Strukturen durch Corona in Gefahr – Multikulturelles Forum befürchtet langfristigen Schaden für Migrantenorganisationen

Interkulturelle Lotsen helfen bei der Integration von Neuzuwanderern. Lotsinnen Bessma Khales, Waffa Kuwider, beide aus Syrien und Jacintha Benjamin büffeln Alltag
Die vielfältigen Angebote der Migrationsorganisationen tragen zu einem besseren Zusammenleben in der multiplen Gesellschaft bei. Hier werden junge Frauen zu Integrationslotsinnen ausgebildet. Foto: Klaus Hartmann/Archiv

Die Corona-Pandemie gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern birgt auch viele weitere Risiken. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind längst in aller Munde, doch auch die sozialen und kulturellen Folgen dieser bisher einzigartigen Krise sind nicht zu unterschätzen. Mit Blick auf die Zukunft von Migrantenorganisationen äußerte sich nun Kenan Küçük, Geschäftsführer des Multikulturellen Forums, besorgt: „Die Krise trifft auch die Migrantenorganisationen hart: Sie arbeiten gemeinnützig und oftmals ehrenamtlich, haben in der Regel weder Rücklagen noch eine Strukturförderung. Durch die Krise haben sie ihre Einnahmequellen verloren aber nach wie vor laufende Kosten wie zum Beispiel Mieten.“

Keine Einnahmen – kein Rettungsschirm für Migrantenorganisationen

Kenan Küçük ist Geschäftsführer des Multikulturellen Forums Lünen e.V..
Kenan Küçük ist Geschäftsführer des Multikulturellen Forums e.V.. Foto: Alex Völkel/Archiv

Viele Migrantenorganisationen würden sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren; zahlreiche Spendenveranstaltungen könnten in der derzeitigen Lage nicht durchgeführt oder geplant werden, Mitgliedsbeiträge drohen aufgrund finanzieller Engpässe der Mitglieder auszufallen. ___STEADY_PAYWALL___

Aber nicht nur ehrenamtliche Strukturen, sondern auch Migrantenorganisationen mit professionellem Angebot seien von der Krise betroffen, da Angebote nicht durchgeführt und Dienstleistungen nicht erbracht werden könnten; Einnahmen z.B. aus geplanten Kursen oder Maßnahmen fallen somit ersatzlos aus.

Von den bisher beschlossenen Rettungsschirmen könnten nur die wenigsten Migrantenorganisationen profitieren, so Küçük: „Ein-zwei Monate können die meisten sicherlich durchstehen. Doch was uns bevorsteht, ist ein längerer Prozess, der dazu führen könnte, dass wir einige dieser erfolgreichen Strukturen verlieren.“ 

Wichtige Funktion der Organisationen in einer Gesellschaft der Vielen

Projekte des MkF beschäftigen sich Antisemitismus, religiösem Extremismus, interkultureller Öffnung und Umweltschutz.
Projekte des MkF beschäftigen sich u.a. mit Antisemitismus, religiösem Extremismus, interkultureller Öffnung und Umweltschutz.

Dabei hätten Politik und Gesellschaft in den letzten Jahren endlich begriffen, welch eine große Bedeutung den Migrantenorganisationen in einer Gesellschaft der Vielen zukomme: „Es wäre fatal, die mühsam und mit viel Herzblut entstandenen Organisationen nun in der Krise allein zu lassen.“ Dies habe er auch bei einem Austausch mit NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler zum Ausdruck gebracht. 

Denn gerade jetzt komme der Expertise und der Unterstützung, die die Migrantenorganisationen bieten können, eine große Bedeutung zu, treffe die Corona-Krise doch gerade die Benachteiligten der Gesellschaft, und somit auch Menschen mit Migrationshintergrund, in besonderem Maße. Migrantenorganisationen seien gerade in und nach der Krise wichtiger denn je.

Wo informiert sich der Geflüchtete über seine Rechte in Zeiten der Pandemie? Wo erhält die Schülerin mit Migrationshintergrund Unterstützung, wenn sie sich nach wochenlanger Schulschließung im Unterricht abgehängt fühlt? Wer greift denjenigen unter die Arme, die durch die Krise ihre Jobs verlieren? 

Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung muss auch in Corona-Zeiten fortgesetzt werden

Ohne die Migrantenorganisationen entstünde eine große Lücke, die sich nicht ohne weiteres schließen ließe, betont Küçük. Schlimmer noch: Lässt man diese nun in der Krise allein und riskiert ihr Aus, verliert die pluralistische Gesellschaft wichtige Stimmen, wichtige Orte der Repräsentanz der Gesellschaft der Vielen, Sprachrohre für Vielfalt und Akteur*innen gegen Rassismus.

Die Botschaft war klar - der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus muss weitergehen. Foto: Leopold Achilles
Auch in Corona-Zeiten muss der Kampf gegen Rassismus weitergehen. Foto: Leopold Achilles

Insbesondere letzteres verdient ein besonderes Augenmerk, ist doch der ohnehin schon zunehmend rassistischer werdende öffentliche Diskurs vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit weiteren Hass- und Hetzkampagnen aufgeladen. Dass Diskriminierungen sich in Krisenzeiten verstärken, ist kein Novum. 

Auch jetzt werden Menschen, denen eine chinesische Herkunft attestiert wird, rassistisch beleidigt, zu „bedrohlichen Fremden“ gemacht. Fake News werden über Geflüchtete als Ursache für die Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland verbreitet, Menschen mit Migrationshintergrund mit Hasskommentaren oder rassistischen Flugblättern in ihren Briefkästen belästigt. 

Nachdem der Anschlag in Hanau und die Forderungen nach einer entschiedeneren Bekämpfung von Rassismus in Deutschland – nicht nur – aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus schnell wieder aus dem Fokus gerieten, ist es umso wichtiger, dass Migrantenorganisationen weiterhin ihre Stimme erheben und sich weiter für ein Land einsetzen (können), in dem wir alle, frei nach Adorno, ohne Angst verschieden sein können.

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