Die Friedensbewegung muss eigene Denkmuster hinterfragen

Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bekommt der Ostermarsch eine neue Aktualität

Der Ostermarsch Rhein-Ruhr endet traditionell an Ostermontag in Dortmund.
Der Ostermarsch endet traditionell an Ostermontag in Dortmund – mit zwei Kundgebungen in Dorstfeld und auf dem Hansaplatz. Foto: Karsten Wickern für Nordstadtblogger.de

Am Wochenende findet der Ostermarsch Rhein-Ruhr statt – in Dortmund dann am Ostermontag traditionell der Abschluss. Nie war die Veranstaltung aktueller – und doch noch nie wurden die Überzeugungen von vielen Ostermarschierer:innen so stark auf die Probe gestellt, wie durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Denn über Jahrzehnte war der „US-Imperialismus“ der Grund für Kriege in der Welt. Dass nun Russland für einen imperialistischen Angriffskrieg verantwortlich ist, konnten sich die wenigsten vorstellen.

Trotz tausender Toter in der Ukraine soll es keine Waffenlieferungen geben

Eigentlich wollten die Organisator:innen das Thema Klimaschutz und Friedenssicherung in den Mittelpunkt stellen, aber auch die soziale Frage im Kontext von Friedenssicherung. Nun diktiert der Krieg in der Ukraine eine völlig andere Agenda – und damit ist das Thema Krieg in Europa so aktuell wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Für viele Menschen markiert der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 eine Zeitenwende in Europa. Foto: Depositphotos.com

„Das Entsetzen über den Krieg in der Ukraine ist groß. Mehrere tausend Tote und Verletzte, Millionen Flüchtlinge, zerstörte Dörfer und Städte: das ist die bisherige Bilanz dieses grausam geführten Krieges. Reaktionen darauf sind unter anderem die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen und auch Sanktionen, die die Verurteilung des russischen Angriffs deutlich machen“, betonen Joachim Schramm und Felix Oekentorp vom Organisationskomitee des Ostermarschs Rhein Ruhr.

„Eine andere Reaktion unserer Regierung besteht aber auch in Waffenlieferungen an die Ukraine und immer wieder wird auch die Forderung nach einer Flugverbotszone über dem Land laut gestellt. Das sind keine Maßnahmen, die aus unserer Sicht zum Frieden führen, sondern sie sind geeignet, den Krieg weiter zu verlängern oder sogar zu einem Flächenbrand in ganz Europa zu eskalieren“, heißt es weiter.

Daher ist aus ihrer Sicht nicht die Aufrüstung der Bundeswehr und der anderen europäischen Armeen sowie fortgesetzte Waffenlieferungen an die Ukraine die Lösung: Sie kritisieren daher auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg scharf, weil dieser sagte, die NATO könne die Ukraine jahrelang mit Waffen versorgen.

„Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine“

Der Ostermarsch 2022 findet unter gänzlich anderen Vorzeichen statt als geplant.
Der Ostermarsch 2022 findet unter gänzlich anderen Vorzeichen statt als geplant.

„Einen jahrelangen Krieg in der Ukraine, das gilt es auf alle Fälle zu verhindern, aber auch eine nicht auszuschließende Eskalation zu einem großen Krieg in Europa! Es muss intensiv über einen schnellstmöglichen Waffenstillstand verhandelt werden und über eine diplomatische Lösung des Konfliktes“, heißt es daher vom Organisationskomitees des Ostermarschs Rhein-Ruhr. 

Auch wenn angesichts der Bilder aus Butscha und der zahlreichen zivilen Opfer diese Verhandlungen vielen Menschen als nicht vorstellbar erschienen, geht aus Sicht des Organisationskomitees kein Weg daran vorbei. „Dafür gehen wir Ostern auf die Straße“, betonen sie selbstbewusst und in Teilen auch wenig selbstkritisch – denn über Jahrzehnte hatte die Friedensbewegung Russland geradezu hofiert und den Feind des Friedens ausschließlich im US-Imperialismus sowie in den damit verknüpften Wirtschaftsinteressen des Westens gesehen.

Foto: Karsten Wickern für Nordstadtblogger.de

„Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung. Die Mitschuld des Westens, besonders der USA und der NATO, rechtfertigt keinesfalls diese militärische Aggression. Der Angriff Russlands gegen die Ukraine stellt im Atomzeitalter ein Verbrechen gegen die Überlebensinteressen der Menschen in der Ukraine, aber auch in Gesamt-Europa dar“, heißt es in einer ergänzenden Erklärung.

„Politische Reaktionen des Westens müssen auf die Wiederaufnahme von Gesprächen gerichtet sein, weiterer Hass und Konfrontation müssen vermieden werden und dürfen nicht die Bevölkerung Russlands treffen. Deswegen lehnen wir Sanktionen ab“ heißt es weiter. Es gibt keine militärische, sondern nur politische Lösungen auf der Basis der Prinzipien des gegenseitigen Respekts und der gemeinsamen Sicherheit. In der zerbrechlichen Situation Europas gibt es nur ein einziges zu verantwortendes Gebot: eine Politik des Friedens und der Zukunftsfähigkeit.

Der Abschluss des Ostermarschs findet Ostermontag in Dortmund statt

Abschluss des Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 am Wichernhaus
Abschluss des Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 am Wichernhaus Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Auftakt des Ostermarschs ist Karfreitag in Gronau. Ostersamstag gibt es in Duisburg, Köln und Düsseldorf Kundgebungen und Demonstrationen. Der Ostersonntag ist die Fahrradetappe, die von Essen über Gelsenkirchen, Wattenscheid und Werne bis nach Bochum führt.

Der Abschluss findet traditionell in Dortmund statt. Hier gibt es schon seit vielen Jahren einen antifaschistischen Schwerpunkt. Los geht es in Dortmund-Dorstfeld, wo an Ostermontag um 12.30 Uhr eine Ökumenische Friedensandacht abgehalten wird, bevor um 13 Uhr die Auftaktkundgebung beginnt. 

Die Abschlusskundgebung findet wie im Vorjahr auch am Hansaplatz in der Dortmunder City statt, nachdem das Wichernhaus in der Nordstadt nicht mehr zur Verfügung steht und coronabedingt mehr Platz benötigt wird. 

An den drei Tagen des Ostermarschs Rhein Ruhr treten wieder eine ganze Reihe Redner:innen auf. Das volle Programm gibt es hier: Ostermarsch-Flyer_2022.pdf

 


Friedensbanner im Propsteihof entrollt

Propst Andreas Coersmeier, Thorsten Herrmann, Geschäftsführer Gemeindeverband Katholischer Kirchengemeinden Ruhr und Svenja Zahn, Dekanatsreferentin für Jugend und Familie, entrollten im Propsteihof ein großes Friedensbanner.
Propst Andreas Coersmeier, Thorsten Herrmann, Geschäftsführer Gemeindeverband Katholischer Kirchengemeinden Ruhr, und Svenja Zahn, Dekanatsreferentin für Jugend und Familie, entrollten das große Friedensbanner. Foto: Thomas Renneke / Kath. Stadtkirche Dortmund

Peace, Pace, Mir, Vrede – „Frieden“, steht in vielen verschiedenen Sprachen auf einem großen Banner, das die Katholische Stadtkirche Dortmund jetzt im Propsteihof aufgehängt hat. „Wir setzen damit ein Hoffnungszeichen dafür, dass Menschen aller Nationen Frieden und keinen Krieg wollen“, sagt Propst Andreas Coersmeier.

Gemeinsam mit Thorsten Herrmann, Geschäftsführer des Gemeindeverbands Katholischer Kirchengemeinden Ruhr, und Svenja Zahn, Dekanatsreferentin für Jugend und Familien Dortmund, entrollte er das bunte Transparent vom Hubwagen aus.

Weiterhin wird im Propsteihof in der Dortmunder City von Montag bis Samstag jeweils um „fünf vor zwölf“ Uhr für den Frieden gebetet. Alle sind eingeladen, um 11.55 Uhr und bis zum Mittagsläuten den ausgeteilten Gebetstext mitzusprechen und im Anschluss still zu beten.

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Reaktionen

  1. Hayek

    Man sollte diese Leute als das bezeichnen, was sie sind: „Schwurbler“. Der Krieg hatte nie etwas mit der NATO zu tun. Wer hinschaute, wusste das schon vorher. Inzwischen sollte das auch dem Letzten klar sein. Ein Waffenstillstand mit Russland ist nur zu haben, wenn die Ukraine Teile ihres Gebietes dafür abtritt. Da es Russland um die Zerstörung der Ukraine geht, ist das allerdings gleichzusetzen mit dem Tod der dort lebenden Menschen. Butscha und Informationen über Deportationen aus von Russland besetzten Gebieten zeigen das deutlich. Unverständlich, wie man da noch mit Friedensplakaten durch die Gegend spazieren und die gewohnten Vorurteile gegen die NATO und USA einwerfen kann.

  2. Ulrich Sander

    Bedeutende Politiker und Theoretiker des politischen Realismus warnten lange Zeit vor einem heißen Krieg im Zusammenhang mit der Nato-Osterweiterung und der möglichen Aufnahme der Ukraine in die Nato, darunter Helmut Schmidt, Henry Kissinger, Robert McNamara, George F. Kennan und John Mearsheimer. Alles Schwurbler? Schluss mit dem Krieg! Waffenlieferungen sind Öl ins Feuer gießen. Verhandeln! Abrüsten! Frieden schaffen ohne Waffen, erinnert Ihr Euch? Auf zum Ostermarsch!

  3. Ulrich Sander

    Merkel-Mitarbeiter warnt – Eine leider unbekannte dpa-Meldung vom 12. 5. 22
    Ex-Merkel-Berater Vad gegen Lieferung von schweren Waffen an Ukraine- Sind der Kampfpanzer Leopard oder der Schützenpanzer Marder eine schnelle Hilfe für die Ukraine? Der ehemalige militärpolitische Berater von Altkanzlerin Merkel bezweifelt das.
    Man müsse den Ukraine-Krieg vom Ende her denken, sagt Brigadegeneral a.D. Vad. Der ehemalige militärpolitische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel, Brigadegeneral a.D. Erich Vad, hat sich gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Solche Lieferungen seien potenziell ein „Weg in den Dritten Weltkrieg“, sagte Vad der Deutschen Presse-Agentur.
    Davon abgesehen, könne man komplexe Waffensysteme wie den Kampfpanzer Leopard oder den Schützenpanzer Marder nur nach jahrelanger Ausbildung systemgerecht bedienen und einsetzen, sagte Vad. Sie nützten den Ukrainern militärisch aktuell und auf absehbare Zeit also gar nichts.
    „Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht“, sagte Vad. „Aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“
    Vad: Putin nicht als krankhaften Despoten abstempeln
    Vad warnte davor, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin das Menschsein abzusprechen und ihn zum krankhaften Despoten abzustempeln, mit dem man nicht mehr reden könne. So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukraine-Krieg sei, er stehe doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums. „Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan – so neu ist das alles nicht“, sagte Vad. Auch die viel zu vielen toten Zivilisten und die Massaker, die sich jetzt im Ukraine-Krieg ereigneten, seien leider nicht außergewöhnlich.
    „Im Krieg werden Unschuldige getötet. So ist der Krieg. Das ist leider systemimmanent.“ Vad erinnerte an den Irakkrieg von 2003. In diesem Krieg und während der darauf folgenden Besetzung des Landes seien Hunderttausende von Zivilisten getötet worden. „Damit verglichen, fällt Putin nicht aus dem Rahmen. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen – so erschütternd die Bilder auch sind.“
    Wenn es zum Beispiel heiße, die Russen hätten eine Geburtsklinik unter Feuer genommen, dann schwinge dabei mit, dass dies absichtlich geschehen sei. „Es ist aber sicher nicht Putins Absicht gewesen – warum sollte er das tun? Er wird dafür weltweit an den Pranger gestellt. So schrecklich das ist, aber das und die Inkaufnahme tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in Libyen, in Afghanistan genauso.“ Die sogenannten Kollateralschäden in der Ukraine seien bisher sogar weitaus geringer als im Irak oder in Afghanistan.
    Ausdehnen von Einfluss-Sphären betreiben auch Demokratien
    Ebenso zweischneidig sei es, Putin vorzuwerfen, dass er die Ukraine und die Krim zur geopolitischen Einflusssphäre Russlands rechne. Es werde dann gesagt, dass das eine obsolete Sichtweise des 19. Jahrhunderts sei. „Doch für die Amerikaner gilt bis heute die Monroe-Doktrin, die besagt, dass auf dem amerikanischen Kontinent keine Interventionen fremder Mächte geduldet werden. Und die Karibik ist sicherlich auch eine Einflusssphäre, nicht erst seit der Kuba-Krise.“
    Auch wenn man in guter Absicht die Demokratisierung der Welt vorantreiben wolle, gehe es faktisch und machtpolitisch immer auch um das Ausdehnen von Einfluss-Sphären.
    Der Sicherheitsexperte und Militäranalyst geht davon aus, dass Putin den ursprünglich von ihm angestrebten Regime-Wechsel in der Ukraine nach dem weitgehenden Abzug aus dem Raum Kiew aufgegeben habe.
    Ex-Brigadegeneral: Verhandlungschancen sind vorhanden
    „Deshalb stehen die Chancen für Verhandlungen eigentlich nicht schlecht“, sagte Vad. „Beide Seiten könnten gesichtswahrend da rauskommen. Die Ukrainer haben bewiesen, dass sie ihre Hauptstadt Kiew wirksam verteidigt haben und darüber hinaus einen erfolgreichen Abwehrkampf führen gegen einen überlegenen Gegner. Die Russen wiederum haben einige Landgewinne im Osten und an der Schwarzmeerküste erzielt. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen und für beide Seiten besser, als sich weiter in den Sumpf eines langen Krieges mit ungewissem Ausgang ziehen zu lassen.“ (dpa/hub)

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