
Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat das umstrittene „Rock-Verfahren“ zur Sitzverteilung bei Kommunalwahlen gekippt – nur wenige Monate, bevor es erstmals zum Einsatz hätte kommen sollen. Während kleinere Parteien wie „Die Partei“, die FDP und „Die Linke“ den Entscheid feiern, verteidigt beispielsweise die SPD den ursprünglichen Vorstoß. Besonders für Dortmund ist das Urteil von Bedeutung: In kaum einer Stadt zeigt sich die Vielfalt politischer Kleinstparteien so deutlich.
Ein Verfahren mit demokratietheoretischen Schattenseiten
Das Rock-Verfahren, benannt nach dem Statistiker Jochen Rock, hätte die mathematische Umrechnung der Wählerstimmen so verändert, dass kleinere Parteien – trotz Stimmenanteil – bei der Sitzverteilung teils leer ausgegangen wären. Die Idee war, Zersplitterung der Räte zu verhindern – ein Ziel, das aus Sicht der großen Fraktionen – CDU, SPD und Grüne – mehr Stabilität bringen sollte. ___STEADY_PAYWALL___
Doch Kritiker:innen sahen in dem neuen Verfahren eine verdeckte Sperrklausel für kommunale Parlamente. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken – und machte dem Gesetz nun ein Ende.
Das Rock-Verfahren sollte das bekannte Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren ersetzen. Die Änderung hätte vor allem kleinen Parteien betroffen, weil es durch veränderte Rundungsregeln weniger Sitze für sie gegeben hätte – selbst wenn sie die gleiche Stimmenzahl wie bei der letzten Kommunalwahl erringe würden.
So hatte etwa die NRW-FDP bereits 2024 im Landtag gewarnt, dass man faktisch eine Sperrklausel durch die Hintertür einführe. Die Partei reichte Klage ein – mit Erfolg. Die Verfassungsrichter erklärten: Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit seien nicht gewährleistet.
Freude auf Seiten der kleinen Parteien
Die Parteien FDP, „Die Partei“ und „Die Linke“ sind sich in Bezug auf das Urteil einig: Das Rock-Verfahren hätte sie massiv benachteiligt, betonen sie einhellig. Der NRW-Landesverband von „Die Partei“ betont in ihrer Stellungnahme, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinem Urteil dem Versuch „politische Vielfalt systematisch einzuschränken“, Einhalt geboten habe.

Auch die Dortmunder FDP meldet sich euphorisch: Der „Beutegemeinschaft“, bestehend aus größeren Parteien, die die Sitze der kleinen Parteien unter sich aufteilen wollte, wurde ein „Riegel vorgeschoben“.
„Die Linke“ in Dortmund sieht in dem Urteil die Sicherung der bestehenden demokratischen Prinzipien. Der Versuch der großen Parteien sei „undemokratisch“ gewesen, erklärt Fatma Karacakurtoglu, Co-Vorsitzende der Fraktion „Die Linke+“.
Arbeitsfähigkeit der Räte stehen auf dem Spiel
Auf Nachfrage der Nordstadtblogger teilte die SPD-Ratsfraktion mit, man habe sich einen anderen Ausgang gewünscht, akzeptiere aber das Urteil. Man sei überzeugt gewesen, dass das Rock-Verfahren gerechter sei, weil es überproportionale Rundungsgewinne vermeide und „die Arbeitsfähigkeit der Räte erhöht“.

Die Dortmunder Grünen erklärten, dass das Urteil für Dortmund keinen Unterschied gemacht hätte. Die Handlungsfähigkeit des Rates wäre erst „durch einen Stimmengewinn der gesichert rechtsextremen AfD herausgefordert, nicht durch Kleinstparteien.“
„Die bisherige Berechnungsmethode bevorteilt kleinere Parteien und Wählergruppen“, lässt die CDU Dortmund verlautbaren. Sie bedauert, dass sich das von ihrer Landtagsfraktion maßgeblich unterstützte, neue Verfahren nicht durchgesetzt hat. Eine weitere Zersplitterung des Dortmunder Stadtrats in kleine Fraktionen sei „zu befürchten“.
Was bedeutet das Urteil konkret für die Kommunalwahl 2025?
Durch das Urteil wird bei der Kommunalwahl im September 2025 nun wieder das bekannte Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren angewendet. Für kleinere Parteien bedeutet das: Ihre Chancen auf einen Einzug in Stadtrat oder Bezirksvertretung bleiben weiterhin sehr hoch, da es auf kommunaler Ebene keine Prozenthürde gibt.
Gerade in einer Stadt wie Dortmund, wo sich viele politische Einzelinitiativen und neue Listen formieren, dürfte das Urteil Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Rates haben – auch auf mögliche Koalitionen. Aktuell sitzen 12 Parteien im Dortmunder Stadtrat.
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