„Kinder, ihr seid nicht allein!“ – Muslimische Gemeinden entsenden Luftballonbotschaft zum Abschluss des Ramadan

Vier muslimische Gemeinden in Dortmund haben die Initiative ergriffen und gemeinsam die Luftballon-Aktion gestartet. Die Botschaft lautet: auch in Corona-Zeiten wird im Geiste gemeinsam gefeiert und niemand ist allein. Fotos: Inci Şen

Von Inci Şen

Was Weihnachten für Menschen christlichen Glaubens und Chanukka für jüdische Mitbürger*innen ist, bedeutet Ramadan und das dazugehörige Zuckerfest für Musliminnen und Muslime. Natürlich werden hier ganz unterschiedliche Feste mit unterschiedlichen Hintergründen gefeiert. Sie haben jedoch eins gemeinsam. Es sind Zeiten in denen Zusammenhalt, Familie, Menschlichkeit und Miteinander groß geschrieben werden. In diesem Jahr war im Ramadan vieles anders. Die Moscheen sind geschlossen. Die gemeinsamen Gebete konnten nicht stattfinden und es wurde versucht, das Gemeindeleben durch Online-Vorträge aufrechtzuerhalten.

Interview mit Issam Bachiri (Vorstand) und Dr. Hisham Hammad (Gemeindemitglied) der Abu-Bakr-Moschee

Insbesondere den Kindern soll durch die Aktion eine Freude gemacht werden.

Am Sonntag endete der Ramadan mit dem Zuckerfest als Höhepunkt. Vier Dortmunder Moschee-Gemeinden, haben sich kurzerhand eine Aktion einfallen lassen. ___STEADY_PAYWALL___

Von den vier unterschiedlichen Standorten der Religionsgemeinden aus, wurden mehrere hunderte Luftballons gen Himmel geschickt. Um ein Zeichen zu setzen und allen Musliminnen und Muslimen in Dortmund ein frohes Zuckerfest zu wünschen. 

Können Sie nochmal kurz darauf eingehen, was Muslime im Ramadan feiern? 

Dr. Hammad: Wir fasten und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dürfen wir weder essen noch trinken. Aber nicht nur das. Wir müssen ein Solidaritätsgefühl mit den Armen, mit den Unterdrückten, mit den Mittellosen entwickeln und dieses auch praktizieren. Gegenseitige Hilfe und Unterstützung, das ist unglaublich wichtig im Ramadan. 

Das ist die Botschaft von Ramadan. Nach dreißig Tagen feiern wir, dass wir es geschafft haben, diese dreißig Tage so diszipliniert, hilfsbereit und solidarisch zu sein. Und den Ramadan beenden wir heute mit dem Fest des Fastenbrechens (Zuckerfest). 

Wie erleben Sie diesen Ramadan, denn es ist ja in diesem Jahr schon eine besondere Situation?

In der Zentralmoschee kamen während des Ramadan jeden Abend hunderte Gläubige zum Beten und Fastenbrechen.
Das Iftar genannte Fastenbrechen konnte in diesem Jahr nur in familiärem Kreis stattfinden. Foto: Alex Völkel/Archiv

Issam Bachiri: Man hat sich schon sehr eingeschränkt gefühlt. Diesen Ramadan hat man sehr viel Zeit mit der Familie verbracht, sonst hat man mit den Mitgliedern der Gemeinde und der Familie abends den Iftar (das Fastenbrechen) begangen, zusammen gebetet, zusammen gegessen, zusammen gefeiert. Und dieses Mal war alles sehr eingeschränkt, nur mit der Familie und nur Zuhause. Es war schon ein anderes Gefühl. 

Dr. Hammad: Also wir vermissen wirklich die soziale Dimension. Das ist auch einer der Botschaften von Ramadan. Die soziale Dimension, dass die Menschen miteinander zusammenkommen zum Fasten, zum Fastenbrechen, zum Feiern und gegenseitigen Unterstützen. 

Das vermissen wir und deswegen auch unsere Aktion heute, mit den Luftballons. Wir wollten eine Botschaft mit den Luftballons senden, vor allem an unsere Kinder, die sich sehr auf das Zuckerfest freuen. Diese Botschaft lautet: „Kinder, ihr seid nicht allein. Wir denken an euch. Und ihr feiert nicht alleine, sondern wir feiern alle zusammen, auch wenn wir geografisch getrennt sind.“ 

Wieviele Gemeinden beteiligen sich denn an dieser Aktion? 

Dr. Hisham Hammad (l.) und Issam Bachiri (2.v.l.) mit weiteren Initiatoren und Helfern der Aktion.

Dr. Hammad: Die Initiative wurde relativ spät in diesem Ramadan, erst vor vierzehn Tagen ergriffen. Hierzu haben wir mehrere Gemeinden kontaktiert.

Gewinnen hierfür konnten wir, die Moschee an der wir uns gerade befinden, die Abu-Bakr Moschee (Islamischer Bund Dortmund e.V.). Dann im Osten eine weitere Verbundmoschee, die Assunaa Moschee (Marokkanisch-Islamische Begegnungsstätte e.V.). Im Süden beteiligt sich Wali Aktiv e.V. und im Westen die Al-Fath Moschee (Verein der Kulturfreunde Dortmund e.V.). 

Wir haben auch Moscheen mit anderen nationalen Hintergründen kontaktiert, aber diese konnten sich so kurzfristig nicht darauf einstellen. Das ist auch eine neue Erfahrung in der Kommunikation und Menschen haben immer Angst bzw. sind unsicher vor Neuem. Aber wir hoffen, dass wir zum Opferfest in zwei Monaten eine bessere Situation haben werden und weitere Moscheen an der Aktion teilnehmen. Dennoch haben wir auf den Luftballons die Glückwünsche zum Zuckerfest auf Deutsch, Arabisch und Türkisch geschrieben, so dass alle Muslime auch die Botschaft bekommen und verstehen können. 

Können Sie uns Ihre Lieblingssure im Koran verraten?

Issam Bachiri: Das ist die Sure Al-Fatiha, die Sure mit der der Koran beginnt. Das ist die eröffnende Sure und auch diejenige, die in jedem Pflichtgebet enthalten ist. 

Wie empfinden Sie persönlich die Corona-Zeit?

Dr. Hammad: Es ist eine sehr schwierige Zeit. Auf der einen Seite schränkt sie unsere Bewegung und Mobilität ein und auf der anderen Seite gibt sie uns die Chance, neue Ideen zu entwickeln. Miteinander weiter zu kommunizieren.

Mit unserer Umgebung, unseren Mitmenschen, unserer Umwelt und auch mit unserer Natur. Uns zu verändern und auch unser Verhalten zu verändern. Das ist die Gelegenheit, während und nach der Coronazeit sozialer zu sein, ökologischer zu denken und solidarischer zu handeln. 

Welche Rolle spielt denn das Spenden im Ramadan?

Dr. Hammad: Das ist auch eines der wichtigsten Themen im Ramadan. Unterstützung von Bedürftigen, von Armen, von Unterdrückten. Es ist eine Pflicht im Ramadan, dass jeder von uns eine kleine Spende gibt. Die beträgt zum Beispiel jeweils im Ramadan und pro Person hier in Deutschland zehn Euro. So versuchen wir das Leid von den Menschen, die nicht so viel haben, zu mindern. Das ist eine Pflicht als Muslim*in. 

Was haben Sie in diesem Ramadan gelernt?

Issam Bachiri: Wir haben gelernt, dass wir den Sachen, die uns in diesem Ramadan gefehlt haben, nächstes Jahr ein wenig mehr Gefühl geben bzw. ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken. 

Dr. Hammad: Luftballons zum Beispiel nicht 24 Stunden vorher, sondern erst zwei Stunden davor mit Helium zu befüllen, dann halten sie fester und länger (lacht). Dann haben wir auch gelernt, dass als Einzelner das Leben keine Freude macht, wir brauchen einander. Mehr Solidarität und Zusammenhalt, das haben wir gelernt. 

 

Unterstütze uns auf Steady

 

Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit: Vortrags- und Gesprächsabend mit Vertretern der NRW-Fraktionen

Corona und der Glaube (Teil 6): Christuskirche – „Wenn Worte reden könnten – die Bibel und ihre Geschichte mit uns“

Print Friendly, PDF & Email

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert