Kokerei Hansa: Vor 25 Jahren wurde der letzte Koks gedrückt – Manfred Franz: „Die Arbeit mit den Jungs war super“

Arbeiter auf der Kokerei Hansa in Dortmund- Huckarde (ca. 1990).Foto: Kreikenbohm
Arbeiter auf der Kokerei Hansa in Dortmund-Huckarde (ca. 1990). Foto: Udo Kreikenbohm

„Wenn ich heute über das Kokerei-Gelände gehe, weiß ich immer noch: Da war es besonders heiß, dort lag besonders viel Dreck, hier stand ich im Qualm.“ Manfred Franz arbeitete 11 Jahre lang auf der Kokerei Hansa, zuletzt als fester Vorarbeiter. Die Erinnerungen an seine „Maloche“ sind noch frisch. Auch wenn sich am 15. Dezember nun zum 25. Mal der Tag der Schließung der Kokerei jährt. 64 Jahre lang, Tag ein und Tag aus, rund um die Uhr, wurde hier aus Kohle Koks gedrückt. Circa 1.000 Mitarbeiter zählte die Belegschaft, die im Schichtwechsel auf Hansa tätig war.

„Eine so große Arbeitsstätte und dann auf einmal zu“

Am 15. Dezember 1992 fand er letzte Druckvorgang auf der Kokerei Hansa statt. Der Waggon war feierlich mit einem Schild ausgestattet. Foto: Archiv Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, 1992
Am 15. Dezember 1992 fand er letzte Druckvorgang auf der Kokerei Hansa statt.  Foto: Archiv

21 Jahre alt war Manfred Franz, als er auf der Kokerei begann. Das Jubiläumsdatum ruft bei dem heute 57-Jährigen unterschiedliche Gefühle hervor. Ähnlich wie viele seiner Kollegen wusste er bereits ein Jahr im Voraus, dass „die Bude zumacht“.

Von da an habe man sich schon immer „schwer Gedanken gemacht“, wenn man auf der Kokerei war, erinnert er sich. „Eine so große Arbeitsstätte und dann auf einmal zu.“  Das sei ein komisches Gefühl gewesen. Aber „man hat die Entscheidung hingenommen. Was sollte man machen?“

Franz wechselte, wie viele andere Koker, zur damals „modernsten Kokerei der Welt“, der Kokerei Kaiserstuhl in den Dortmunder Nordosten. „Wer da hin ging, war besserer Stimmung.“ Andere Kollegen fuhren fortan nach Bottrop zur Kokerei Prosper oder gingen in den Ruhestand. Er ist ehrlich: „Ich war aber auch froh, dass die Kokerei zu machte.“

„Wir standen ständig auf den Ofendecken wie auf einer heißen Herdplatte“

Blick auf die Ofendecke der Koksofenbatterie I. Der sogenannte Füllwagen fuhr zunächst unter den Kohlenturm und nahm dort die Kohle auf, um sie anschließend in die einzelnen Ofenkammern fallen zu lassen. Manuell wurden die Fülllöcher dann von den Kokern verschlossen und mit einer lehmartigen Masse abgedichtet. Foto: Archiv Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, ca. 1992
Blick auf die Ofendecke der Koksofenbatterie I (1992). Der Füllwagen fuhr zunächst unter den Kohlenturm und nahm dort die Kohle auf, um sie anschließend in die einzelnen Ofenkammern fallen zu lassen. Manuell wurden die Fülllöcher dann von den Kokern verschlossen und mit einer lehmartigen Masse abgedichtet. Foto: Stiftung

Die Arbeitsbedingungen auf Hansa seien sehr hart gewesen. „Die Hitze, der Staub – und alles Handarbeit“, berichtet er. „Die Temperaturen an den Ofenkammern betrugen bei mittlerer Beheizung 1280 Grad Celsius. Wir standen ständig auf den Ofendecken wie auf einer heißen Herdplatte.“

Auch die Ofendeckel wurden per Hand, nur mit einfachen Arbeitshandschuhen, geöffnet. „Wenn die geöffnet wurden, blieb dir erst einmal die Luft weg.“ Von der permanenten Hornhaut an den Händen ganz zu schweigen. Aber trotz der Rahmenbedingungen sei die Arbeit „mit den Jungs einfach super“ gewesen.

Der Altkoker gibt sich jedoch keiner falschen Sentimentalität hin. Und er ist der festen Überzeugung: „Es ist gut, dass die Kokerei erhalten blieb.“ Wichtig sei es, noch erklären zu können, wie hart die Arbeit damals gewesen sei. Mit Blick auf noch laufende Kokereien meint er: „So viel hat sich bis heute nicht verändert.“ Ohne Anschauung könne man das einfach nicht verstehen. Niemand außerhalb der Belegschaft habe damals einen Fuß auf das Gelände setzen dürfen. Dass das heute geht, ist toll. Auch seinen Kindern hat er den früheren Arbeitsplatz gezeigt.

Kokerei-Anlage auf Hansa ging 1928 mit zwei Ofenbatterien in Betrieb

Wenn der glühende Koks aus dem Ofen kam, fing er sofort Feuer und musste deshalb zum Löschturm transportiert und mit Wasser gelöscht werden. Foto: Udo Kreikenbohm, ca. 1990
Wenn der glühende Koks aus dem Ofen kam, fing er sofort Feuer und musste deshalb zum Löschturm transportiert und mit Wasser gelöscht werden. Foto: Udo Kreikenbohm

1928 ging die Kokerei mit zwei Ofenbatterien in Betrieb. Sie war leistungsstark und modern. 1968, nach einer letzten Erweiterung, verfügte Hansa über 314 Öfen, sodass in Spitzenzeiten 5000 Tonnen Koks am Tag gedrückt werden konnten.

Die Kokerei stand im Zentrum eines Verbundsystems der damaligen Dortmunder Montanindustrie. Sie erhielt von der Zeche Hansa und anderen umliegenden Bergwerken die Steinkohle, produzierte aus ihr Koks, der an Dortmunder Hüttenwerke ging. Das bei der Produktion entstandene Gasgemisch wurde in das Dortmunder Ferngasnetz eingespeist.

1992 – also vor 25 Jahren – kam für die Kokerei-Belegschaft das endgültige Aus. Doch die Kokerei Hansa sollte trotz aller Rufe nach schnellem Abriss doch noch eine verheißungsvolle Zukunft erwarten. 1998 wurde sie in die Denkmalliste der Stadt Dortmund aufgenommen. Bereits ein Jahr zuvor wählte die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, die Eigentümerin der Kokerei ist, das Industrieareal als Sitz für ihre Geschäftsstelle. Seitdem ist kein Jahr vergangen, in dem nicht auf der Kokerei gesichert, instandgesetzt und saniert wurde. Es ist viel passiert.

Denkmalstiftung bot sogenannte Erlebnispfade durch die einst „verbotene Stadt“

Besucher können das Industriedenkmal Kokerei Hansa heute als Veranstaltungsort erleben. Die Kompressorenhalle wird für Ausstellungen, Konzerte, Tanzvorführungen oder Lesungen genutzt. Foto: Harald Priem, 2011
Besucher können das Industriedenkmal Kokerei Hansa heute als Veranstaltungsort erleben. Foto: Harald Priem

Ein so ausgedehntes Gelände mit technikhistorischen Anlagen und Gebäuden erfordert einen langen Atem. Eine der ersten Maßnahmen war, sogenannte Erlebnispfade durch die einst „verbotene Stadt“ anzulegen, über die sich Besucher dem Denkmal nähern, die Verwandlung von Kohle zu Koks verstehen lernen und über den Arbeitsalltag von Kokern hören.

In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Gebäude und technische Anlagen vor dem Verfall bewahrt und saniert: Die beliebte Kompressorenhalle mit ihren Gaskolbenkompressoren, der Kohlenturm und der Sortenturm, um nur einige zu nennen. Noch im Gange sind die Sanierung des alten Salzlagers, die zweier Ofenbatterien und der Sieberei. Jüngst abgeschlossen sind die Restaurierung des hölzernen Löschturms sowie die Sanierung aller vier markanter Kühlturmgerüste.

Die Kokerei und der Stadtteil Huckarde im Dortmunder Norden – das ist eine gemeinsame Geschichte. Beide sind eng miteinander verwoben. Mittlerweile ist die Kokerei Hansa kein großer Arbeitgeber mehr, aber eine Attraktion, nicht nur als Ankerpunkt auf der Route der Industriekultur.

Huckarder fühlen sich mit dem Kohlestandort Hansa seit jeher verbunden 

Blick vom Kohlenturm Richtung Süden mit Sicht auf die Ofenbatterien 0 und I, dem Löschturm, der Förderbandbrücke und Gichtgasleitung sowie dem Fördergerüst der Zeche Hansa. Foto: Markus Bollen

TouristInnen aus aller Welt und BesucherInnen aus der Umgebung kommen und staunen. Die Kokerei dient als steter Veranstaltungsort des Hansa-Revier Huckarde, das in diesem Jahr zu Kinder-Ferienworkshops und Familientagen auf die Kokerei einlud und viele Huckarder ansprach und begeisterte. Durch jahrelange Kooperation mit Schulen und SchülerInnen vor Ort und zahlreichen Kulturangeboten ist die Kokerei in der Bürgerschaft fest verankert.

Wie sehr sich die Huckarder mit dem Kohlestandort Hansa seit jeher verbunden gefühlt haben, zeigte sich auch schon in der fast legendären Demonstration im Jahr 1967, als 15000 Menschen quer durch die Gesellschaft – Kirchenvertreter, Gewerbetreibende sowie Schulen – mobilisiert wurden und auf dem Huckarder Marktplatz gegen die Stilllegung der Bergwerke Hansa und Pluto auf die Straße gingen.

Mit diesem Protest sollte eine Kehrtwende in der bundesdeutschen Energiepolitik eingeleitet werden. Die Verbindung zu ihren Wurzeln und der Kokerei Hansa haben die Huckarder bislang nicht verloren.

In der Waschkaue erinnern derzeit Bilder und Dokumentationen an den Beschluss, die Zeche Hansa stillzulegen, und an die Großdemo in Huckarde vor 50 Jahren. Die Ausstellung ist am Stiftungsstandort bis Ende Februar 2018 erlebbar.

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