Sonicsushi & Japanische Spezialitäten – Lautsprecher-Konzerte für seltene Musik im Depot

SonicSushi & japanische Spezialitäten. Radio-Konzerte für seltene Musik. Frank Niehusmann. 17. Ausgabe
SonicSushi & japanische Spezialitäten. Radio-Konzerte für seltene Musik. Frank Niehusmann diskutiert mit Zuhörern

Erhöhte Radioaktivität, Sonicsushi und japanische Spezialitäten nannte sich der Auftakt der Reihe Lautsprecherkonzerte für seltene Musik im noch jungen Jahr. Gemeint sind Spielarten elektronischer Musik die selten oder gar nicht den Weg in das Ohr des durchschnittlichen Konsumenten virtuell erzeugter Klänge finden.

Wer sich auf die Suche nach einer Melodie begibt, wird enttäuscht

Lautsprecher Konzerte für seltene Musik im Depot
Einzige Lichtquelle: Leuchte weist den Weg zu den Notausgängen

Die Zuhörerschaft an diesem Abend ist überschaubar. Trotzdem bietet das Depot diesem Genre moderner Musik, Zeit und Raum. Und das ist gut so. Auf der Suche nach den Klängen nach der Poesie des Alltagsgeräusch entstehen ungewohnte Hörerlebnisse. Bekanntes wir auseinandergerissen mit Geräuschen versehen und neu konstruiert – oder in Gänze neu erschaffen. Das ist nicht einfach zu konsumieren. Wer sich auf die Suche nach einer Melodie begibt, wird meistens enttäuscht. „Man muss die Textur in der Musik finden, sie allein bietet Orientierung, leistet Frank Niehusmann Hilfestellung.

Der Musiker ist zusammen mit Peter Eisold und Thomas Neuhaus verantwortlich für Klangregie und Dramaturgie dieser Reihe. Seit 2011 haben die seltenen Klänge eine Heimat im Depot gefunden. Immer unter einem anderen Motto werden brandneue Originalwerke, Schätze aus den Archiven der Avantgarde, und das Knistern historischer Aufnahmen präsentiert. Die Musik an den Abenden wird, beispielsweise, zu den Themen „ Tiere, Dschungel, Biomasse“ oder „Schöne Söhne und tüchtige Töchter“ oder Hyperventilation und Havarie“, zusammengestellt.

Das ganze findet zwei bis vier mal im Jahr im Dunkeln des Theaters statt. Kein Licht ist vorhanden – Nur der blasse Schein der Leuchte, die den Weg zu den Notausgängen weist. Keine Musiker – Nur zwei Boxen stehen dort vor dem Parkett der Bühne. Klassischer Stereophonie ist das, oft auch Quadrophonie mit zwei zusätzlichen Lautsprechern im Rückraum des Theaters.

Kein Musiker, kein Licht, nur Klänge im Theater. Die Bilder entstehen im Kopf

SonicSushi & japanische Spezialitäten. Radio-Konzerte für seltene Musik. Frank Niehusmann. 17. Ausgabe
Frank Niehusmann am Mischpult

Es gibt nichts zu sehen. Einzig der Klang ist als Sinneseindruck vorhanden. Und weil der Mensch ein visuelles Tier ist und nicht auf Bilder verzichten kann, konstruiert er sie im Kopf. Die Stücke bieten dazu viel Gelegenheit. Eine Eisenbahn rauscht zum Takt des Geigerzählers durch den Saal – oder befindet man sich gerade in einem U-Boot, über dem ein Schiff hinweg rauscht? Der Nachbar sieht höchstwahrscheinlich etwas anderes. „Go To Ocean „heißt das Stück von Sawako Kato aus dem Jahre 2004.

Davor gab es die stakkatoartige rasend schnelle Geräuschkulisse von Hiroki Nishino. „AveryShortFuturisticSketch“ nennt der Komponist sein Werk von 2007. Kurze Einblendungen mit Namen des Titels und des Komponisten strukturieren den Abend. Karl-Heinz Stockhausen ist dabei mit einem Stück aus den 60er Jahren. „Struktur 11, Japan Kabuki, aus: Telemusik“, heißt das und klingt nach 2014.

Am Ende des Konzertabends wird noch einmal über das Gehörte und Gesehene diskutiert. „Mich hat es an japanische Stoffe und Muster erinnert“, sagt ein Besucherin. „Dieser chaotisch geordnete Wahnsinn“, bemerkt ein Zuhörer, „ich hatte irgendwann Sehnsucht nach der Musik von Johann Sebastian Bach, aber die Hymne für die Honda-Arbeiter am Schluss hat mich versöhnt“. „Die japanische Kultur ist gekennzeichnet durch Ausbruchseskapismen“ , erklärt Niehusmann die spezielle Ausdrucksform der elektronischen Musik und der zeitgenössischen Kultur des Landes im Allgemeinen. „Es gibt keine Tradition der Avantgarde, wie in Europa. Es existiert eine Tendenz sich ins Extreme zu bewegen um Freiheit zu gewinnen“. Schöner Schluss und irgendwie bekannt.

Sehr seltener Abend, dieses Lautsprecher Konzert für seltene Musik. Fortsetzung folgt, nur wann? – „Das ist noch nicht raus. Jedenfalls dieses Jahr“, versprechen die Organisatoren und schauen in ihre Terminkalender.

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Reaktionen

  1. Nordstadtblogger-Redaktion

    ReihenWeise … KONZERTE: VOL. 21: MEIN LIEBER SCHWARM RADIO_DEPOT LAUTSPRECHER-KONZERTE FÜR SELTENE MUSIK

    Wer ist Dein Schwarm? Meiner ist eine Wolke aus Millionen Nano-Partikeln, die meinen Kram erledigt: total nützlich, aber leider erst in 100 Jahren zu kaufen. „Der Schwarm“ war auch ein Kapitel der „Perry Rhodan“-Saga: zwischen „Fremde Galaxien“ und „Superintelligenzen“. „Schwarm-Intelligenz“ ist ein Pop-Hype in Blabla-Form. Menschliche Massen sind nämlich selten intelligent und kaufen meist nur billigen Plunder. Ein Schwarm in freier Wildbahn dagegen (Heringe oder Zugvögel) bewegt sich in kollektiver Wachsamkeit ohne zentrale Steuerung oder Zentrum: Radio_Depot Nr.21 spielt Schwarm-Klänge und klingende Schwärme. Massenhaft Sounds. Komm! Ins Schwärmen, Freund!

    Eine Co-Produktion von Theater im Depot, Gesellschaft für Neue Musik Ruhr (GNMR) und Deutscher Gesellschaft für Elektroakustische Musik (DEGEM).

    Vorstellung:
    SO 01.03.2015 um 18 Uhr
    Eintritt: VVK 8 € / 5 € erm.
    AK 8 € / 5 € erm.
    Dramaturgie & Klangregie:
    Peter Eisold, Thomas Neuhaus, Frank Niehusmann

    Ort: Theater im Depot, Immermannstr. 29
    http://www.depotdortmund.de

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