SERIE Arbeit und Ausbildung (5): Noch über 1000 Lehrstellen in Dortmund unbesetzt – Werbung für duale Ausbildung

vl. Frank Neukirchen-Füsers (Geschäftsführer Jobcenter Dortmund), Stefan Schreiber (Hauptgeschäftsführer IHK), Jürgen Hinkelmann (Geschäftsführer Bäckerei Grobe), Albi Lugjaj (Auszubildender Bäckerei Grobe), Regine Kreickmann (Bereichsleitung Jobcenter Dortmund), Dirk Engelsking (Bereichsleiter Agentur für Arbeit Dortmund), Burcin Saracoglu (Auszubildende Bäckerei Grobe), Joachim Susewind (Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft) und Volker Walters (Geschäftsführer Bildungskreis Handwerk e.V.).
Werben gemeinsam für die duale Ausbildung – Arbeitsagentur, Jobcenter, IHK und Handwerk. Fotos: Alex Völkel

Von Alexander Völkel

1700 Dortmunder Jugendliche würden gerne noch in diesem Jahr eine duale Ausbildung anfangen – über 1000 Ausbildungsplätze sind noch frei. Dennoch fällt es oft schwer, Anbieter und Nachfrager zusammen zu bringen. Bei Albi Lugjaj und Burcin Saracoglu hat es geklappt: Sie sind zwei der elf neuen Auszubildenden bei der Bäckerei Grobe.

Bustour für Ausbildung brachte gleich drei Jobs bei der Bäckerei Grobe

Möglich gemacht hat es die Ausbildungs-Bustour, an der sie im März 2016 teilgenommen haben. Bei beiden Azubis hätten die Voraussetzungen allerdings unterschiedlicher kaum sein können.

Albi Lugjaj und Burcin Saracoglu sind neue Auszubildende bei der Bäckerei Grobe.
Albi Lugjaj und Burcin Saracoglu sind neue Auszubildende bei der Bäckerei Grobe.

Albi Lugjaj ist vor rund zwei Jahren als unbegleiteter Flüchtling aus Albanien nach Deutschland gekommen und hat jetzt relativ schnell einen Ausbildungsplatz gefunden. Der 17-jährige lernt nun in der Bäckerei. „Ich habe einen Beruf ausgesucht, den vielen nicht mehr machen wollen“, sagt er lachend. Daher rechnete er sich gute Chancen aus.

Die 23-jährige Burcin Saracoglu wird nun Bäckereifachverkäuferin. Sechs Jahre (!) hat sich erfolglos für den Verkauf beworben. Die schulischen Voraussetzungen waren nicht gut – aus gesundheitlichen Gründen hatte sie den Abschluss nicht geschafft.

Beide haben an der Bustour teilgenommen und dabei auch die Bäckerei Grobe besucht. Hier sind sie quasi gleich „hängen geblieben“ – ebenso wie ein dritter künftiger Azubi. Bei dem Besuch konnten sich Betrieb und Bewerber gleich persönlich „beschnuppern“ – das gab letztlich den Ausschlag für die spätere Einstellung.

Handwerk kann den Azubis Chancen bieten – auch nach der Ausbildung

Jürgen Hinkelmann (Geschäftsführer Bäckerei Grobe)
Jürgen Hinkelmann (Geschäftsführer Bäckerei Grobe)

„Wir können eine sichere berufliche Perspektive nach der Zeit der Ausbildung bieten“, betont Jürgen Hinkelmann, Geschäftsführer der Bäckerei Grobe. Es hätten ruhig noch ein paar mehr BewerberInnen im Bus hätten sitzen dürfen.

„Wir können noch zehn Auszubildende gebrauchen“, sagt er und macht keinen Hehl daraus, dass das Unternehmen Probleme hat, ausreichend passende Bewerberinnen und Bewerber zu finden.

Ein Hauptschulabschluss ist da kein Ausschlusskriterium – im Gegenteil. „Wir hätten gerne noch ein paar mehr von den 80 Prozent der Hauptschulabsolventen in unserem Unternehmen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben.“

„Nur ein Fünftel der Hauptschul-Absolventen geht direkt in eine duale Ausbildung. Aber das ist der Königsweg und sollte gegangen werden, wenn er möglich ist“, unterstreicht Frank Neukirchen-Füsers, Geschäftsführer des Jobcenters.

Partner werben gemeinsam für die Einstellung von HauptschülerInnen

Frank Neukirchen-Füsers (Geschäftsführer Jobcenter Dortmund)
Frank Neukirchen-Füsers (Geschäftsführer Jobcenter)

Daher haben sich Agentur für Arbeit, Jobcenter, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft gemeinsam mit der Stadt Dortmund auf den Weg gemacht, um genau dafür zu werben. Ein neues Instrument war dabei die Bustour.

„Wir haben mit dem Doppeldecker-Bus sechs Betriebe angesteuert. Wir wollten insbesondere für junge Leute mit Hauptschulabschluss werben und zeigen, wo noch Leute gesucht werden und es gute Perspektiven gibt“, so Neukirchen-Füsers.

Eine Initiative, die auf große Resonanz stieß. So war auch OB Ullrich Sierau mit unterwegs, um ein Zeichen zu setzen – auch wenn die ausgewählten Betriebe natürlich nicht die gesamte Bandbreite der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Stadt abdecken konnten.

Für einen Ausbildungsplatz ist es noch nicht zu spät: Noch 1000 freie Stellen

Wer bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, müsse nicht resignieren: „Wir haben noch unglaublich viel Bewegung bis zum 1. Oktober. Dass Firmen jetzt noch Azubis einstellen, ist keine Seltenheit, sondern der Regelfall“, betont Dirk Engelsking, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit.

Stefan Schreiber (Hauptgeschäftsführer IHK)
Stefan Schreiber (Hauptgeschäftsführer IHK)

Noch 1700 Jugendliche hat die Behörde in der Betreuung, die noch eine Ausbildung beginnen wollen – ein knappes Drittel davon mit Hauptschulabschluss. „Viele haben eine andere Perspektive – aber sie würden gerne eine duale Ausbildung beginnen“, weiß Engelsking. Über 1000 freie Ausbildungsplätze gibt es noch.

Und die duale Ausbildung erfreut sich – trotz immer mehr AbiturientInnen unter den SchulabgängerInnen – großer Beliebtheit: „Sechs Jahre hintereinander hatten wir über 5000 Ausbildungsverträge im Bereich Dortmund, Hamm und Unna“, berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber.

„Seit 1970 hatten wir das so noch nie“, so Schreiber weiter. Auch in diesem Jahr rechnet er mit guten Zahlen: Aktuell liegen die Werte sogar noch über dem Vorjahresstand.

Duale Ausbildung ist keine Sackgasse, sondern bietet Aufstiegschancen

Joachim Susewind (Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft)
Joachim Susewind (Hauptgeschäftsführer Kreishandwerkerschaft Dortmund)

Deutlich wird dabei – auch das ist eine zentrale Botschaft der Bustour – das die duale Ausbildung keinesfalls eine Sackgasse ist. „Es kann weiter gehen“, wirbt auch Hinkelmann. Aus einer Verkaufsstelle in einer Filiale kann eine Verkaufsleitung werden – auch für mehrere Filialen.

Zudem könne ein Studium der Lebensmitteltechnologie folgen: „Unsere Führungskräfte in diesem Bereich haben zu 80 Prozent auch hier in der Produktion die Ausbildung gemacht“, wirbt der Geschäftsführer der Bäckerei Grobe.

„Während der Ausbildung habe ich über Förderkurse die Chance, auch höhere Schulabschlüsse zu erreichen. Das muss man Schülern und Eltern nahe bringen“, ergänzt Joachim Susewind, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.

Er rechnet auch für dieses Jahr wieder mit 900 bis 950 Lehrverträgen im Handwerk. „Wir sind optimistisch, die Vorjahreszahlen zu halten und vielleicht sogar steigern zu können“, so Susewind.

Vor allem im Handwerk bleiben viele Lehrstellen unbesetzt

Auch im Handwerk gibt es noch viele offene Stellen. Ein Grund: Viele der künftigen Azubis kämen nicht zum Ausbildungsbeginn. Gute BewerberInnen würden mitunter mehrere Lehrverträge unterschreiben, um sich alle Möglichkeiten offen zu halten.

Regine Kreickmann (Bereichsleitung Jobcenter Dortmund)
Regine Kreickmann (Bereichsleitung Jobcenter)

Daher stünden Unternehmen dann zum Ausbildungsbeginn oft ohne Azubi da. Oder es komme zu Wechseln während der Probezeit. Ein Umstand, den alle Beteiligten gerne vermeiden würden.

Auch bei Problemen gibt es Möglichkeiten, Abbrüche oder Kündigungen zu vermeiden. „Wir haben das Instrument der assistierten Ausbildung und können Auszubildende über die gesamte Ausbildung begleiten“, erklärt Regine Kreickmann, Bereichsleiterin im Jobcenter. „Auch in Konfliktfällen können wir das Gespräch suchen und auch bei organisatorischen Fragen helfen.“

Daher gebe es keinen Grund, jetzt ohne Ausbildungsplatz den Kopf in den Sand zu stecken. Es müssten auch nicht immer „die hochwertigsten Schulabschlüsse“ sein – vor allem dann nicht, wenn die Noten dann nicht mehr so gut sind. Also lieber einen guten Hauptschulabschluss als ein gerade so geschafftes Abitur? In der Tat. Doch Noten sind schon längst nicht mehr alles.

Persönliches Engagement kann den Ausschlag geben

Vielen Arbeitgebern – zumeist in kleinen Betrieben – ist das persönliche Engagement der BewerberInnen wichtig: „Wenn jemand nach einer Bewerbung persönlich beim Betrieb nachfasst, dann ist das immer gut. Allerdings sollte dann die Bewerbung auch gut sein“, rät Susewind.

Volker Walters (Geschäftsführer Bildungskreis Handwerk e.V.)
Volker Walters (Geschäftsführer Bildungskreis Handwerk)

„Dann gibt es kaum einen Arbeitgeber, der sich die Bewerbung nicht anschaut“, versichert der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. „Bei Defiziten kann man damit offen und ehrlich umgehen. Schließlich kann man auch in der Ausbildung noch nachfassen.“

Nicht zuletzt deshalb engagiert sich das Handwerk auch im Bildungsbereich: „Als Bildungskreis sind wir auch Vermittler zwischen Betrieben und Bewerbern“, berichtet Volker Walters, Geschäftsführer des Bildungskreis Handwerk e.V..

Für das Bäckerei-Unternehmen Grobe ist der persönliche Kontakt ebenfalls wichtig. Probetage oder Praktika sind hier obligatorisch, bevor ein Vertrag unterschrieben wird: „Als Unternehmen und Berufsstand bringen uns Probetage nach vorne. Da fängt sonst keiner bei uns an“, betont Hinkelmann. „Wir brauchen die Sicherheit, ob sich beide Seiten das vorstellen können.“

Auch bei Grobe sind die Noten nicht das Wichtigste: „Die Ausbildungsfähigkeit muss da sein. Aber das Engagement der Bewerberinnen und Bewerber ist das Wichtigste. Dann werden wir zusammenfinden“, verspricht Hinkelmann.

Bilder der Bustour für mehr Ausbildung im März 2016:

Die früheren Teile der Serie auf nordstadtblogger.de:

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