Internationales Frauen Film Fest feiert 40. „mit allem drum und dran“

What IFFF: Das Lachen der Medusa schallt wieder durch Dortmunder Kinos

Bild: IFFF Dortmund | Köln e.V.

Am Dienstag eröffnete das Internationale Frauen Film Fest Dortmund+Köln zum 40. Mal. Bis zum 23. April haben Filmfans die Qual der Wahl rund 130 filmische Beiträge aus 34 Ländern zu sehen, mit circa 60 Filmschaffenden zu netzwerken und an attraktiven „Special Events“ teilzunehmen. Deutschlands ältestes und weltweit größtes Frauenfilmfestival zeigt sein sechstägiges Programm an einem wandernden, einem ganz besonderen sowie vier festen Leinwandorten und setzt auf Solidarität.

Filmaktivismus und weibliches Begehren

Foto: Screenshot eines Stummfilms aus der Sektion „Komplizinnen“ zeigt das Lachen der Medusa im frühen 20. Jh. Sandra Danneil | Nordstadtblogger

Als die Französin Hélène Cixous 1975 „Das Lachen der Medusa“ veröffentlicht, wird Schreiben zu einem politischen Akt weiblichen Begehrens. In ihrem Text begreift die Essayistin und Frauenrechtlerin Cixous das Lachen der Medusa als ein subversives und befreiendes Lachen, das patriarchale Fremdbestimmung verweigert und mit Selbstbestimmung ersetzt, so zumindest beschreibt es die Philosophin Silvia Stoller.

Was schon lange als ein Schlüsseltext feministischer Theorie verstanden wird, inspirierte auch immer wieder und immer häufiger den feministischen Film, der den ‚male gaze‘ – laut Laura Mulvey repräsentativ für das männliche Auge der Kamera – durchschaut, den Blick erwidert und seine eigene Sicht auf Körper und Welt entwirft.

Oh Sister, Where Art Thou? – Kompliz:innen Früher und Heute

Festivalleiterin Dr. Maxa Zoller begrüßt das Publikum Foto: Tabea Frank

Das erste, wieder analoge Frauen Film Fest nach den digitalen Corona-Jahren setzt sich 2023 im Fokus mit Fragen von „Kompliz:innenschaft“ auseinander. Die Organisator:innen um Festival-Leiterin Dr. Maxa Zoller legen besonderen Wert darauf, Orte der Begegnung zu schaffen, von dem aus ganz von alleine synaptische Vernetzungen der Solidarität entstehen.

Erstmalig seit der Synchronisation der beiden Festival-Standorte feiern der Kölner Vorläufer der feminale und die Dortmunder femme totale ihr 40-jähriges Bestehen mit einem umfangreichen Hauptprogramm in Dortmund. Die Auswahl für den Internationalen Spielfilmwettbewerb besteht aus acht Langfilmen, die sich mit Mutterschaft und Empowerment, kollektivem Handeln und Sisterhood auseinandersetzen.

Die Jury besteht in diesem Jahr aus der MaLisa-Stiftungsgründerin und Schauspielerin Maria Furtwängler (Tatort), der Produzentin und Schauspielerin Sara Fazilat (Niko, 2021) und der filmaktivistischen Pionierin und Ikone der Frauenbewegung Helke Sander, der mit Claudia Richarz‘ dokumentarischem Porträt „Aufräumen“ (Weltpremiere am 22. April) auch gleichzeitig ein Denkmal gesetzt wird.

IFFF Dortmund+Köln: (v. links): Pressereferentin Stefanie Görtz, Festival-Leiterin Dr. Maxa Zoller, Sparkassen-Vertreter Sebastian Junker, Filmschaffende Claudia Richarz, Kulturbüro-Leiterin Hendrikje Spengler, Jury-Mitglied und Filmemacherin Sara Fazilat und Schauspielerin und Regisseurin Emma Bading. Foto: Julia Reschucha_IFFF

Held:innen queer durch die Filmgeschichte

Pionierinnen des feministischen Films beim Filmspaziergang Foto: Tabea Frank

Im „Fokus“ werden Filme präsentiert, die über hundert Jahre weiblichen Filmschaffens umfassen. Der fantastische Crossdressing-Stummfilm Filibus von 1915 ernennt eine der ersten lesbischen Leinwandschurk:innen der Filmgeschichte zur Heldin (21. April, 17Uhr im sweetSixteen).

Mit der queeren Romanze Alles wird gut von Angelina Maccarone und Fatima El-Tayeb aus dem Jahr 1998 wirft das Festival einen anerkennenden Blick zurück auf den ersten deutschen Spielfilm mit einem afro-deutschen Cast in den Hauptrollen (19. April, 20Uhr im Roxy).

Was unsichtbar gemacht wurde, soll sichtbar werden. Unter diesem Motto soll das Medium Film auch als Instrument der kollektiven Radikalisierung und des mutmachenden Protests verstanden werden.

So erzählen Dokumentationen und Experimentalfilme der Sektion „Panorama“ von Flucht und Vertreibung, Gewalt und Perspektivlosigkeit. Es werden Geschichten über Schicksal und Geschicklichkeit unter anderem von Frauen aus dem Iran, Serbien, Kambodscha und Nordamerika verhandelt, die zum Handeln ermutigen, intime Einblicke gewähren und Hoffnung abbilden.

„Das erste Mal“ kommt, um zu bleiben

Die eigens für das Festival gebaute Kino-Orgel zog durch die Stadt Foto: Tabea Frank

Neben der erstmals auch am Festivalstandort Dortmund eingeführten Sektion „Begehrt – filmlust queer“, die sich ab 2023 und auch in Zukunft thematisch mit dem Suchen und Finden im Kontext von LGBTQI* befasst, können Filmbegeisterte und Kulturinteressierte sich darüber hinaus noch auf eine bunte Tüte von weiteren Specials freuen.

Am Mittwochabend wird das eigens für das Frauen-Filmfestival gebaute Kinomobil ins Rollen gebracht. Nach Sonnenuntergang wird der Stadtraum zum Kino und seine Häuser zur Leinwand. Damit lädt das „Kino to Go“ zu einem kostenlosen Filmspaziergang durch die Dortmunder Innenstadt (Treffpunkt Schauburg, 19. April ab 20 Uhr).

Wer sich einen besseren Überblick verschaffen möchte, ist im „Superraum“ genau richtig. Das Festival-Headquarter auf der Brückstraße bietet Kulturinteressierten und Filmenthusiasten neben dem Festivalprogramm und -katalog auch Akkreditierungen und Tickets, Kaltgetränke und immer ein nettes Wort, das zum Bleiben auffordert.

Im Superraum gibt’s Infos, Drinks und Kinderbetreuung

Besucher:innen mit Kindern ab drei Jahren wird ein besonderes Angebot gemacht: Im Superraum sollen die großzügigen Räumlichkeiten auch dafür genutzt werden, Kinderbetreuung anzubieten. In gemütlicher Atmosphäre und unmittelbarer Nähe zu den den Eltern, werden die Kids von erfahrenen Mitarbeiter:innen bespaßt.

Die Kinderbetreuung findet im Gebäude des Superraum, Brückstraße 64, zu folgenden Zeiten statt: Freitag von 15 bis 20 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr.

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Reaktionen

  1. Ddas sind die Preisträgerinnen des IFFF Dortmund+Köln (PM)

    Der mit 15.000 Euro dotierte Preis des IFFF Dortmund+Köln ging in diesem Jahr an den spanischen Wettbewerbsbeitrag MOTHERHOOD (LA MATERNAL) der Regisseurin Pilar Palomero. Er erzählt von der 14-jährigen Carla. Sie schwänzt die Schule, hängt mit ihrem Freund ab und streitet mit ihrer Mutter. Als die Schwangerschaft festgestellt wird, findet sie in »La Maternal«, einem Zentrum für jugendliche Mütter, Hilfe und neue Verbündete. Wie wird man Mutter, wenn man selbst noch ein Kind ist? Palomero arbeitet mit Laien, die ihre eigenen Geschichten erzählen.

    Die Jury, war mit den deutschen Filmschaffenden und filmpolitischen Aktivistinnen Helke Sander, Sara Fazilat und Maria Furtwängler besetzt. Bei der Preisverleihung riefen sie ausdrücklich zur Solidarität mit den Frauen in Iran auf.

    Ihre Preisentscheidung begründete die Jury wie folgt: »Der Film hat uns aufgewühlt und begeistert. Kunstvoll vereint er dokumentarische Elemente mit kraftvollen cineastischen Bildern ebenso wie das Spiel von Laiinnen mit dem professioneller Schauspielerinnen. Das macht seine formale Stärke aus. Die stellt er in den Dienst seiner Geschichte, die den Komplex Mutterschaft in ihrer Wucht und Widersprüchlichkeit, aber auch Grandiosität entfaltet. Die 14-jährige Protagonistin Carla ist als werdende Mutter wider Willen hin und hergerissen zwischen Ängsten, eigenen und fremden Erwartungen und den widersprüchlichen Gefühlen für ihre eigene Mutter. Verkörpert wird diese so fragile wie entschlossene junge Frau von Carla Quilez, die unter Palomeros Regie ihr herzzerreißendes Schauspieldebüt gibt. Palomero gelingt es meisterhaft, Mutterschaft so universell wie individuell zu erzählen. Ihr Film kann und wird niemanden kaltlassen. Wir wünschen dem Film und seiner Regisseurin einen weltweiten Siegeszug in die Herzen des Publikums.«

    Der Internationale Spielfilmwettbewerb präsentierte acht aktuelle Spielfilme aus Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indonesien, Mexiko, Palästina und Spanien. Er gibt Regisseur*innen eine Plattform, die interessante Debüts vorgelegt hatten oder bereits ein größeres Œuvre aufweisen. Das Preisgeld wird zwischen der Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) geteilt. Damit soll der Vertrieb der Filme von Regisseurinnen in Deutschland unterstützt werden. MOTHERHOOD hat bislang noch keinen Verleih und Starttermin in Deutschland.

    Schauspielerin und Co-Gründerin der MaLisa-Stiftung Maria Furtwängler war als Jurymitglied zum ersten Mal zu Gast beim IFFF Dortmund+Köln: »Ich habe fantastische Frauen kennengelernt und sehr unterschiedliche Filme gesehen. Ich bin nochmal sehr angezündet – für das Kino überhaupt und für andere Erzählungen. Wir müssen alle kollektiv dranbleiben und das Bewusstsein hochhalten für fehlende Gleichberechtigung und Themen wie Gewalt gegen Frauen.«

    Publikumspreis der Sparkasse Dortmund für
    Claudia Richarz’ Dokumentarfilm HELKE SANDER: AUFRÄUMEN

    Nach Auszählung der letzten Stimmen stand fest: Der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis der Sparkasse Dortmund ging in diesem Jahr an die Dokumentarfilmerin Claudia Richarz für HELKE SANDER: AUFRÄUMEN. Er ist das Porträt der bahnbrechenden Filmarbeit von Helke Sander – Filmemacherin, Autorin, Mitbegründerin der zweiten deutschen Frauenbewegung, Gründerin der ersten europäischen feministischen Filmzeitschrift »Frauen und Film«.

    Diese ganz aktuelle Arbeit von Claudia Richarz (VULVA 3.0, ABNEHMEN IN ESSEN, u.a.) feierte in Dortmund Weltpremiere. Sie nahm den Preis am Abend persönlich entgegen. Den Preis übergab Gabriele Kroll als Vertreterin des Vorstandes des Sparkasse Dortmund. An der Abstimmung um den Publikumspreis nahmen alle Festivalfilme teil, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind und länger als 60 Minuten sind.

    Damit ging in der Dortmunder Schauburg eine der erfolgreichsten Ausgaben der Festivalgeschichte des IFFF Dortmund+Köln zu Ende. Die erste nachpandemische Edition wurde von Besucher*innen und Filmschaffenden gefeiert: Rekordzahlen bei den Akkreditierten, zahlreiche ausverkaufte Vorstellungen und intensive Debatten in Dortmund und Köln. Zu den vielen Höhepunkten zählte die deutsche Festivalpremiere des Dokumentarfilms ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED von Laura Poitras – das Porträt der Künstlerin Nan Goldin und ihres Kampfes gegen den Pharmakonzern Sackler.

    Festivalleiterin Maxa Zoller zeigte sich begeistert von der ersten vollständigen Festivalausgabe seit vier Jahren:
    »Der überwältigende Andrang zeigt, dass Filme von Frauen den Finger am Puls der Zeit haben. Die verhandelten Themen sind wegweisend im Bezug auf die Debatte über die Zukunft der Gleichstellung.«

    Shoot KHM & IFFF Dortmund+Köln-Nachwuchspreis
    für Künstlerinnen der KHM für Hanna Noh

    Der vor vier Jahren ins Leben gerufene Preis zeichnet die künstlerische Entwicklung einer Absolventin der Kunsthochschule für Medien Köln aus und geht zum ersten Mal an eine Installationskünstlerin: Hanna Noh. Der Preis wird am Abend in Kooperation mit der Gleichstellung der KHM vergeben.

    »Die aus Südkorea stammende Hanna Noh hat mit der thematischen Tiefe und künstlerischen Formenvielfalt ihrer Film- und Papierinstallationen überzeugt. Das Tabuthema der DMZ, der entmilitarisierten Zone zwischen Süd- und Nordkorea, wird in Nohs Arbeiten aufgebrochen und der (Kunst-) Welt zugänglich gemacht. Die versöhnende, harmonisierende Kraft dieser atmosphärischen Videoarbeit zeugt von einer ganz besonders mutigen Herangehensweise an ein Thema, das trotz seiner geopolitischen Bedeutung kaum künstlerischen Ausdruck findet«, heißt es in der Jurybegründung. Die Jury war in diesem Jahr mit der Bildgestalterin Conny Beißler, der Kuratorin Jessica Manstetten und Festivalleiterin Maxa Zoller besetzt.

    ECFA Kurzfilmpreis für TULA von Bea de Silva

    Der undotierte ECFA Kurzfilmpreis im Programm für Kinder und Jugendliche geht an den spanischen Spielfilm TULA von Bea de Silva: Tula arbeitet als Putzfrau an einer Privatschule für Mädchen. Während ihres Arbeitstages trifft sie auf der Toilette auf die vierzehnjährige Tochter des Schulleiters. Die Jury war mit der Kuratorin Gudrun Sommer, der Übersetzerin Lara Melegari und Marjo Kovanen, dem Leiter des finnischen Schulkinoverbands Koulukino besetzt und begründete ihre Entscheidung wie folgt:

    »TULA hat uns mit einer starken und einzigartigen Protagonistin gefangen genommen. Ihre bodenständige Art passt zu ihrer frechen Persönlichkeit, ihr Humor macht ihren Charakter authentisch und überzeugend. Mit einer meisterhaften Balance aus Timing und Rhythmus erschafft der Film ein Kammerspiel. Und zwar an einem Ort, der – so einfach und alltäglich er scheinen mag – zum perfekten Schauplatz für ein aufschlussreiches Gespräch über den weiblichen Körper und Intimität wird: die Schultoilette. Durch die Privatsphäre, die dieser Ort bietet, verwandelt sich die Mädchentoilette zu einem „Safe Space“ für wichtige, informelle Bildung. Der Film spricht sein junges Publikum an, ohne zu bevormunden, ähnlich wie auch die Protagonistin ihr eigenes Publikum anspricht. Und obwohl sich die Handlung auf nur zwei Charaktere konzentriert, präsentiert er ein ganzheitliches Spektrum von Weiblichkeit. Denn er zeigt nicht nur die Interaktion zwischen zwei Generationen, sondern bildet auch unterschiedliche Lebenserfahrungen und soziale Hintergründe ab.«

    Publikumspreis der Sparkasse Dortmund

    Der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis steht erst nach Auszählung der letzten Stimmen kurz vor der Preisverleihung fest. Der Preisträgerinnenfilm wird nachgemeldet. An der Abstimmung nehmen alle aktuellen Filmproduktionen aus dem Festivalprogramm mit einer Länge ab 60 Minuten teil.

    >>Noch bis 30. April steht ein Querschnitt aller Festivalsektionen als Online-Auswahlprogramm zum Streaming zur Verfügung unter ifff.onlinefilmfestival.de

    >>Die 41. Ausgabe des IFFF Dortmund+Köln wird mit dem Hauptprogramm 2024 in Köln stattfinden.

  2. »Art on the MOve« Leinwand los – Filmemacher*innen aus Dortmund (PM)

    Bei unserer »Art on the MOve«-Veranstaltung im August nehmen wir Dortmunder Filmemacherinnen in den Fokus.

    „People are strange when you’re a stranger“. Inspiriert von autodidaktischer Malerei und Werken der „bergmännischen Laienkunst” in der MO-Sammlung präsentieren wir in diesem Programm Filme, die vom Außenseiter*innensein geprägt sind. Es sind ungefilterte Emotionen, lyrische Chroniken und besondere Lebensgeschichten. Kantig und ergreifend zart – unabhängiges Kino über eigenständige Köpfe von Filmschaffenden aus Dortmund.

    Filmprogramm:

    SCHATTEN FRESSEN Ulrike Korbach, Deutschland 2022, 20′, Foto im Anhang, Info

    POPOV Christina Keilmann, Deutschland 2023, 15′, Info

    DIE SEHEN JA NUR, DIE WISSEN JA NICHTS Silke Schönfeld, Deutschland 2020, 27′, Info

    17. August • 19:00 Uhr • Flux Inn Museum Ostwall / Dortmunder U • Eintritt frei
    Anmeldung erwünscht unter: info@dortmunder-u.de
    Die Freie Szene Film Dortmund lädt zu Sommerdrinks und Gesprächen!

    Art on the MOve ist eine Initiative, die ausstellungsergänzende Filmreihen im Dortmunder U anbietet. Art on the MOve bringt unsere Sicht auf die Kunst in Bewegung, erweitert die Ausstellungen um neue Perspektiven und beleuchtet die künstlerischen Aspekte des Kinos.

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