch kurzfristig Events wie Geburtstage oder Hochzeiten ausrichten zu können“, betont

Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund.
Torsten Gebehart ist Geschäftsführer der NGG-Region Dortmund. Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

. Um Arbeitszeit und Dienstplanung fair zu regeln, sollten sich die Betriebe zu tariflichen Standards bekennen. Dort, wo es einen Betriebsrat gebe – etwa in Hotelketten oder in der Systemgastronomie – könnten sozialverträgliche Lösungen mit der Arbeitnehmervertretung gefunden werden.

In einem entscheidenden Punkt seien Hotels und Gaststätten als Arbeitgeber bereits attraktiver geworden: Die Löhne in der Branche sind nach dem aktuellen Tarifvertrag für Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr um bis zu 28 Prozent gestiegen. „Das ist ein enormer Schub fürs Portemonnaie der Beschäftigten. Jetzt kommt es darauf an, dass die Firmen den Tariflohn auch zahlen – und bei den Arbeitsbedingungen nachlegen“, so die NGG.

Mehr Zahlen gibt es hier als PDF zum Download: Beherbergungsstatistik_2022

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