Die Pir@ten und PCschr@uber wollen alle kostenlos ans Netz bringen – und verschenken reparierte Rechner und Monitore

Helfen tatkräftig mit: (stehend von links) Susanne Besken, Wolfgang Schlunder, Uwe Martinschledde und Klaus-Ulrich Kaiser sowie (sitzend von links) Jürgen Plenge, Niels Schlunder und Felix Ritter. Fotos: Susanne Schulte

Von Susanne Schulte

Sie sind bereits ausgezeichnet, bekommen jetzt die Aufmerksamkeit eines Fernsehsenders und arbeiten immer noch mit der gleichen Leidenschaft an der Hardware und an einem freien Zugang ins Netz für alle: die Aktiven in den Gruppe der PCschr@uber – so heißt man in Lünen – und der Ne#er PCycle Pir@ten, wie sich die Dortmunder*innen nennen.

Gebrauchtgeräte werden repariert – Studierende und Schüler sind mit Leidenschaft am Werk

Kaum ist das WDR-Fernsehteam an diesem Dienstag gegangen, erzählen Uwe Martinschledde und Wolfgang Schlunder die Geschichte der beiden Gruppen noch einmal.

Die beiden Männer sitzen mit der Altersgruppe 50plus bei Kaffee und Plätzchen am runden Tisch zusammen, Studenten und Schüler werkeln derweil am eckigen Tisch und bringen gebrauchte Rechner auf Vordermann.

Diese Werkstatt ist im ehemaligen evangelischen Pfarrhaus am Melanchthonplatz in Brambauer untergebracht. Auch die Netter Gruppe nutzt Räume der evangelischen Kirche. „Aber das ist nur Zufall.“

Das erste Projekt war die Ausstattung der Unterkünfte für Flüchtlinge mit Freifunk und Computern

Uwe Martinschledde von der Piratenpartei.

Kein Zufall ist es, dass Uwe Martinschledde der Motor der Gruppen ist. Als Mitglied der Piratenpartei, machte er sich 2015 mit Freifunkern und weiteren Gleichgesinnten daran, Unterkünfte und Treffpunkte für Flüchtlinge mit Freifunk auszustatten.

„Als die vielen Menschen damals im Deitrich-Keuning-Haus ankamen, versuchten alle zur selben Zeit, Familie und Freunde anzurufen“, so Martinschledde.

Mobiles Telefonieren ist teuer, macht man es über das Internet und hier mit Freifunk-Routern und spendierten Datenvolumen, kostet es die Menschen nichts.

Also setzten sich Martinschledde und seine Mitstreiter*innen dafür ein, dass Freifunk in die Sammelunterkünfte kam. Das klappte und kam gut an.

Fast 500 Rechner verschenkten die Gruppen in den vergangenen fünf Jahren

„Doch viele Informationen, die die Leute übers Netz erfragen musste, wollten die auch ausdrucken“, beobachtete er. Also beschloss Martinschledde, stationäre Rechner in die Einrichtungen zu bringen und bat, auch auf der Web-Seite nebenan.de um Spenden von ausrangierten Computern.

In Nette, im Jugendkeller der evangelischen Gemeinde, wurden die Geräte unter Anleitung eines Profis wieder alltagstauglich gemacht. Geflüchtete Menschen, die sich beruflich mit Computern und Technik auskannten, wollten mitmachen und taten dies auch.

Auch den Jugendlichen, in deren Keller die Schrauber saßen, kribbelte es in den Fingern und sie ließen sich gerne in die Arbeit einweisen. Die instand gesetzten Rechner wurden und werden kostenlos an Heime und an die Privathaushalte abgegeben, in denen das Geld für einen Rechner fehlt und fehlte.

„Knapp unter 500 Rechner haben wir in den vergangen Jahren auf diese Weise verteilt“, sagt Wolfgang Schlunder, der mit Martinschledde die Organisation in den Händen hat.

Digitale Teilhabe der Bewohner*innen war im Seniorenzentrum Minister Achenbach noch kein Thema

Den zweiten Standort, den in Brambauer, suchte der dortige Quartiersmanager Thomas Brandt der Gruppe aus Dortmund.

Uwe Martinschledde hatte bei ihm einen Computer abgeholt, man kam ins Gespräch und schon bahnte sich eine Zusammenarbeit an.

Im AWO-Seniorenzentrum Minister Achenbach organisierte Brandt einen Raum für die Geräte und die Arbeitsstunden.

Aber die Kooperation mit dem Heim klappte nicht. Es fehlte der Internetzugang und wohl das Interesse der Heimleitung, diesen möglich zu machen, vermuten die PCschr@uber. „Nur zweimal konnten wir unsere Geräte aufbauen“, so Schlunder.

Pir@ten und PCschr@uber sind überzeugt: Im Internet finden Senior*innen vieles, was sie glücklich macht

Um ins Netz zu kommen, brachten sie eigene Router mit. „Die Bewohner waren begeistert. Ein Mann wollte noch einmal sein Geburtshaus sehen. Das haben wir gefunden.“

Eine Frau hatte den Wunsch, Zara Leander zu hören: „Über you tube. Wo ist das Problem?“, erzählt Schlunder und freut sich noch heute, wie er die Frau glücklich gemacht hat.

Das gelang auch Uwe Martinschledde: „Die Bewohnerin sagte mir, sie habe immer mal das Taj Mahal sehen wollen, käme jetzt aber nicht mehr dahin. Doch im Netz gibt es einen virtuellen Rundgang durch das Mausoleum in Indien. Die Frau hatte Tränen in den Augen.“

Die Fachleute der digitalen Welt reden dem Freifunk das Wort: „Die Nutzer*innen bleiben anonym“

Eine neue Unterkunft für die Masse an gespendeten Bildschirmen, Rechnern, Mäusen und Kabeln mit Internetanschluss fand sich dann, ebenfalls mietfrei, in dem ehemaligen Pfarrheim am Melanchthonplatz.

Doch den Wunsch, den Bewohner*innen in Altenheimen einen Computerplatz einzurichten, zu dem sie im Gemeinschaftraum immer Zugang haben, geben die Pir@ten nicht auf.

„Läuft das Ganze über Freifunk, muss die Hausleitung auch keine Sorge haben, dass Seiten angeklickt werden, die verboten sind oder für die man zahlen muss. Freifunknutzer bleiben anonym. Das einzige, was man braucht, ist einen Freifunk-Router.“

Die alten Festplatten werden mit Linux überschrieben – Das machen nur die Erwachsenen

Verbotene Seiten, das ist auch ein Thema in den beiden Werkstätten. Bevor die Kinder und Jugendlichen die gebrauchten Festplatten in die Hände bekommen, lassen die Erwachsenen alles mit Linux überschreiben.

„Die Großen machen die Formatierung, nicht dass die Kinder plötzlich Pornos zu Gesicht kriegen.“ Neun Schüler sind es, die regelmäßig am Dienstag um 17 Uhr in die Brambauer Werkstatt kommen. In Nette läuft der Betrieb zurzeit ein wenig eingeschränkt, so Martinschledde.

Die Brambauer Jungs bringen häufig noch Freunde und Bekannte mit. Der Anreiz: Wer kommt und mitmacht, erhält einen PC, und das kostenlos. „Wir können die Kinder ja hier nicht die Rechner für andere fertig machen lassen und sie selbst haben keinen“, begründen die Erwachsenen die weise Überlegung. „Vorkenntnisse muss niemand mitbringen, aber Interesse.“

Uwe Martinschledde sucht am Sonntag in der Aktuellen Stunde den Drehort für das 2. Kalendertörchen aus

Und jetzt noch mal zum WDR. Die Redaktion hat die Gruppe der Schr@uber und Pir@aten als Helden des Alltags ausgeguckt. Dazu sah sich das Team wohl die Ehrenamtspreis-Gewinner*innen von 2018 an.

Helden des Alltags legen für den Adventskalender der Aktuellen Stunde den Drehort für den nächsten Tag fest. Am kommenden Sonntag, 1. Dezember, in der Sendung um 19.10 Uhr, dirigiert Uwe Martinschledde die Maus in der Hand der*s Moderator*in.

 

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Reaktionen

  1. klaus engel

    Eine sehr gute Sache
    eine Frage habe ich ,habe ein älteres Laptop
    kann man die auf rüsten ,er ist sehr langsam.
    mit vielen Dank für die Antwort Klaus Engel

  2. Uwe Martinschledde

    Hallöchen Klaus!
    Das kann man so pauschal nicht sagen, aber wenn man ihn mit genügend Arbeitsspeicher, einer schnellen Festplatte und Linux bespielt, sollte er zumindest wieder brauchbar sein. Kannst dich ja mal unter

    pcschrauben@t-online.de

    bei uns melden.
    Liebe Grüße
    Uwe

  3. Bernd

    Hallo Herr Martinschledde,
    ich habe vor einiger Zeit meinen EDV-Betrieb geschlossen und habe noch einiges an Zubehör übrig.
    Dieses würde ich Ihnen gerne schenken.
    Nehmen Sie bitte über meine E-Mailadresse Kontakt zu mir auf.
    Gruß

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