Der Seniorenbeirat hatte zum Erzählcafé ins DKH eingeladen

Renate Breß spielte als linke Verteidigerin in der ersten Frauenfußball-Nationalmannschaft

Renate Breß erzählt und alle hören gespannt zu: auch Jürgen Pomowski (l.) und Franz-Josef Ingenmey.
Renate Breß erzählt und alle hören gespannt zu: auch Jürgen Pomowski (l.) und Franz-Josef Ingenmey. Foto: Susanne Schulte

Renate Breß hatte schwer zu schleppen, als sie zum Erzählcafé vom Seniorenbeirat Franz-Josef Ingenmey abgeholt wurde. Denn so schön die ehemalige Fußballerin auch berichten kann von ihrer Zeit in der ersten deutschen Frauennationalmannschaft in den 1950er und 1960er Jahren, noch besser kommen die Geschichten an, wenn sie ihre großen Alben und Ordner zeigt, in denen sie Presseberichte und Ankündigungszettel, Ansichtskarten und Eintrittskarten eingeklebt hat. Und zwei dieser dicken Ordner hatte Renate Breß eingepackt, um sie während der Veranstaltung im Dietrich-Keuning-Haus (DKH) zeigen zu können.

Die Frauen-Teams durften nicht auf die Vereinsplätze

Das Erzählcafé ist eine monatliche Veranstaltung, die vor vielen Jahren von der damaligen Seniorenbeirätin Kristina Kalamajka angestoßen wurde. Ein Gast aus der Nordstadt erzählt seine Lebensgeschichte, kommt mit den Besucher:innen ins Gespräch und so erfahren alle noch etwas Neues aus ihrem Viertel. Und es hieße nicht Café, wenn nicht auch Kaffee ausgeschenkt würde. Den kocht der ehrenamtliche DKH-Mitarbeiter Jürgen Pomowski, der ihn auch ausschenkt.

Renate Breß, damals Müller, im Spielerinnen-Dress und mit den praktischen Rattenschwänzen.
Renate Breß, damals Müller, im Spielerinnen-Dress und mit den praktischen Rattenschwänzen. Foto: Susanne Schulte

Franz-Josef Ingenmey stellte währenddessen Renate Breß vor, die dann auch gleich von ihren Spielen in deutschen und ausländischen Stadien berichtete.

Renate Breß, in den 1950er Jahren hieß sie Müller, war, wie ihre Mitspielerinnen bei Fortuna Dortmund 55, am Borsigplatz geboren worden. Doch anders als die Männer hatten die Frauen Probleme, Plätze zu finden, auf denen sie spielen durften. Denn den Vereinen, denen viele Spielstätten gehörten, wurde vom Westdeutschen Fußballverband untersagt, Frauen dort spielen zu lassen.

Vergaben sie ihre Stadion dennoch, wurde ihnen die finanzielle Unterstützung gestrichen. „So haben wir auch mal im Garten einer Hörder Kollegin trainiert.“ Und wenn der Verein bei den Kommunen wegen einer Platznutzung anfragte, gehörten oft die Heime oder die Umkleidekabinen einem Verein. „Dann konnten wir da zwar spielen, mussten uns aber woanders umziehen.“ Das wurde dann alles anders, als die Mannschaft Josef Floritz kennenlernte.

Leopold Achilles | Nordstadtblogger

Josef Floritz war einst Trainer bei Borussia Neunkirchen und hatte die Idee, aus dem Frauenfußball eine Tournee-Attraktion zu machen. Er gründete einen Frauenfußball-Verband, stellte eine Frauen-Nationalmannschaft zusammen, in der vor allem die Dortmunderinnen spielten, unterstützt von Fußballerinnen aus München und Nürnberg, Essen und Oberhausen.

Diese Mannschaft ließ er vor allem antreten gegen ein Team aus den Niederlanden – und das fast jedes Wochenende vor allem in Bayern und Baden-Württemberg.

„Wir haben im Neckar-Stadion gespielt, im Frankfurter Stadion, und im Weser-Stadion in Bremen. Mit unserem Spiel in Bremen wurde die Flutlichtanlage eingeweiht“, erzählte Renate Breß. Nur hier in Dortmund, „da haben wir keinen Kleckerplatz bekommen“. Die Frauen trainierten deshalb hauptsächlich in Villigst.

Von jedem Spiel ließ sich Renate Breß die Zeitungsberichte schicken

Neben 3000 bis 16.000 Zuschauer:innen auf den Tribünen, waren auch die Sportredakteure der örtlichen Zeitungen in den Stadien. Deren Berichte ließ sich Renate Breß dann nach Dortmund schicken.

Renate Breß erzählt und alle hören gespannt zu: auch Jürgen Pomowski (l.) und Franz-Josef Ingenmey.
Renate Breß erzählt und alle hören gespannt zu: auch Jürgen Pomowski (l.) und Franz-Josef Ingenmey. Foto: Susanne Schulte

„Nach dem Spiel sprach ich immer einen Zuschauer an, gab ihm eine postlagernde Adresse und erhielt ein paar Tage später die Zeitung.“

So hat sie es auch in Frankreich gemacht und in Italien, wenn Floritz dort Spiele organisiert hatte. Diese Zeitungsberichte kann sie zwar nicht lesen, weil auf Französisch und Italinienisch geschrieben, aber sie kleben in ihren Alben.

Wie auch die Artikel aus Wien, als die Schlagersängerin Lolita den Anstoß übernahm. Die Spielberichte aus Deutschland sind durchaus keine hämischen, wenn auch die meisten Überschriften heute so nicht mehr gedruckt würden.

„Da kann Herberger noch was lernen: Die Damen konnten’s besser!“ Foto: Leopold Achilles

„Pferdeschwanz und Schnittlauchlocke bombten die Tore“ und „Kopfball von Dauerwelle zu Dauerwelle“ war damals zu lesen, aber auch „Bestes Spiel seit Bern“ und „Da kann Herberger noch was lernen: Die Damen konnten’s besser!“

So viel die Frauen damals spielten, oft waren es zwei Spiele am Wochenende, so wenig hatten sie finanziell davon. Da gab es mal zehn Mark für jede, damit sie sich während der langen Fahrt an einer Raststätte etwas zu trinken kaufen konnte. Zu den Spielen fuhren sie per Bus aus der Nordstadt los, die Unterkünfte in den Hotels bezahlte Josef Floritz von den Einnahmen durch die Eintrittsgelder.

Nach zehn Jahren Tournee mit der Nationalmannschaft war Schluss

Renate Breß ließ ihre Alben bei den Gästen des Erzählcafés herumgehen. Dabei fallen ihr immer noch weitere Details ein. So wie die Begegnung mit Bert Trautmann, dem langjährigen Torwart von Manchester City, der die englischen Frauen begleitete, als diese zum Länderspiel nach Bochum kamen. Zehn Jahre lang waren die Dortmunderin an ihren Wochenenden in Sachen Fußball unterwegs. Dann starb Josef Floritz, die Spielerinnen war nun um die 30, wollten heiraten und Kinder bekommen, Nachwuchsspielerinnen hatten sich nicht blicken lassen. So trat der Frauenfußball in eine lange Auszeit.

Die Geschichten aus dem Mund und aus den Alben von Renate Breß (sitzend rechts) faszinierten die Gäste des Erzählcafés im DKH.
Die Geschichten aus dem Mund und aus den Alben von Renate Breß (sitzend rechts) faszinierten die Gäste des Erzählcafés im DKH. Foto: Susanne Schulte

Die Spielerinnen der ersten Nationalmannschaft waren dann wieder gefragt, nachdem der DFB sich mit Fußball spielenden Frauen angefreundet und das deutsche Team die Weltmeisterschaft gewonnen hatte.

Die Geschichte über Renate Breß und ihr Archiv, die nordstadtblogger 2022 veröffentlichte, übernahm damals auch das Frauenfußball Magazin. Noch heute treffen sich neun der damaligen Dortmunder Spielerinnen einmal im Jahr, meist bei Renate Breß. Auch dieses Jahr ist es wieder so, wenn die einstige linke Verteidigerin zu ihrem Geburtstag einlädt.

Zum nächsten Erzählcafé laden die Seniorenbeiräte aus der Nordstadt für Donnerstag, 18. April, um 14 Uhr ins Dietrich-Keuning-Haus ein. Die Teilnahme ist wie immer kostenlos. Gast ist dann Isolde Parussel, die Leiterin des Hoesch-Museums. Sie erzählt von der Arbeit im Museum, von den Möglichkeiten, dort ehrenamtlich tätig zu sein, von geplanten Ausstellungen und besonderen Exponaten. 


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Das Archiv des deutschen Frauenfußballs liegt in Kisten in der Dortmunder Nordstadt

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Reaktionen

  1. Erzählcafé und Sprechstunde des Seniorenbeirats Innenstadt-Nord (PM)

    Der Seniorenbeirat Innenstadt-Nord lädt ein zum nächsten Erzählcafé am Donnerstag, den 18. April 2024 von 14.00 bis 16.00 Uhr im Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstraße 50-58, Raum 204.

    Hören Sie gerne Geschichten aus Ihrer Jugend oder dem Stadtteil, oder möchten Sie aus Ihrem Leben, über Ihre Erfahrungen, Erinnerungen oder auch über aktuelle Ereignisse erzählen? Dann ist das Erzählcafé genau das Richtige!

    Am 18. April begrüßen wir als Gast die Leiterin des Hoeschmuseums, Isolde Parussel, die über ihre Arbeit im Museum, von den Möglichkeiten, dort ehrenamtlich tätig zu sein, von geplanten Ausstellungen und besonderen Exponaten berichten wird. Wie immer bleibt auch noch genug Zeit zum Austausch und Klönen.

    Vor dem Erzählcafé haben Franz-Josef Ingenmey und Susanne Schulte, Mitglieder des Seniorenbeirats, von 13.00 bis 14.00 Uhr in der Sprechstunde ein offenes Ohr für alle Interessierten.

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