Deutliches Urteil im Fall des schwerverletzten BVB-Fans: Drei Jahre Freiheitsstrafe für Sicherheitsmann aus Dortmund

Der Angeklagte Mohammed A. und seine Anwälte Tobias Eskowitz und Jan-Henrik Heinz. Fotos: Sascha Fijneman
Der Angeklagte Mohammed A. und seine Anwälte Tobias Eskowitz und Jan-Henrik Heinz. Fotos: Sascha Fijneman

Von Sascha Fijneman

Drei Jahre Haft ohne Bewährung für den Angeklagten Dortmunder Sicherheitsmann Mohammed A. hat das Schöffengericht verhängt.Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Am dritten Verhandlungstag sah das Gericht die Vorwürfe der tateinheitlichen schweren und gefährlichen Körperverletzung durch die Beweisaufnahme bestätigt. Die Härte der Strafe erklärt sich durch die Erfüllung mehrerer Straftatbestände und durch die für das Opfer Marc S. entstandenen lebenslangen physischen als auch psychischen Folgen. Dass der Angeklagte auch noch gegen das Waffengesetz verstieß, da er einen Teleskopschlagstock bei sich trug, fiel beim Urteil kaum noch ins Gewicht – wurde aber auch nicht vergessen.

Vorangegangene Provokationen und Beleidigungen des Opfers wurden im Urteil berücksichtigt

Großes BesucherInnen-Interesse gab es an den drei Verhandlungstagen.
Großes BesucherInnen-Interesse gab es an den drei Verhandlungstagen im Dortmunder Amtsgericht.

Und so machte auch Nebenklägeranwalt Koch in seinem Plädoyer darauf aufmerksam, dass er dem Angeklagten nicht glauben könne, deeskalierend auf die Situation eingewirkt haben zu wollen, wo er doch einen Schlagstock bei sich geführt hätte. Auch die Entschuldigungen und Reuebekundungen wollte der Anwalt dem Sicherheitsmann nicht abkaufen: „Für mich hat sich das alles eher nach Selbstmitleid angehört“, so Koch.

Das Gericht wertete die Äußerungen jedoch positiv und hielt sie ihm zugute. Dem Angeklagten sei sichtlich anzumerken, dass der Verfahrensdruck und seine Tat ihm sichtlich zu schaffen machten. Auch dass er im wesentlichen geständig gewesen sei, wurde positiv gewertet. Der Sicherheitsmann hatte auch die Trittbewegung zugegeben, wodurch eine aufwändige Ermittlungsarbeit erspart geblieben sei. Außerdem berücksichtigten die Schöffen und der Vorsitzende Richter Schwengers bei ihrer Urteilsfindung die Tatsache, das Marc S. die Sicherheitsleute im Vorfeld der Eskalation provoziert und körperlich bedrängt habe.

Richter Schwengers betonte, dass die Beweisaufnahme vor Gericht sachlich abgelaufen sei, was aufgrund der teilweise polarisierenden medialen Berichterstattung und dem regen Interesse der Öffentlichkeit nicht immer einfach war. „Egal ob Presse oder Reaktionen im Plenum auf bestimmte Verteidigungsstrategien. So etwas perlt am Gericht ab und hat keinerlei Einfluss auf unsere Urteilsfindung“, betont Schwengers.

Scharfe Kritik an Tritt – Die Aktion als solche war völlig unverhältnismäßig

Der Vorsitzende Richter Schwengers und die Schöffen.
Der Vorsitzende Richter Schwengers und die Schöffen.

In der Urteilsbegründung verkündete er, dass das Gericht überzeugt sei, dass Marc S. in Folge eines Trittes ungebremst zu Boden gegangen und mit dem Kopf aufgeschlagen sei. Auch wenn die Augenzeugen teilweise nur über eingeschränkte Sicht auf das Tatgeschehen verfügt hätten, wären die Aussagen bezüglich eines Angriffssprunges deckungsgleich gewesen. Auch wenn sie keinen direkten Kontakt eines oder beider Beine des Angeklagten mit dem Oberkörper von Marc S. hätten beobachten können, sei dies trotz allem die logische Schlussfolgerung für das Gericht.

Eine Berührung stünde für das Gericht deshalb völlig außer Zweifel. Dass Marc S. aufgrund seines Alkoholkonsums ins Straucheln geraten und zu Boden gegangen sei, sei für das Gericht ausgeschlossen. „Marc S. soll vor der eigentlichen Tat ja noch rückwärts die Treppe hochgegangen sein. Da hatte er anscheinend ja noch keine motorischen Ausfallerscheinungen“, so Schwengers. Und auch die Ausführungen und Erklärungen der sachverständigen Rechtsmedizinerin bestätigten die Annahme eines ungebremsten Aufpralles auf den seitlichen Hinterkopf.

Auch die Rechtfertigung des Angeklagten, in Notwehr gehandelt zu haben, waren für das Schöffengericht nicht glaubhaft. Mehrere Augenzeugen hätten die Verfolgungssituation beobachten können. Niemand habe hier von einem Angriff des Geschädigten gesprochen. Objektiv habe Mohammed S. aufgrund der vorangegangenen Beleidigungen und Rempeleien durchaus Gebrauch von seinem Festnahmerecht machen können. Die Aktion als solche sei dann jedoch völlig unverhältnismäßig abgelaufen.

Kritik: Der Täter hätte die verheerende Konsequenzen  vorhersehen können

Opfer Marc S. wird sein Leben lang unter den Folgen des Angriffs zu leiden haben.
Opfer Marc S. wird sein Leben lang unter den Folgen des Angriffs auf ihn zu leiden haben.

Weiteres wichtiges Kriterium für die Urteilsfindung war die Vorhersehbarkeit der Folgen, die auch für Mohammed A. hätten offensichtlich sein müssen. Dass es verheerende Konsequenzen haben kann einen leicht alkoholisierten Menschen von hinten mit einem dynamischen, energischen Tritt, bei dem beide Beine zumindest den Boden verlassen, anzugreifen, hätte auch dem Angeklagten bewusst sein müssen.

Die Erfüllung mehrerer Straftatbestände und die massiven lebenslänglichen Folgen für das Opfer hätten sich bei der Urteilsfindung negativ für den Angeklagten ausgewirkt, auch wenn er bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Mit seinem Urteil blieb das Schöffengericht nicht weit unter den geforderten Strafmaßen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die drei Jahre und neun Monate bzw. vier Jahre beantragt hatten.

Vor der Urteilsverkündung waren mehrere Beweismittelanträge der Verteidigung des Angeklagten vom Gericht abgewiesen worden, da man durch sie keine neuen Erkenntnisse zu erwarten hätte. Die Verteidigung forderte den Angeklagten für die Körperverletzungsdelikte freizusprechen und eine Geldstrafe für die weitere Anklage. Es sei aus ihrer Sicht nicht eindeutig bewiesen, wie sich Marc S. die Verletzungen zugezogen hätte. 

Für die Anwälte Jan-Henrik Heinz und Tobias Eskowitz gebe es diesbezüglich die zwei Alternativen des Trittes, der den Körper des Opfers getroffen habe und einer Sturzverletzung, die sich Marc S. bei seinem Fluchtversuch selbst zugezogen habe. Im Zweifel sei hier für den Angeklagten zu urteilen. Des Weiteren machten die Anwälte auf die Belastungssituation der Sicherheitsleute bei einer Großveranstaltung aufmerksam. Alle Beteiligten nahmen das Urteil zur Kenntnis. Noch wurden keine Rechtsmittel von der Verteidigung eingebracht. Wenn dies erfolgt, geht der Prozess dann vor dem Landgericht in die nächste Runde.

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Reaktionen

  1. Peter Schmid

    Sehr geehrte Nordstadtblogger,

    ihre Berichterstattung über die Gerichtsverhandlung, betroffenes Opfer Marc S., ein Verwandter von mir, fand ich sehr gut, objektiv und angemessen. Selber war ich bei der Gerichtsverhandlung anwesend. Erst durch den Prozess wurde ich auf ihren Blogg aufmerksam gemacht und werde ihn auch zukünftig aus Esslingen am Neckar verfolgen. „Alte“ Heimat rostete nicht.
    Vielen Dank

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