Ein gütiger und talentfreier Gott bittet zum konzertanten Plausch im Café: „Blasphemie eines Irren” im Foyer des Depot

Im Theater im Depot spielt Carsten Bülow (rechts) Franz Werfels Monolog in einer Inszenierung von Stefan Schroeder.
Carsten Bülow (r.) spielt Franz Werfels Monolog in einer Inszenierung von Stefan Schroeder. Foto: Alex Völkel

Im europäischen Schicksalsjahr 1914 schrieb Franz Werfel die Erzählung „Blasphemie eines Irren”. Werfels monologisch verfasste Erzählung ist wie gemacht für eine Theaterinszenierung: Dicht und vielfältig, komisch und ernsthaft, sinnlich und musikalisch.

Zweites gemeinsames Projekt im Depot

Im Theater im Depot spielt Carsten Bülow Franz Werfels Monolog in einer Inszenierung von Stefan Schroeder. Nach der Inszenierung „verehrt und Angespien – Das Testament des Francois Villon“ ist es ihr zweites gemeinsames Projekt.

Wobei im Theater stimmt nicht so ganz: Im Foyer wird das Stück am Tag der deutschen Einheit (3. Oktober) um 20 Uhr Premiere feiern. Am 6. November gibt es eine zweite Aufführung. Weitere Termine und Spielorte sind im kommenden Jahr denkbar. Das Theater im Depot setzt damit sein Konzept fort, für kleine literarische und Theaterformen andere Orte als nur die große Bühne anzubieten.

Der „lrre” – und seine komplexe Sicht auf die Welt

Doch worum geht es in „Blasphemie eines Irren”? Ein Mann empfängt Besucher in bescheidenem Rahmen: Sie nennen ihn den „Irren“‚ doch er möchte lieber, in aller Zurückhaltung, „Herr Gott“ genannt werden.

Wer oder was er ist, dieser außergewöhnliche Herr mit dem selbstbewussten Auftreten und der eindrucksvollen Kenntnis über Menschen, Welt und Werte, ist die entscheidende Frage: Hat doch der „lrre” eine komplexe Sicht auf die Welt, in der er nun einmal, man glaube ihm oder nicht, als Gott tätig ist – und das immerhin seit Jahrtausenden, in denen er alles sah, alles hörte, ihm nichts erspart blieb… was für eine Lebensklugheit.

Ein gütiger Gott mit wenig Talent zum Singen lädt ins Theater im Depot ein

Gott liebt die Musik - kann aber leider nicht singen. Foto: TiD
Gott liebt die Musik – kann aber nicht singen. Foto: TiD

Doch dem „Irren” geht es nicht ums Belehren, nein, er wirbt um Verständnis, er gesteht und erkennt, er windet und überwindet sich, und er weiß zu scherzen und zu unterhalten.

Im Angesicht des von ihm selbst erschaffenen Ebenbildes kehrt er sein Innerstes nach außen und erträgt sein schweres Schicksal nicht zuletzt dank einer großen Leidenschaft: Der Musik…

Allerdings – und das ist das Hauptproblem, hat „Gott“ den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Und so möchte Gott gerne singen. „Aber ich bin so wenig begabt“, räumt der „Irre“ selbstkritisch ein.

Genau diese Doppelperspektive – der kritische Blick auf die Schöpfung und seine eigene Unzulänglichkeit – gibt dem Stück die aktuelle Note. Da vergisst man schon fast, dass das Stück 100 Jahre alt ist.

Spötter und Zyniker mit ironischem Witz

Zeitgenossen beschreiben Franz Werfel als einen Spötter und Zyniker mit ironischem Witz, der gern Anekdoten über seine Mitmenschen erzählte. 1890 mit deutschböhmischen Wurzeln in Prag geboren, wird er einer der engsten Freunde von Franz Kafka.

Er schreibt Lyrik, Erzählungen, Theaterstücke und Romane. In Wien, wo er 20 Jahre lang lebt, heiratet er die legendäre Alma Mahler‚ die Witwe des Komponisten Gustav Mahler. 1937 emigrieren sie über Frankreich, Spanien und Portugal in die USA, wo Werfel 1941 die amerikanische Staatsbürgerschaft annimmt.

Er erlebt noch die gefeierte Hollywood-Verfilmung seines Romans „Das Lied der Bernadette“, bevor er 1945 im Alter von 55 Jahren in Beverly Hills einem Herzinfarkt erliegt.

Stück brannte dem Duo schon länger unter den Nägeln

Allerdings haben Bülow und Schroeder nicht auf das Jubiläumsjahr gewartet. Schon vor Jahren wollten sie den Stoff bearbeiten. „Aber unser damaliger Chef wollte das nicht“, berichten die beiden Macher. Ihr Chef damals war Michael Gruner. Doch weder er noch die beiden Akteure sind noch am Dortmunder Schauspielhaus. Also gibt es das Stück nun im Foyer des Depot. Tickets gibt es für 13 Euro (ermäßigt acht Euro) – für jede Inszenierung gibt es allerdings nur 40 Plätze.

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