„Die Nordstadt ist besser als ihr Ruf“

Hans Reimund Hahn geht mit auf die Spurensuche nach der Geschichte von Hoesch. Foto: Alex Völkel
Hans Reimund Hahn geht mit auf die Spurensuche nach der Geschichte von Hoesch. Foto: Alex Völkel

Gespannt steht Hans Reimund Hahn (64) vor dem Hoeschmuseum. Er möchte mehr über die Geschichte der Firma und der Nordstadt erfahren, weil hier sein Vater einst gearbeitet hat. „Für mich ist Hoesch ein guter Name. Sie hatten gute Sozialleistungen“, erinnert er sich an seine Kindheit in Dortmund.

Jetzt ist Hahn, pensionierter Forstbeamter, zurück zur Spurensuche in Dortmund. Er hat die Tour „Stern des Nordens“ bei den „Borsigplatzverführungen“ gebucht. Und der Rentner ist begeistert, wie schön die Quartiere um den Borsigplatz sind. „Das passt gar nicht zum Ruf der Nordstadt.“

Keine persönlichen Beziehungen zu Hoesch hat Marco Matzke (31). Der Steuerberater ist durch Zufall auf die Touren aufmerksam geworden, weil er beruflich mit der „Nordhand“ zu tun hat. Seiner Freundin Katharina Kremeier (33) – beide wohnen in Lünen – hat er eine Tour geschenkt. „Wir wollten die schönen Seiten des Nordens sehen. Es gibt viele Klischees, aber da steckt viel mehr dahinter“, glaubt Matzke.

Angebote als Reaktion auf Vorurteile

Anette Plümpe führt ihre Gäste auf der Tour "Stern des Nordens". Foto: Alex Völkel
Anette Plümpe führt ihre Gäste auf der Tour „Stern des Nordens“. Foto: Alex Völkel

Sie sind die typischen „Kunden“ von Annette Kritzler und Anette Plümpe. Im Jahr 2006 haben sie die „Borsigplatzverführungen“ gestartet. „Ich war als Anwohnerin genervt, dass ich immer erklären muss, warum ich gerne dort wohne.“ Als dann die Wirtschaftsförderung darüber nachdachte, ob man nicht auch in der Nordstadt touristische Angebote machen könnte, legten die beiden Museumspädagoginnen los. Drei Angebote gab es damals: „Stern des Nordens“ mit der Siedlungsgeschichte am Borsigplatz, „Weiße Wiese“ – Spurensuche zu den Wurzeln des BVB und „Hoeschpark-Geschichten“ – Der Kurpark des Nordens im Wandel. Alle Touren gibt es noch heute.

Mittlerweile Touren in der ganzen Nordstadt

Annette Kritzler ist begeisterte Nordstadt-Bewohnerin. Foto: Quartiersmanagement Hafen
Annette Kritzler ist begeisterte Nordstadt-Bewohnerin und zeigt sie gerne Gästen. Foto: Quartiersmanagement Hafen

Allerdings gibt es noch viel mehr Angebote: „Kunstverführungen“, Sterne zur Geschichte der Borussia, Tafeltour oder „Lecker is‘ datt“ sind einige der Angebote. Dabei haben sie ihre Angebote längst auf die ganze Nordstadt ausgedehnt: „Der Hafen lebt“ oder „Fredenbaumverführungen“ sind nur zwei Beispiele zu Touren. Wobei die BVB-Touren auch heute noch der Dauerbrenner ist. Selbst aus dem Ausland kommen dafür Gruppen – in der Regel Fanclubs.

Die Motivation ist für alle Touren ähnlich: „Wir wollen mit Vorurteilen aufräumen“, erklärt Kritzler. Die Reaktionen sind fast immer ähnlich: „Das haben wir nicht erwartet“, „Hier gibt es eine unheimlich hohe Lebensqualität“ oder „Ich würde es nicht glauben, wenn ich nicht hier wäre“, wenn die Besucherinnen und Besucher den „Stern des Nordens“ erkunden. „Ich liebe es, mit den Kontroversen zu spielen und die Erwartungen der Besucher zu enttäuschen“, sagt Kritzler. Gemeint sind damit die negativen Erwartungen – vor allem auch bei den Nordmarkttouren. „Es ist schöner als man denkt, wenn auch das Schleswiger Viertel ein Manko ist.“

6000 Gäste im vergangenen Jahr

"Hier tut sich was" könnte auch das Motto für die gesamte Nordstadt sein. Foto: Alex Völkel
„Hier tut sich was“ könnte auch das Motto für die gesamte Nordstadt sein. Foto: Alex Völkel

Der größte Teil der Gäste kommt aus dem Raum Dortmund. Aber auch aus einem Umkreis von 150 Kilometern kommen Leute, um die Nordstadt zu erkunden. Internationale Gäste sind – von BVB-Fans abgesehen – die absolute Ausnahme. Das liegt aber vielleicht auch am fehlenden fremdsprachigen Angebot. „Das ist ein kleines Manko“, räumt Kritzler ein. Aber die Verführung ist ja noch ausbaubar. Waren es im Jahr 2006 noch 245 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, stieg deren Zahl im vergangenen Jahr bereits auf 6000. Dies ist weiter ausbaufähig, vielleicht auch personell. Denn mittlerweile machen die Touren schon mehr als ein Drittel des Arbeitsaufwands der Verführerinnen aus. Doch es gilt noch viele Menschen von der Nordstadt zu überzeugen. „Die Vorurteile sind fast schon bösartig“, betont Kritzler. „Aber ich bin davon überzeugt, dass die Nordstadt besser ist als ihr Ruf.“

Neugierig geworden? Informationen zu allen Touren und die jeweiligen Termine gibt es im Internet: BorsigplatzVerführungen

Die beiden nächsten Touren im Detail: Die nächsten „Verführungen“ (pdf als Download)

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  1. Galerie: Überraschende Einblicke am Nordmarkt | Nordstadtblogger

    […] Die „Nordstadtblogger” haben bereits über die „Verführerinnen” berichtet: „Die Nordstadt ist besser als ihr Ruf” […]

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