Kundgebung am Dortmunder Hauptbahnhof für Solidarität

Nach tagelangen Protesten in Iran: 450 Dortmunder:innen gedenken Zhina Amini

Auch in Dortmund wurden Kopftücher öffentlich verbrannt. Foto: Paulina Bermúdez für nordstadtblogger.de

Der Tod der 22-jährigen Kurdin Zhina Amini im Polizeigewahrsam im Iran hatte landesweit für starke Proteste gesorgt. Auslöser für die Verhaftung der jungen Frau mit Todesfolge soll das falsche Tragen ihres Hidschāb (ein Kopftuch) gewesen sein. International gab und gibt es Proteste, auch in Dortmund gab es Kundgebungen im Gedenken an die getötete junge Frau.

„Sittenpolizei“ verhaftete die junge Frau – was danach geschah ist weiterhin unklar

In Dortmund rufen die Demonstrierenden immer wieder den Namen der toten Frau, auch Plakate erinnern an sie. Foto: Paulina Bermúdez

Medienberichten zufolge soll Zhina Amini vor mehr als einer Woche von der „Sittenpolizei“ verhaftet worden sein, da sie ihren Hidschāb nicht ordnungsgemäß trug. Was danach geschah ist weiterhin unklar. Fest steht jedoch, dass Amini kurze Zeit später ins Koma fiel und in einem Krankenhaus in Teheran verstarb.

Die Organisation Iran Human Rights (IHR) informiert auf der Internetseite: „Mahsa (Zhina) Amini war eine 22-jährige Frau aus Saqqez, die mit ihrer Familie nach Teheran gereist war, um dort Verwandte zu besuchen, als sie am 14. September von Beamten der Sittenpolizei verhaftet wurde.

Kurz später verlor sie auf der Vozara Polizeiwache das Bewusstsein und fiel ins Koma. Zeugenaussagen zufolge schlugen die Beamten im Polizeiauto und nachher auf der Polizeistation auf Mahsa ein. Sie wurde am 16. September offiziell im Kasra Krankenhaus für Tod erklärt.“

Mindestens 54 Tote bei gewaltsamen Protesten im Iran

Viele Protestierende haben Plakate dabei. Foto: Paulina Bermúdez

Zhina Aminis Tod hat im Iran landesweite Proteste verursacht. Die IHR sprach am Samstag von mindestens 54 toten Zivilist:innen in dreizehn verschiedenen Regionen des Landes und hunderten verletzten Demonstrierenden. Problematisch sei vor allem, dass viele der Verletzten aus Angst vor einer Verhaftung keine Krankenhäuser oder Ärzte aufsuchten. Stattdessen würden sie sich Zuhause selbst versorgen.

Die IHR informiert auf ihrer Internetseite auch über brutale Festnahmen der Demonstrierenden durch die iranischen Sicherheitsbehörden. Weiter teilte die Organisation mit, dass Staatsmedien zufolge allein in der Provinz Gilan im Norden des Landes 739 Protestierende verhaftet worden seien. Augenzeugen zufolge kämen die Inhaftierten nach mehreren Tagen aus den Haftanstalten frei, meist misshandelt und teils mit gebrochenen Armen oder Beinen.

Viele Menschen fordern einen säkularen Staat. Foto: Paulina Bermúdez für nordstadtblogger.de

Auf Videos in Onlinenetzwerken wie TikTok ist zu sehen, wie Demonstrant:innen ihre Kopftücher abnehmen und verbrennen oder ihr Haar abschneiden. In Isfahan zerrissen Protestierende ein Transparent mit einem Bild des geistlichen Oberhaupts des Iran, Ayatollah Ali Chamenei. Seit mehreren Tagen hat das Iranische Regime daher social media Plattformen wie WhatsApp, Signal oder Instagram und das mobile Internet enorm eingeschränkt – teils auch gänzlich gesperrt.

Verbrannte Kopftücher – ein Zeichen für mehr Selbstbestimmung

Friedlicher Protest vor dem Dortmunder Hauptbahnhof. Foto: Paulina Bermúdez

Vor dem CineStar am nördlichen Ausgang des Dortmunder Hauptbahnhofs fanden am Samstag gleich zwei Veranstaltungen anlässlich der Proteste im Iran statt. Die erste Kundgebung um 13 Uhr setzte den Fokus auf den kurdischen Hintergrund der getöteten Frau und die allgemeine Unterdrückung von Kurd:innen. Etwa 280 Personen wohnten dem friedlichen Protest bei.

Am Nachmittag fanden sich laut Polizei etwa 450 bis 500 Personen auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof ein. Es wurden traditionelle persische Widerstandslieder gesungen, immer wieder rief die Menge den Namen der jungen Frau.

Eine Broschüre informierte über die Geschehnisse im Iran. Foto: Paulina Bermúdez

Schnell wird klar, die Protestierenden kritisieren nicht nur ihren Tod sondern die iranische Regierung. „Nieder mit der islamischen Regierung“ und „Mullah muss weg“ skandieren die Menschen.

Sie sind wütend, aber friedlich. Zum Abschluss der Kundgebung wurden auch in Dortmund unter lautstarkem Beifall traditionelle Kopftücher verbrannt.

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Reaktionen

  1. Die Wahrheit ist der Feind: Golineh Atai zu Gast im Stadtarchiv – Gespräche über Russland und den Iran (PM)

    Die Journalistin Golineh Atai (ARD, ZDF) ist für ihre Berichterstattung aus Moskau vielfach ausgezeichnet worden. Am Donnerstag, 6. Oktober, 19.30 Uhr ist sie für einen Vortrag und ein moderiertes Gespräch im Stadtarchiv Dortmund zu Gast (Märkische Str. 14). Der Abend wird veranstaltet von literaturhaus.dortmund und Historischer Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark.

    „Blickt man auf die Entwicklung Russlands unter Putin, dann erscheint der Angriff auf die Ukraine nicht überraschend. Seit dem ,Anschluss‘ der Krim erfindet sich Russland neu: als eine Großmacht, die chauvinistisch spricht und aggressiv handelt“, sagt Golineh Atai. Im Gespräch mit ihr soll es um die aktuelle Situation in Russland und im Iran gehen. Golineh Atai wird aus ihrem Bestseller „Die Wahrheit ist der Feind. Warum Russland so anders ist“ (2019) und „Iran – die Freiheit ist weiblich“ (2021) kurze Passagen vortragen und im Gespräch ihre Erfahrungen und Eindrücke aus Russland und dem Iran mit dem Publikum teilen. Der Eintritt ist frei.

    Golineh Atai, geboren 1974 in Teheran, war von 2006 bis 2008 für die ARD als Korrespondentin in Kairo und von 2013 bis 2018 Korrespondentin in Moskau, danach arbeitete sie für den WDR in Köln. Seit dem 1. Januar 2022 leitet sie das ZDF-Studio in Kairo. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. als „Journalistin des Jahres 2014“, mit dem Peter-Scholl-Latour-Preis sowie dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

  2. Panel zu der Situation im Iran – mit Pegah Edalatian (PM)

    Jin, Jiyan, Azadî! Frauen, Leben, Freiheit!

    Ist die aktuelle Revolution im Iran eine feministische Revolution, eine Revolution durch
    Frauen? Dies diskutieren wir mit Pegah Edalatian, Stellv. Bundesvorsitzende, Internationale
    & Europäische Koordinatorin & Vielfaltspolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen.
    Am Freitag, den 10.03.23 treffen wir uns dazu ab 19:00 Uhr in der Auslandsgesellschaft
    Dortmund.

    „Frau. Leben. Freiheit!“ – Dieser Ruf ist seit Ende September 2022 auf den Straßen im Iran zu
    hören. Er begleitet die Massenproteste, bei denen tausende Männer und Frauen landesweit
    auf die Straße gehen. Frauen schneiden sich die Haare ab und verbrennen öffentlich ihre
    Hijabs, um gegen ihre jahrzehntelange Unterdrückung durch das Mullah-Regime zu protes-
    tieren.

    Auslöser war der Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini nach Festnahme durch die Sitten-
    polizei. Seither entlädt sich die Wut der Bevölkerung in landesweiten Demonstrationen. Das
    Regime reagiert hierauf mit offener Gewalt.

    Schreiben die Frauen im Iran gerade feministische Weltgeschichte? Haben die Proteste das
    Potential, in eine Revolutionsdynamik zum Sturz des Regimes zu münden? Welche Faktoren
    spielen dabei eine Rolle? Und vor allem: Wie sollte eine deutsche, menschenrechtsorientier-
    te und feministische Politik darauf reagieren?

    Für die GRÜNE Ratsfraktion Dortmund nimmt Lisa Denzel teil. Lisa Denzel ist Sprecherin
    der LAG Demokratie und Recht, vertritt die Dortmunder GRÜNEN seit 2020 im Ausschuss
    für öffentliche Ordnung, worunter die Themen Aufenthaltsrecht, Migration und die Auslän-
    derbehörde fallen. Zur Ratssitzung am 10. November 2022 brachte Lisa eine Resolution zur
    Solidarität mit den Protestierenden im Iran ein, die von einer Mehrheit des Rats der Stadt
    Dortmund beschlossen wurde.

    10.03.23 // 19:00 Uhr
    Auslandsgesellschaft Dortmund
    Panel und Austausch
    mit Pegah Edalatian (stellv. Bundesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    Lisa Denzel (Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dortmund)
    Eintritt frei – für Getränke ist gesorgt

  3. Kundgebung am Jahrestag: „Kampf in Jinas Namen für die Freiheit Aller“

    Jin, Jiyan, Azadî! Frauen, Leben, Freiheit! Am 16. September jährt sich der tragische Tod von Mahsa Amini im Iran. Ihr Schicksal hat viele Menschen bewegt und uns auch viele Frauen in Deutschland inspiriert, sich für Gerechtigkeit und Menschenrechte im Iran einzusetzen. Sie rufen am Samstag (16.09.) von 17 bis 19 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Platz der Deutschen Ein seit (gegenüber HBF) auf. Das Motto: „Kampf in Jinas Namen für die Freiheit Aller“. Diese Veranstaltung hat zum Ziel, an Mahsa Amini zu erinnern und gleichzeitig auf die drängenden Fragen der Menschenrechtsverletzungen im Iran hinzuweisen, betont ein feministisches Kollektiv.

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