Mit dem „Service Center lokale Arbeit“ geht Dortmund innovative Wege zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit 

Übernehmen gemeinsam Verantwortung: v.l. Oliver Walter vom SCA, Heike Bettermann vom Jobcenter, Wirtschaftsförderer Thomas Westphal, Sozialdezernentin Birgit Zoerner und Maximilian Fink vom atlas-Konzern. Fotos (2): Sascha Fijneman

Mit dem „Service Center lokale Arbeit“ (SCA) verfügt die Stadt Dortmund über ein bundesweit einzigartiges Projekt zur nachhaltigen Integration von Langzeitarbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Im Rahmen des Projektes werden Menschen beraten, begleitet und unterstützt, die sich seit mindestens vier Jahren im ALG II-Leistungsbezug befinden. Nach einem Jahr Laufzeit war es nun an der Zeit für die Verantwortlichen, eine Halbzeitbilanz zu ziehen. Ihr erklärtes Ziel ist es, bis Ende des Jahres 210 langzeitarbeitslose Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Mit über 100 Integrationen ist das Projekt auf einem guten Weg. Die Dortmunder Wirtschaft ist für das Thema sensibilisiert und die geringe Abbrecherqoute von rund 20 Prozent ist der Beweis dafür, dass die Betroffenen ihre Chancen ergreifen wollen, ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben zu führen.

Interdisziplinäre organisatorische Einheit hat sich bewährt

Frank Neukirchen-Füsers, Thomas Westphal, Birgit Zoerner und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann bei der Übergabe des Zuwendungsbescheides Foto: Roland Gorecki
Frank Neukirchen-Füsers, Thomas Westphal, Birgit Zoerner und Arbeitsminister Karl-Josef Laumann bei der Übergabe des Zuwendungsbescheides 2017. Foto: Roland Gorecki

Im Herbst 2017 gab Arbeitsminister Karl-Josef Laumann mit einem Förderbescheid über 5,5 Millionen Euro den Startschuss für das deutschlandweit einmalige Vorhaben, mit dem langzeitarbeitslose Menschen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen.

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Die Stadt Dortmund war aufgefordert, komplementär zu bestehenden Angeboten, eigene Mittel und Instrumente zur Bekämpfung des Problems auszuprobieren. Hierfür schloss sich eine interdisziplinäre Einheit von Jobcenter, Sozialamt, Wirtschaftsförderung und Vergabeamt der Stadt Dortmund zusammen, um die Problematik gemeinsam aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Anders als bei bisherigen Maßnahmen lag der Fokus des Projektes von Anfang an auf der echten, langfristigen Arbeitsmarkteinführung der Betroffenen an Stelle von kurzfristigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, nach deren Ablauf die TeilnehmerInnen meist genauso dastanden wie zuvor.

Es passiert etwas mit den Menschen, wenn sie wieder eine Aufgabe bekommen

Nach einem Projektjahr war es an der Zeit für die Halbzeitbilanz. Fotos (2): Sascha Fijneman
Nach einem Projektjahr war es für die Verantwortlichen an der Zeit für die Halbzeitbilanz.

Durch die Arbeit des Service-Centers sollen die TeilnehmerInnen im optimalen Fall auch über den Förderzeitraum des Projektes hinaus, dauerhaft in den Betrieben eingestellt werden. Das „Service Center lokale Arbeit“ steht unter der Federführung der Wirtschaftsförderung und des Sozialamtes und bündelt die Aktivitäten der Stadtverwaltung und des Jobcenters.

Für die TeilnehmerInnen besteht keinerlei Zwang. Sie nehmen freiwillig an dem Programm teil und werden beim Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag begleitet. „Die Teilnahme erfolgt auf freiwilliger Basis. Alle Beteiligten sind sehr motiviert und insbesondere die Unternehmen positiv überrascht“, freut sich Heike Bettermann vom Jobcenter Dortmund.

Es passiere etwas mit den Menschen, wenn sie plötzlich wieder einen Sinn im Leben hätten und an Wertschöpfungsprozessen teilhaben könnten. Bettermann wünscht sich für die Zukunft unbefristete Übernahmen ihrer Klienten in sozialversicherungspflichtige Vollzeit-Arbeitsverhältnisse, die oberhalb des Mindestlohnes vergütet werden sollten.

Durch die Entlastung von Fachkräften einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt schaffen

Für die Auswahl der teilnehmenden Arbeitslosen arbeitet das „Service Center lokale Arbeit“ also eng mit dem Jobcenter zusammen. Das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit manifestiert sich darin, dass die zur Dienstleistungsgesellschaft transformierte Dortmunder Wirtschaft immer mehr vakante Stellen aufweist, für die hohe Qualifikationsvoraussetzungen bestehen.

Die Masse der Langzeitarbeitslosen verfügt jedoch nicht über derartige Abschlüsse und Qualifikationen. Daher ist es Aufgabe der ArbeitgeberInnen, ihre Fachkräfte zu entlasten, indem sie Stellen schaffen, die auch ungelernt verrichtet werden können. Der Bereich der Helfertätigkeiten muss ausgebaut werden.

Aus diesem Grund betreibt die Wirtschaftsförderung Dortmund seit Beginn des Projektes Aufklärung in der Unternehmenslandschaft und versucht für das Thema Integration von Langzeitarbeitslosen zu sensibilisieren. Betriebsakquisiteure wenden sich gezielt an wirtschaftlich starke Unternehmen mit Personalnot und ermitteln ihre Umstrukturierungspotenziale.

Minderleistungsausgleich für Betriebe; Lohn statt Leistungen für die TeilnehmerInnen

Durch die Ansiedlung von Unternehmen wie Amazon wurden viele Helferstellen geschaffen.
Durch die Ansiedlung von Unternehmen wie Amazon wurden viele Helferstellen geschaffen.

„Wir müssen für einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt sorgen. Seit ein paar Jahren ist in diesem Bereich eine gute Entwicklung feststellbar“ so der Geschäftsführer der Dortmunder Wirtschaftsförderung, Thomas Westphal. In diesem Zusammenhang begrüßt der Wirtschaftsförderer die Ansiedlung von Unternehmen wie Amazon und Decathlon, die viele Stellen im Helferbereich für ungelernte BewerberInnen anbieten könnten.

An anderer Stelle werden über das Vergabezentrum der Stadtverwaltung Aufträge ausgeschrieben, die die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen für unternehmerische BewerberInnen zur Bedingung machen, um den Auftrag zu erhalten. „Unsere Beratung und Betreuung steht übrigens nicht nur den ArbeitnehmerInnen zur Verfügung sondern wir beraten und begleiten auch die Betriebe gerne über den gesamten Förderzeitraum“, so Oliver Walter vom Service Center.

Das Projekt wird mit einer Integrationsprämie für die Schaffung eines Arbeitsplatzes für ein Jahr gefördert. „An dieser Stelle ist es uns wichtig zu betonen, dass die Förderung in Form eines Minderleistungsausgleichs für die Unternehmen gezahlt wird. Die Förderung geschieht im Rahmen von Aufträgen, was für die Firmen interessanter ist als die direkte Förderung von Personen und für die TeilnehmerInnen bedeutet es, dass sie Lohn ausgezahlt bekommen und keine Transferleistungen“, so Walter weiter.

Unternehmen übernehmen Verantwortung für die Stadt und ihre BürgerInnen

Laut Walter seien im ersten Projektjahr die Strukturen geschaffen worden, auf denen man jetzt weiter aufbauen könnte. Durch die gemeinsame Verantwortung aller Fachbereiche habe man die Basis zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit geschaffen.

„Die Herausforderung besteht nun darin, die Regelinstrumente des Zweiten Sozialgesetzbuches, wie zum Beispiel das neue Teilhabechancengesetz, mit den in Dortmund gewonnenen Erkenntnissen zu kombinieren“, so die Sozialdezernentin der Stadt Dortmund, Birgit Zoerner.

Wie es funktionieren kann, so dass sowohl Arbeitnehmerinnen als auch ArbeitgeberInnen durch das Projekt profitieren, erläuterte Maximilian Fink von der atlas-Shoe Company in Dortmund-Wickede. Im Rahmen eines von der Stadt Dortmund ausgeschriebenen Auftrages, der die Einbindung von Langzeitarbeitslosen zur Bedingung machte, hatte sich das Unternehmen, das Sicherheitsschuhe herstellt, beworben. Als Dortmunder Unternehmen wollte man Verantwortung sowohl für die Stadt als auch für die BürgerInnen übernehmen.

Es geht um neue Perspektiven für Arbeitnehmerinnen und ArbeitgeberInnen

Logo der atlas-shoe company. Quelle: Screenshot
Logo der atlas-shoe company. Quelle: Screenshot

Das Unternehmen stellte eine Langzeitarbeitslose im Bereich Logistik ein und bereut seine Entscheidung bis heute nicht. Das begleitende Coaching habe effektiv Wirkung gezeigt. „Es fängt mit ganz banalen Dingen an. Wenn Sie jahrelang aus dem Berufsalltag raus sind, dann kann es schonmal sein, dass sie nicht mal wissen, wie Sie ihre Pausen verbringen sollen“, erläutert Fink.

Außerdem brauche es seine Zeit, um den Betroffenen die Kernwerte eines Teams näher zu bringen. Die gesamte Struktur eines Arbeitsalltages müsse neu erlernt werden. „Wir freuen uns, die Kollegin bei uns aufgenommen zu haben und als Unternehmen so in das Projekt einbezogen worden zu sein“, so Fink abschließend.

Alle Beteiligten sind sich einig: Das Dortmunder System funktioniert. „Wir fühlen uns in unserem Ansatz bestätigt und blicken zuversichtlich in die zweite Projekthälfte“, resümiert Thomas Westphal. „Was als Modellprojekt begann, könnte nicht nur in Dortmund, sondern auch in anderen Städten und Regionen Deutschlands Schule machen.“

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