Heute ist Internationaler Hurentag – Mitternachtsmission: Corona-Verbote sind für Sexarbeiter*innen existenzbedrohend

Tote Hose - so stellt sich die Situation in der Linienstraße aktuell dar.
Tote Hose im Bordell – so stellt sich die Situation in der Linienstraße seit vielen Monaten dar. Fotos: Alex Völkel

Immer am 2. Juni wird an die schwierige Situation der Sexarbeiter*innen und ihre Stigmatisierung und Diskriminierung aufmerksam gemacht, mit der Forderung, die Rechte von Prostituierten zu stärken und Stigmatisierung und Diskriminierung abzuschaffen. Aktuell ist Corona das große Thema.

Stigmatisierung und Diskriminierung sind immer noch Realität für Sexarbeiter*innen

Am 2. Juni 1975 besetzten über 100 Prostituierte die Kirche Saint-Nizier in Lyon, um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Die französischen Strafverfolgungsbehörden setzten Prostituierte zunehmend unter Druck, so dass sie sich gezwungen sahen, im Verborgenen zu arbeiten.  Hier wurden sie häufiger Opfer von Gewalttaten; zwei Frauen wurden ermordet.

Ist die rechtliche Situation von Prostituierten heute auch eine andere als im Juni 1975 in Frankreich, gehören sie aktuell jedoch zu den Erwerbstätigengruppen, die von dem Arbeitsverbot in der Pandemiesituation am meisten betroffen sind, berichtet die Dortmunder Mitternachtsmission.  Das Arbeitsverbot für Prostituierte gilt mit Ausnahme weniger Wochen seit 16 Monaten – daher sind viele von ihnen lange Zeit ohne Einkommen.

Viele sexuelle Dienstleistungen könnten körpernahen Dienstleistungen gleichgestellt werden

Mitternachtsmission
Die Informationsangebote der Mitternachtsmission gibt es auf deutsch und in zehn weiteren Sprachen.

„Viele von ihnen können keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen. Das führt zu desolaten Lebensumständen,  existenzieller Not, Verlust der Wohnung  und seelischen und körperlichen Erkrankungen“, warnt die Hilfsorganisation vor den Folgen des Berufsverbots. In der Corona-Schutzverordnung wird Prostitution unter Freizeit- und Vergnügungsstätten geführt. 

Da Prostitution sehr vielfältig ist, sich in Art und Weise der sexuellen Dienstleistungen sehr unterscheidet, könnte die Tätigkeit differenzierter betrachtet werden, appelliert die Dortmunder Mitternachtsmission an die Politik. Eine Vielzahl von sexuellen Dienstleistungen könnten den körpernahen Dienstleistungen gleichgestellt  und somit auch gleich behandelt werden.

Die Mitternachtsmission ist in großer Sorge um die Frauen und Männer in der Prostitution, die trotz Arbeitsverbot weiterhin der Prostitution nachgehen müssen, da sie keine Alternative sehen, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. „Sie können dies nur im Verborgenen tun. Dort ist die Gefahr groß, Opfer von Ausbeutung und Gewalt zu werden“, so die eindringliche Warnung.

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Reaktionen

  1. Grußwort der Dortmunder Mitternachtsmission zum Internationalen Sex Workers Day (PM)

    Liebe Frauen, wir wünschen euch alles Gute zum 47. International Sex Workers Day am 2. Juni 2022.

    In Deutschland hat die akzeptierende Beratungsarbeit im Kontext Sexarbeit mehr als 40 Jahre Tradition. Noch länger treten Sexarbeiter*innen selbst für ihre Rechte ein. Am 02.06.1975 besetzten mehr als 100 Sexarbeitende die Kirche Saint-Nizier in Lyon. In Erinnerung an dieses Ereignis wird weltweit am 02. Juni der International Sex Workers Day gefeiert.

    Ebenfalls seit Jahrzehnten setzen sich Wissenschaftler*innen fundiert mit der Situation Sexarbeitender auseinander. Sie kommen in großer Mehrheit zu dem Ergebnis, dass die Rechte von Sexarbeiter*innen gestärkt werden sollten um ihre Lage zu verbessern, während Verbote ihre Situation verschlechtern. Das ist belegt.

    Doch trotz wissenschaftlicher Empirie, soliden Erfahrungswerten aus der Beratungsarbeit und den Stimmen aus der Sexarbeit sieht das politische Handeln in Bezug auf Prostitution leider oft anders aus. Seit der Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes 2017 mehren sich wieder Rufe nach mehr Kriminalisierung, Kontrolle und Verboten. Die Folgen sind mehr Stigmatisierung und Diskriminierung bis hin zur Sexarbeitsfeindlichkeit.

    Deswegen solidarisieren wir uns heute mit den Sexarbeitenden und fordern:

    Sozialrechtliche Gleichstellung aller Sexarbeitenden
    Gesellschaftliche Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von Sexarbeitenden
    Sexarbeiter*innen müssen in die Entscheidungen, die insbesondere sie betreffen, mit einbezogen und gehört werden

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